Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.Zweites Buch. §. 118. fern eine Kriegshilfe erst während eines ausgebrochenen Kriegszu-standes oder mit Hinsicht auf einen bestimmt bevorstehenden Kriegs- zustand übernommen wird, so meint man andererseits sie bestrei- ten zu dürfen, wenn eine Macht der anderen schon im Voraus für die von ihr zu führenden Kriege, es sei überhaupt oder wegen eines gewissen Gegenstandes, eine particuläre Kriegshilfe ganz all- gemein ohne Designation eines bestimmten Feindes zugesagt hat, ja selbst eine allgemeine Kriegshilfe für einen zu führenden Ver- theidigungskrieg. 1 Demungeachtet kann der Gegner hierdurch nicht gezwungen sein, den Hilfsmächten Neutralität zuzugestehen, und sie nur da feindselig zu behandeln, wo sie ihm unmittelbar gegenüberteten, wenn ihm nicht die Politik ein solches Verfahren anräth; vielmehr darf er jede ihm nachtheilige Ligue zu sprengen suchen; er darf dem Verbündeten daher die Wahl stellen, entwe- der von der ihm feindseligen Kriegshilfe abzustehen, oder den Krieg selbst ganz und gar anzunehmen. 2 Gerechtfertigt ist die Stellung einer solchen Alternative freilich erst dann, wenn der Verbündete des Gegners sich anschickt, die versprochene Kriegshilfe zu leisten; so lange dieses zweifelhaft ist, steht nur das schon früher (§. 30. 45.) erwähnte Fragerecht zu; wird aber die Antwort unter be- denklichen Umständen verweigert oder verzögert, so ist der Bedrohte unfehlbar befugt, sogar das Prävenire zu spielen. 3 Das Kriegsfeld. 118. Sein natürliches Feld findet der Krieg zu Lande in den 1 S. hierüber de Beulwitz de auxilüs hosti praestitis more gentium ho- dierno hostem non efficientib. Hal. Sax. 1747. 2 Beispiel: das Verfahren Rußlands gegen Preußen im Anfang des Jahres 1813. in Beziehung auf die französische Alliance. 3 So verfuhr Friedrich II. von Preußen gegen Chursachsen, bei Ausbruch
des 7 jähr. Krieges. Zweites Buch. §. 118. fern eine Kriegshilfe erſt während eines ausgebrochenen Kriegszu-ſtandes oder mit Hinſicht auf einen beſtimmt bevorſtehenden Kriegs- zuſtand übernommen wird, ſo meint man andererſeits ſie beſtrei- ten zu dürfen, wenn eine Macht der anderen ſchon im Voraus für die von ihr zu führenden Kriege, es ſei überhaupt oder wegen eines gewiſſen Gegenſtandes, eine particuläre Kriegshilfe ganz all- gemein ohne Deſignation eines beſtimmten Feindes zugeſagt hat, ja ſelbſt eine allgemeine Kriegshilfe für einen zu führenden Ver- theidigungskrieg. 1 Demungeachtet kann der Gegner hierdurch nicht gezwungen ſein, den Hilfsmächten Neutralität zuzugeſtehen, und ſie nur da feindſelig zu behandeln, wo ſie ihm unmittelbar gegenüberteten, wenn ihm nicht die Politik ein ſolches Verfahren anräth; vielmehr darf er jede ihm nachtheilige Ligue zu ſprengen ſuchen; er darf dem Verbündeten daher die Wahl ſtellen, entwe- der von der ihm feindſeligen Kriegshilfe abzuſtehen, oder den Krieg ſelbſt ganz und gar anzunehmen. 2 Gerechtfertigt iſt die Stellung einer ſolchen Alternative freilich erſt dann, wenn der Verbündete des Gegners ſich anſchickt, die verſprochene Kriegshilfe zu leiſten; ſo lange dieſes zweifelhaft iſt, ſteht nur das ſchon früher (§. 30. 45.) erwähnte Fragerecht zu; wird aber die Antwort unter be- denklichen Umſtänden verweigert oder verzögert, ſo iſt der Bedrohte unfehlbar befugt, ſogar das Prävenire zu ſpielen. 3 Das Kriegsfeld. 118. Sein natürliches Feld findet der Krieg zu Lande in den 1 S. hierüber de Beulwitz de auxilüs hosti praestitis more gentium ho- dierno hostem non efficientib. Hal. Sax. 1747. 2 Beiſpiel: das Verfahren Rußlands gegen Preußen im Anfang des Jahres 1813. in Beziehung auf die franzöſiſche Alliance. 3 So verfuhr Friedrich II. von Preußen gegen Churſachſen, bei Ausbruch
des 7 jähr. Krieges. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0224" n="200"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweites Buch</hi>. §. 118.</fw><lb/> fern eine Kriegshilfe erſt während eines ausgebrochenen Kriegszu-<lb/> ſtandes oder mit Hinſicht auf einen beſtimmt bevorſtehenden Kriegs-<lb/> zuſtand übernommen wird, ſo meint man andererſeits ſie beſtrei-<lb/> ten zu dürfen, wenn eine Macht der anderen ſchon im Voraus<lb/> für die von ihr zu führenden Kriege, es ſei überhaupt oder wegen<lb/> eines gewiſſen Gegenſtandes, eine particuläre Kriegshilfe ganz all-<lb/> gemein ohne Deſignation eines beſtimmten Feindes zugeſagt hat,<lb/> ja ſelbſt eine allgemeine Kriegshilfe für einen zu führenden Ver-<lb/> theidigungskrieg. <note place="foot" n="1">S. hierüber <hi rendition="#aq">de Beulwitz de auxilüs hosti praestitis more gentium ho-<lb/> dierno hostem non efficientib. Hal. Sax.</hi> 1747.</note> Demungeachtet kann der Gegner hierdurch<lb/> nicht gezwungen ſein, den Hilfsmächten Neutralität zuzugeſtehen,<lb/> und ſie nur da feindſelig zu behandeln, wo ſie ihm unmittelbar<lb/> gegenüberteten, wenn ihm nicht die Politik ein ſolches Verfahren<lb/> anräth; vielmehr darf er jede ihm nachtheilige Ligue zu ſprengen<lb/> ſuchen; er darf dem Verbündeten daher die Wahl ſtellen, entwe-<lb/> der von der ihm feindſeligen Kriegshilfe abzuſtehen, oder den Krieg<lb/> ſelbſt ganz und gar anzunehmen. <note place="foot" n="2">Beiſpiel: das Verfahren Rußlands gegen Preußen im Anfang des Jahres<lb/> 1813. in Beziehung auf die franzöſiſche Alliance.</note> Gerechtfertigt iſt die Stellung<lb/> einer ſolchen Alternative freilich erſt dann, wenn der Verbündete<lb/> des Gegners ſich anſchickt, die verſprochene Kriegshilfe zu leiſten;<lb/> ſo lange dieſes zweifelhaft iſt, ſteht nur das ſchon früher (§. 30.<lb/> 45.) erwähnte Fragerecht zu; wird aber die Antwort unter be-<lb/> denklichen Umſtänden verweigert oder verzögert, ſo iſt der Bedrohte<lb/> unfehlbar befugt, ſogar das Prävenire zu ſpielen. <note place="foot" n="3">So verfuhr Friedrich <hi rendition="#aq">II.</hi> von Preußen gegen Churſachſen, bei Ausbruch<lb/> des 7 jähr. Krieges.</note></p> </div><lb/> <div n="3"> <head>Das Kriegsfeld.</head><lb/> <p>118. Sein natürliches Feld findet der Krieg zu Lande in den<lb/> Staatsgebieten der feindlichen Parteien; der Seekrieg in den feind-<lb/> lichen Territorialgewäſſern wie auf der offenen See. Neutrales<lb/> Gebiet darf nur im Fall der Noth ohne Feindſeligkeit betreten<lb/> werden; das nähere Verhalten dabei zeichnet das Recht der Neu-<lb/> tralität vor. Das Verhältniß einer Hilfsmacht, auch wenn ihre<lb/> Neutralität zugeſtanden iſt, ſchließt wenigſtens den Feind von der<lb/> Verfolgung der geſtellten Hilfstruppen in ihr eigenes Gebiet nicht<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [200/0224]
Zweites Buch. §. 118.
fern eine Kriegshilfe erſt während eines ausgebrochenen Kriegszu-
ſtandes oder mit Hinſicht auf einen beſtimmt bevorſtehenden Kriegs-
zuſtand übernommen wird, ſo meint man andererſeits ſie beſtrei-
ten zu dürfen, wenn eine Macht der anderen ſchon im Voraus
für die von ihr zu führenden Kriege, es ſei überhaupt oder wegen
eines gewiſſen Gegenſtandes, eine particuläre Kriegshilfe ganz all-
gemein ohne Deſignation eines beſtimmten Feindes zugeſagt hat,
ja ſelbſt eine allgemeine Kriegshilfe für einen zu führenden Ver-
theidigungskrieg. 1 Demungeachtet kann der Gegner hierdurch
nicht gezwungen ſein, den Hilfsmächten Neutralität zuzugeſtehen,
und ſie nur da feindſelig zu behandeln, wo ſie ihm unmittelbar
gegenüberteten, wenn ihm nicht die Politik ein ſolches Verfahren
anräth; vielmehr darf er jede ihm nachtheilige Ligue zu ſprengen
ſuchen; er darf dem Verbündeten daher die Wahl ſtellen, entwe-
der von der ihm feindſeligen Kriegshilfe abzuſtehen, oder den Krieg
ſelbſt ganz und gar anzunehmen. 2 Gerechtfertigt iſt die Stellung
einer ſolchen Alternative freilich erſt dann, wenn der Verbündete
des Gegners ſich anſchickt, die verſprochene Kriegshilfe zu leiſten;
ſo lange dieſes zweifelhaft iſt, ſteht nur das ſchon früher (§. 30.
45.) erwähnte Fragerecht zu; wird aber die Antwort unter be-
denklichen Umſtänden verweigert oder verzögert, ſo iſt der Bedrohte
unfehlbar befugt, ſogar das Prävenire zu ſpielen. 3
Das Kriegsfeld.
118. Sein natürliches Feld findet der Krieg zu Lande in den
Staatsgebieten der feindlichen Parteien; der Seekrieg in den feind-
lichen Territorialgewäſſern wie auf der offenen See. Neutrales
Gebiet darf nur im Fall der Noth ohne Feindſeligkeit betreten
werden; das nähere Verhalten dabei zeichnet das Recht der Neu-
tralität vor. Das Verhältniß einer Hilfsmacht, auch wenn ihre
Neutralität zugeſtanden iſt, ſchließt wenigſtens den Feind von der
Verfolgung der geſtellten Hilfstruppen in ihr eigenes Gebiet nicht
1 S. hierüber de Beulwitz de auxilüs hosti praestitis more gentium ho-
dierno hostem non efficientib. Hal. Sax. 1747.
2 Beiſpiel: das Verfahren Rußlands gegen Preußen im Anfang des Jahres
1813. in Beziehung auf die franzöſiſche Alliance.
3 So verfuhr Friedrich II. von Preußen gegen Churſachſen, bei Ausbruch
des 7 jähr. Krieges.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |