Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.

Bild:
<< vorherige Seite
§. 63. Völkerrecht im Zustand des Friedens.
III. Der ordentliche Weg, um zu einer Auslieferung zu gelan-
gen, ist der Weg der Requisition, worin Recht und Inter-
esse an der Bestrafung dargelegt wird. Verlangen mehrere
Staaten die Auslieferung desselben Individuums, so hat der
Zufluchtsstaat die freie Wahl unter ihnen, welche sich da-
für entscheiden wird, wo das meiste allgemeine Interesse
und die größeste Sicherheit für gerechte Behandlung gege-
ben ist.
IV. Ist der Auszuliefernde dem Zufluchtsstaat selbst noch mit
öffentlichen Verbindlichkeiten verhaftet, so braucht er ihn
nicht eher zu entlassen, bevor jenen genügt ist. 1 Es kann
aber auch die Auslieferung mit Vorbehalt der Wiederablie-
ferung oder unter sonstigen Bedingungen geschehen.
V. Die Entscheidung über eine Auslieferung ist ein Gegenstand
der hohen Polizei und gehört daher in der Regel der höch-
sten Verwaltungsinstanz an, wofern nicht ein für allemal
für gewisse Categorien schon untergeordneten Behörden ein
Auftrag ertheilt ist. 2
VI. Die Auslieferung erfolgt gewöhnlich an den Grenzen des
Staatsgebietes an die auswärtige Behörde, gegen Erstat-
tung der Kosten, wenn nicht ein Anderes vereinbart ist.
Man nimmt darüber eine Verhandlung auf, und läßt sich
Gegenseitigkeit versprechen, wofern diese nicht schon tracta-
tengemäß feststeht. Zur Durchführung durch ein drittes
fremdes Gebiet gehört die Einwilligung der dortigen Staats-
gewalt.
VII. Der Ausgelieferte darf nur derjenigen Behandlung unter-
worfen werden, welche der Zweck der Requisition war oder
von dem Ausliefernden zur Bedingung gemacht ist. Eine
Ausdehnung auf andere Puncte würde das gegenseitige Asyl-
recht der Staaten und die bei jeder Auslieferung zu unter-
stellende völkerrechtliche Convention verletzen. 3

mann, Strafrechtspfl. in völkerr. Beziehung. S. 27. Kluit, S. 79 f.
Unter den Deutschen Bundesgliedern ist die Auslieferung politischer Ver-
brecher Bundespflicht. Beschluß v. 18. Aug. 1836.
1 Kluit, p. 65.
2 Derselbe, p. 113 f.
3 Ders., S. 87. Foelix, p. 580. 586.
8*
§. 63. Voͤlkerrecht im Zuſtand des Friedens.
III. Der ordentliche Weg, um zu einer Auslieferung zu gelan-
gen, iſt der Weg der Requiſition, worin Recht und Inter-
eſſe an der Beſtrafung dargelegt wird. Verlangen mehrere
Staaten die Auslieferung deſſelben Individuums, ſo hat der
Zufluchtsſtaat die freie Wahl unter ihnen, welche ſich da-
für entſcheiden wird, wo das meiſte allgemeine Intereſſe
und die größeſte Sicherheit für gerechte Behandlung gege-
ben iſt.
IV. Iſt der Auszuliefernde dem Zufluchtsſtaat ſelbſt noch mit
öffentlichen Verbindlichkeiten verhaftet, ſo braucht er ihn
nicht eher zu entlaſſen, bevor jenen genügt iſt. 1 Es kann
aber auch die Auslieferung mit Vorbehalt der Wiederablie-
ferung oder unter ſonſtigen Bedingungen geſchehen.
V. Die Entſcheidung über eine Auslieferung iſt ein Gegenſtand
der hohen Polizei und gehört daher in der Regel der höch-
ſten Verwaltungsinſtanz an, wofern nicht ein für allemal
für gewiſſe Categorien ſchon untergeordneten Behörden ein
Auftrag ertheilt iſt. 2
VI. Die Auslieferung erfolgt gewöhnlich an den Grenzen des
Staatsgebietes an die auswärtige Behörde, gegen Erſtat-
tung der Koſten, wenn nicht ein Anderes vereinbart iſt.
Man nimmt darüber eine Verhandlung auf, und läßt ſich
Gegenſeitigkeit verſprechen, wofern dieſe nicht ſchon tracta-
tengemäß feſtſteht. Zur Durchführung durch ein drittes
fremdes Gebiet gehört die Einwilligung der dortigen Staats-
gewalt.
VII. Der Ausgelieferte darf nur derjenigen Behandlung unter-
worfen werden, welche der Zweck der Requiſition war oder
von dem Ausliefernden zur Bedingung gemacht iſt. Eine
Ausdehnung auf andere Puncte würde das gegenſeitige Aſyl-
recht der Staaten und die bei jeder Auslieferung zu unter-
ſtellende völkerrechtliche Convention verletzen. 3

mann, Strafrechtspfl. in völkerr. Beziehung. S. 27. Kluit, S. 79 f.
Unter den Deutſchen Bundesgliedern iſt die Auslieferung politiſcher Ver-
brecher Bundespflicht. Beſchluß v. 18. Aug. 1836.
1 Kluit, p. 65.
2 Derſelbe, p. 113 f.
3 Derſ., S. 87. Foelix, p. 580. 586.
8*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <pb facs="#f0139" n="115"/>
              <fw place="top" type="header">§. 63. <hi rendition="#g">Vo&#x0364;lkerrecht im Zu&#x017F;tand des Friedens</hi>.</fw><lb/>
              <list>
                <item><hi rendition="#aq">III.</hi> Der ordentliche Weg, um zu einer Auslieferung zu gelan-<lb/>
gen, i&#x017F;t der Weg der Requi&#x017F;ition, worin Recht und Inter-<lb/>
e&#x017F;&#x017F;e an der Be&#x017F;trafung dargelegt wird. Verlangen mehrere<lb/>
Staaten die Auslieferung de&#x017F;&#x017F;elben Individuums, &#x017F;o hat der<lb/>
Zufluchts&#x017F;taat die freie Wahl unter ihnen, welche &#x017F;ich da-<lb/>
für ent&#x017F;cheiden wird, wo das mei&#x017F;te allgemeine Intere&#x017F;&#x017F;e<lb/>
und die größe&#x017F;te Sicherheit für gerechte Behandlung gege-<lb/>
ben i&#x017F;t.</item><lb/>
                <item><hi rendition="#aq">IV.</hi> I&#x017F;t der Auszuliefernde dem Zufluchts&#x017F;taat &#x017F;elb&#x017F;t noch mit<lb/>
öffentlichen Verbindlichkeiten verhaftet, &#x017F;o braucht er ihn<lb/>
nicht eher zu entla&#x017F;&#x017F;en, bevor jenen genügt i&#x017F;t. <note place="foot" n="1"><hi rendition="#aq">Kluit, p.</hi> 65.</note> Es kann<lb/>
aber auch die Auslieferung mit Vorbehalt der Wiederablie-<lb/>
ferung oder unter &#x017F;on&#x017F;tigen Bedingungen ge&#x017F;chehen.</item><lb/>
                <item><hi rendition="#aq">V.</hi> Die Ent&#x017F;cheidung über eine Auslieferung i&#x017F;t ein Gegen&#x017F;tand<lb/>
der hohen Polizei und gehört daher in der Regel der höch-<lb/>
&#x017F;ten Verwaltungsin&#x017F;tanz an, wofern nicht ein für allemal<lb/>
für gewi&#x017F;&#x017F;e Categorien &#x017F;chon untergeordneten Behörden ein<lb/>
Auftrag ertheilt i&#x017F;t. <note place="foot" n="2">Der&#x017F;elbe, <hi rendition="#aq">p.</hi> 113 f.</note></item><lb/>
                <item><hi rendition="#aq">VI.</hi> Die Auslieferung erfolgt gewöhnlich an den Grenzen des<lb/>
Staatsgebietes an die auswärtige Behörde, gegen Er&#x017F;tat-<lb/>
tung der Ko&#x017F;ten, wenn nicht ein Anderes vereinbart i&#x017F;t.<lb/>
Man nimmt darüber eine Verhandlung auf, und läßt &#x017F;ich<lb/>
Gegen&#x017F;eitigkeit ver&#x017F;prechen, wofern die&#x017F;e nicht &#x017F;chon tracta-<lb/>
tengemäß fe&#x017F;t&#x017F;teht. Zur Durchführung durch ein drittes<lb/>
fremdes Gebiet gehört die Einwilligung der dortigen Staats-<lb/>
gewalt.</item><lb/>
                <item><hi rendition="#aq">VII.</hi> Der Ausgelieferte darf nur derjenigen Behandlung unter-<lb/>
worfen werden, welche der Zweck der Requi&#x017F;ition war oder<lb/>
von dem Ausliefernden zur Bedingung gemacht i&#x017F;t. Eine<lb/>
Ausdehnung auf andere Puncte würde das gegen&#x017F;eitige A&#x017F;yl-<lb/>
recht der Staaten und die bei jeder Auslieferung zu unter-<lb/>
&#x017F;tellende völkerrechtliche Convention verletzen. <note place="foot" n="3">Der&#x017F;., S. 87. <hi rendition="#aq">Foelix, p.</hi> 580. 586.</note></item>
              </list><lb/>
              <note xml:id="note-0139" prev="#note-0138" place="foot" n="4">mann, Strafrechtspfl. in völkerr. Beziehung. S. 27. Kluit, S. 79 f.<lb/>
Unter den Deut&#x017F;chen Bundesgliedern i&#x017F;t die Auslieferung politi&#x017F;cher Ver-<lb/>
brecher Bundespflicht. Be&#x017F;chluß v. 18. Aug. 1836.</note><lb/>
              <fw place="bottom" type="sig">8*</fw><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[115/0139] §. 63. Voͤlkerrecht im Zuſtand des Friedens. III. Der ordentliche Weg, um zu einer Auslieferung zu gelan- gen, iſt der Weg der Requiſition, worin Recht und Inter- eſſe an der Beſtrafung dargelegt wird. Verlangen mehrere Staaten die Auslieferung deſſelben Individuums, ſo hat der Zufluchtsſtaat die freie Wahl unter ihnen, welche ſich da- für entſcheiden wird, wo das meiſte allgemeine Intereſſe und die größeſte Sicherheit für gerechte Behandlung gege- ben iſt. IV. Iſt der Auszuliefernde dem Zufluchtsſtaat ſelbſt noch mit öffentlichen Verbindlichkeiten verhaftet, ſo braucht er ihn nicht eher zu entlaſſen, bevor jenen genügt iſt. 1 Es kann aber auch die Auslieferung mit Vorbehalt der Wiederablie- ferung oder unter ſonſtigen Bedingungen geſchehen. V. Die Entſcheidung über eine Auslieferung iſt ein Gegenſtand der hohen Polizei und gehört daher in der Regel der höch- ſten Verwaltungsinſtanz an, wofern nicht ein für allemal für gewiſſe Categorien ſchon untergeordneten Behörden ein Auftrag ertheilt iſt. 2 VI. Die Auslieferung erfolgt gewöhnlich an den Grenzen des Staatsgebietes an die auswärtige Behörde, gegen Erſtat- tung der Koſten, wenn nicht ein Anderes vereinbart iſt. Man nimmt darüber eine Verhandlung auf, und läßt ſich Gegenſeitigkeit verſprechen, wofern dieſe nicht ſchon tracta- tengemäß feſtſteht. Zur Durchführung durch ein drittes fremdes Gebiet gehört die Einwilligung der dortigen Staats- gewalt. VII. Der Ausgelieferte darf nur derjenigen Behandlung unter- worfen werden, welche der Zweck der Requiſition war oder von dem Ausliefernden zur Bedingung gemacht iſt. Eine Ausdehnung auf andere Puncte würde das gegenſeitige Aſyl- recht der Staaten und die bei jeder Auslieferung zu unter- ſtellende völkerrechtliche Convention verletzen. 3 4 1 Kluit, p. 65. 2 Derſelbe, p. 113 f. 3 Derſ., S. 87. Foelix, p. 580. 586. 4 mann, Strafrechtspfl. in völkerr. Beziehung. S. 27. Kluit, S. 79 f. Unter den Deutſchen Bundesgliedern iſt die Auslieferung politiſcher Ver- brecher Bundespflicht. Beſchluß v. 18. Aug. 1836. 8*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844/139
Zitationshilfe: Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844/139>, abgerufen am 04.05.2024.