Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.§. 156. Völkerrecht im Zustand des Unfriedens. Punct ist ein rein thatsächlicher, welcher vielfach nur nach Vermu-thungen zu entscheiden sein wird; gewiß aber läßt sich keine Prä- sumtion als Regel aufstellen, es werden vielmehr von billigen Rich- tern die vorwaltenden Umstände jedesmal besonders erwogen wer- den müssen. 1 Die zweite Bedingung ist, wie ebenfalls außer Streit liegt, daß der neutrale Theil schon thatsächlich in der Ausführung des Versuchs betreten worden und nicht erst rein intentionell im Be- griff stehen muß, die Blocadelinie hindurch in den abgesperrten Ort einzudringen. 2 Entfernte Präsumtionen können hierbei, wie man schon mit Recht getadelt hat, noch keineswegs genügen; ja es würde sogar höchst unbillig sein, das nicht sofortige Einhalten des Laufes eines Schiffes auf geschehenen Anruf für den Beweis eines beabsichtigten effectiven Eindringens in den blokirten Ort zu er- klären. 3 Nicht allein unbillig, sondern sogar ungerecht ist und wird es 1 Wheaton S. 233. Vgl. F. F. L. Pestel, selecta cap. iur. marit. § 11. 2 Actus aliquis, non solum consilium. Vgl. Vattel III, 177. So wollte auch die bewaffnete Neutralität von 1800. den Grundsatz durchsetzen: que tout batiment naviguant vers un port bloque ne pourra etre regarde comme contrevenient, que lorsqu' apres avoir ete averti par le com- mandant du blocus de l'etat du port, il tachera d'y penetrer en em- ploiant la force ou la ruse. Die Conventionen mit Großbritannien von 1801. haben dieses wieder ausgelöscht! 3 Gerügt wurde dieses ebenfalls an dem schon erwähnten Blocadedecret der Republik Chili von 1838. 4 Gleichwohl ist dies Praxis geworden, besonders Britische, wie man sich
aus den Prisengerichtsentscheidungen überzeugen kann. Es ist die Ausübung eines Strafrechtes, wozu man nicht die geringste Befugniß aufweisen kann! Schon die bloße Versegelung mit der Bestimmung nach einem blokirten Hafen genügt! Jacobsen, S. 682. 687. Man confiscirt Schiffe und Gut, auch wenn es dem Blocadegeschwader schon vorbeigefahren ist! S. 698. ebds. Welch' ein Recht! §. 156. Voͤlkerrecht im Zuſtand des Unfriedens. Punct iſt ein rein thatſächlicher, welcher vielfach nur nach Vermu-thungen zu entſcheiden ſein wird; gewiß aber läßt ſich keine Prä- ſumtion als Regel aufſtellen, es werden vielmehr von billigen Rich- tern die vorwaltenden Umſtände jedesmal beſonders erwogen wer- den müſſen. 1 Die zweite Bedingung iſt, wie ebenfalls außer Streit liegt, daß der neutrale Theil ſchon thatſächlich in der Ausführung des Verſuchs betreten worden und nicht erſt rein intentionell im Be- griff ſtehen muß, die Blocadelinie hindurch in den abgeſperrten Ort einzudringen. 2 Entfernte Präſumtionen können hierbei, wie man ſchon mit Recht getadelt hat, noch keineswegs genügen; ja es würde ſogar höchſt unbillig ſein, das nicht ſofortige Einhalten des Laufes eines Schiffes auf geſchehenen Anruf für den Beweis eines beabſichtigten effectiven Eindringens in den blokirten Ort zu er- klären. 3 Nicht allein unbillig, ſondern ſogar ungerecht iſt und wird es 1 Wheaton S. 233. Vgl. F. F. L. Pestel, selecta cap. iur. marit. § 11. 2 Actus aliquis, non solum consilium. Vgl. Vattel III, 177. So wollte auch die bewaffnete Neutralität von 1800. den Grundſatz durchſetzen: que tout bâtiment naviguant vers un port bloqué ne pourra être regardé comme contrevenient, que lorsqu’ après avoir été averti par le com- mandant du blocus de l’état du port, il tâchera d’y pénétrer en em- ploiant la force ou la ruse. Die Conventionen mit Großbritannien von 1801. haben dieſes wieder ausgelöſcht! 3 Gerügt wurde dieſes ebenfalls an dem ſchon erwähnten Blocadedecret der Republik Chili von 1838. 4 Gleichwohl iſt dies Praxis geworden, beſonders Britiſche, wie man ſich
aus den Priſengerichtsentſcheidungen überzeugen kann. Es iſt die Ausübung eines Strafrechtes, wozu man nicht die geringſte Befugniß aufweiſen kann! Schon die bloße Verſegelung mit der Beſtimmung nach einem blokirten Hafen genügt! Jacobſen, S. 682. 687. Man confiscirt Schiffe und Gut, auch wenn es dem Blocadegeſchwader ſchon vorbeigefahren iſt! S. 698. ebdſ. Welch’ ein Recht! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0285" n="261"/><fw place="top" type="header">§. 156. <hi rendition="#g">Voͤlkerrecht im Zuſtand des Unfriedens</hi>.</fw><lb/> Punct iſt ein rein thatſächlicher, welcher vielfach nur nach Vermu-<lb/> thungen zu entſcheiden ſein wird; gewiß aber läßt ſich keine Prä-<lb/> ſumtion als Regel aufſtellen, es werden vielmehr von billigen Rich-<lb/> tern die vorwaltenden Umſtände jedesmal beſonders erwogen wer-<lb/> den müſſen. <note place="foot" n="1">Wheaton S. 233. Vgl. <hi rendition="#aq">F. F. L. Pestel, selecta cap. iur. marit.</hi> § 11.</note> Die zweite Bedingung iſt, wie ebenfalls außer Streit<lb/> liegt, daß der neutrale Theil ſchon thatſächlich in der Ausführung<lb/> des Verſuchs betreten worden und nicht erſt rein intentionell im Be-<lb/> griff ſtehen muß, die Blocadelinie hindurch in den abgeſperrten Ort<lb/> einzudringen. <note place="foot" n="2"><hi rendition="#aq">Actus aliquis, non solum consilium</hi>. Vgl. Vattel <hi rendition="#aq">III,</hi> 177. So wollte<lb/> auch die bewaffnete Neutralität von 1800. den Grundſatz durchſetzen: <hi rendition="#aq">que<lb/> tout bâtiment naviguant vers un port bloqué ne pourra être regardé<lb/> comme contrevenient, que lorsqu’ après avoir été averti par le com-<lb/> mandant du blocus de l’état du port, il tâchera d’y pénétrer en em-<lb/> ploiant la force ou la ruse</hi>. Die Conventionen mit Großbritannien von<lb/> 1801. haben dieſes wieder ausgelöſcht!</note> Entfernte Präſumtionen können hierbei, wie man<lb/> ſchon mit Recht getadelt hat, noch keineswegs genügen; ja es<lb/> würde ſogar höchſt unbillig ſein, das nicht ſofortige Einhalten des<lb/> Laufes eines Schiffes auf geſchehenen Anruf für den Beweis eines<lb/> beabſichtigten effectiven Eindringens in den blokirten Ort zu er-<lb/> klären. <note place="foot" n="3">Gerügt wurde dieſes ebenfalls an dem ſchon erwähnten Blocadedecret der<lb/> Republik Chili von 1838.</note></p><lb/> <p>Nicht allein unbillig, ſondern ſogar ungerecht iſt und wird es<lb/> allezeit ſein, ein neutrales Schiff ſchon deshalb, weil es ſich auf<lb/> dem Wege nach einem blokirten Orte befindet, wenn auch in noch<lb/> ſo weiter Entfernung, in den Fall einer Blocadeverletzung zu er-<lb/> klären. <note place="foot" n="4">Gleichwohl iſt dies Praxis geworden, beſonders Britiſche, wie man ſich<lb/> aus den Priſengerichtsentſcheidungen überzeugen kann. Es iſt die Ausübung<lb/> eines Strafrechtes, wozu man nicht die geringſte Befugniß aufweiſen kann!<lb/> Schon die bloße Verſegelung mit der Beſtimmung nach einem blokirten<lb/> Hafen genügt! Jacobſen, S. 682. 687. Man confiscirt Schiffe und Gut,<lb/> auch wenn es dem Blocadegeſchwader ſchon vorbeigefahren iſt! S. 698.<lb/> ebdſ. Welch’ ein Recht!</note> Es iſt hier nicht nur die Möglichkeit vorhanden, daß<lb/> das Schiff bei Fortſetzung ſeines Laufes die Blocade aufgehoben<lb/> findet; ſeine Intention iſt gewiß nicht ſofort als eine unabänder-<lb/> liche anzuſehen; es kommt aber noch außerdem dazu, daß, wie wir<lb/> weiterhin ſehen werden, das Anhalten eines neutralen Schiffes au-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [261/0285]
§. 156. Voͤlkerrecht im Zuſtand des Unfriedens.
Punct iſt ein rein thatſächlicher, welcher vielfach nur nach Vermu-
thungen zu entſcheiden ſein wird; gewiß aber läßt ſich keine Prä-
ſumtion als Regel aufſtellen, es werden vielmehr von billigen Rich-
tern die vorwaltenden Umſtände jedesmal beſonders erwogen wer-
den müſſen. 1 Die zweite Bedingung iſt, wie ebenfalls außer Streit
liegt, daß der neutrale Theil ſchon thatſächlich in der Ausführung
des Verſuchs betreten worden und nicht erſt rein intentionell im Be-
griff ſtehen muß, die Blocadelinie hindurch in den abgeſperrten Ort
einzudringen. 2 Entfernte Präſumtionen können hierbei, wie man
ſchon mit Recht getadelt hat, noch keineswegs genügen; ja es
würde ſogar höchſt unbillig ſein, das nicht ſofortige Einhalten des
Laufes eines Schiffes auf geſchehenen Anruf für den Beweis eines
beabſichtigten effectiven Eindringens in den blokirten Ort zu er-
klären. 3
Nicht allein unbillig, ſondern ſogar ungerecht iſt und wird es
allezeit ſein, ein neutrales Schiff ſchon deshalb, weil es ſich auf
dem Wege nach einem blokirten Orte befindet, wenn auch in noch
ſo weiter Entfernung, in den Fall einer Blocadeverletzung zu er-
klären. 4 Es iſt hier nicht nur die Möglichkeit vorhanden, daß
das Schiff bei Fortſetzung ſeines Laufes die Blocade aufgehoben
findet; ſeine Intention iſt gewiß nicht ſofort als eine unabänder-
liche anzuſehen; es kommt aber noch außerdem dazu, daß, wie wir
weiterhin ſehen werden, das Anhalten eines neutralen Schiffes au-
1 Wheaton S. 233. Vgl. F. F. L. Pestel, selecta cap. iur. marit. § 11.
2 Actus aliquis, non solum consilium. Vgl. Vattel III, 177. So wollte
auch die bewaffnete Neutralität von 1800. den Grundſatz durchſetzen: que
tout bâtiment naviguant vers un port bloqué ne pourra être regardé
comme contrevenient, que lorsqu’ après avoir été averti par le com-
mandant du blocus de l’état du port, il tâchera d’y pénétrer en em-
ploiant la force ou la ruse. Die Conventionen mit Großbritannien von
1801. haben dieſes wieder ausgelöſcht!
3 Gerügt wurde dieſes ebenfalls an dem ſchon erwähnten Blocadedecret der
Republik Chili von 1838.
4 Gleichwohl iſt dies Praxis geworden, beſonders Britiſche, wie man ſich
aus den Priſengerichtsentſcheidungen überzeugen kann. Es iſt die Ausübung
eines Strafrechtes, wozu man nicht die geringſte Befugniß aufweiſen kann!
Schon die bloße Verſegelung mit der Beſtimmung nach einem blokirten
Hafen genügt! Jacobſen, S. 682. 687. Man confiscirt Schiffe und Gut,
auch wenn es dem Blocadegeſchwader ſchon vorbeigefahren iſt! S. 698.
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