bedenklich werden. An welchen Staatshändeln mußte Carl bey so vielen Berührungspuncten nicht Antheil nehmen? Und wohin konnte diese Theilnahme bey einer solchen Macht nicht führen? Die den Habsburgern beygelegte Idee einer sogenannten Uni- versalmonarchie, war, in so fern man darunter nicht eine unmittelbare Herrschaft, sondern nur den Principat in Europa versteht, so wenig ein lee- res Phantom, daß sie vielmehr von selbst aus der Lage jenes Hauses hervorging; und der Kampf von FranzI., wenn auch im Einzelnen durch Leiden- schaft und kleinliche Ursachen erzeugt, und zunächst nur auf den Principat in Italien gerichtet, war doch, aus einem höhern Gesichtspunkt betrachtet, ein Kampf für Selbstständigkeit und Unabhängigkeit.
Schätzung der wahren Macht der beyden Fürsten. Die Macht von Carl V. verlor 1. durch die Verschiedenheit seiner Verhältnisse in seinen verschiedenen Staaten: er war nir- gends, selbst nicht in Spanien, unumschränkt. 2. Durch die beständigen Finanzverlegenheiten, und die nie regelmäßig bezahlten Truppen, die oft deßhalb kaum seine Truppen heißen konnten. Dagegen die so sehr concentrirte Macht Frankreichs nicht nur 1. dem Könige fast unumschränkt zu Ge- bote stand; sondern auch 2. durch die Errichtung einer eignen National-Infanterie statt der Miethtruppen erst furchtbar wurde. Aber doch 3. sehr dadurch sich beschränkte, daß Franz I. nicht die Staatswirthschaft seines Vorgängers befolgte.
6. Erster Krieg zwischen Franz I. und Carl V.,1521 bis 1526 angefangen von Franz I., und nach öfterm Wechsel
durch
B. 1. Riv. zw. Frankr. u. Span. 1515--1556.
bedenklich werden. An welchen Staatshaͤndeln mußte Carl bey ſo vielen Beruͤhrungspuncten nicht Antheil nehmen? Und wohin konnte dieſe Theilnahme bey einer ſolchen Macht nicht fuͤhren? Die den Habsburgern beygelegte Idee einer ſogenannten Uni- verſalmonarchie, war, in ſo fern man darunter nicht eine unmittelbare Herrſchaft, ſondern nur den Principat in Europa verſteht, ſo wenig ein lee- res Phantom, daß ſie vielmehr von ſelbſt aus der Lage jenes Hauſes hervorging; und der Kampf von FranzI., wenn auch im Einzelnen durch Leiden- ſchaft und kleinliche Urſachen erzeugt, und zunaͤchſt nur auf den Principat in Italien gerichtet, war doch, aus einem hoͤhern Geſichtspunkt betrachtet, ein Kampf fuͤr Selbſtſtaͤndigkeit und Unabhaͤngigkeit.
Schaͤtzung der wahren Macht der beyden Fuͤrſten. Die Macht von Carl V. verlor 1. durch die Verſchiedenheit ſeiner Verhaͤltniſſe in ſeinen verſchiedenen Staaten: er war nir- gends, ſelbſt nicht in Spanien, unumſchraͤnkt. 2. Durch die beſtaͤndigen Finanzverlegenheiten, und die nie regelmaͤßig bezahlten Truppen, die oft deßhalb kaum ſeine Truppen heißen konnten. Dagegen die ſo ſehr concentrirte Macht Frankreichs nicht nur 1. dem Koͤnige faſt unumſchraͤnkt zu Ge- bote ſtand; ſondern auch 2. durch die Errichtung einer eignen National-Infanterie ſtatt der Miethtruppen erſt furchtbar wurde. Aber doch 3. ſehr dadurch ſich beſchraͤnkte, daß Franz I. nicht die Staatswirthſchaft ſeines Vorgaͤngers befolgte.
6. Erſter Krieg zwiſchen Franz I. und Carl V.,1521 bis 1526 angefangen von Franz I., und nach oͤfterm Wechſel
durch
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B. 1. Riv. zw. Frankr. u. Span. 1515--1556.
bedenklich werden. An welchen Staatshaͤndeln
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Antheil nehmen? Und wohin konnte dieſe Theilnahme
bey einer ſolchen Macht nicht fuͤhren? Die den
Habsburgern beygelegte Idee einer ſogenannten Uni-
verſalmonarchie, war, in ſo fern man darunter
nicht eine unmittelbare Herrſchaft, ſondern nur den
Principat in Europa verſteht, ſo wenig ein lee-
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Lage jenes Hauſes hervorging; und der Kampf von
Franz I., wenn auch im Einzelnen durch Leiden-
ſchaft und kleinliche Urſachen erzeugt, und zunaͤchſt
nur auf den Principat in Italien gerichtet, war doch,
aus einem hoͤhern Geſichtspunkt betrachtet, ein Kampf
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Schaͤtzung der wahren Macht der beyden Fuͤrſten. Die
Macht von Carl V. verlor 1. durch die Verſchiedenheit ſeiner
Verhaͤltniſſe in ſeinen verſchiedenen Staaten: er war nir-
gends, ſelbſt nicht in Spanien, unumſchraͤnkt. 2. Durch die
beſtaͤndigen Finanzverlegenheiten, und die nie regelmaͤßig
bezahlten Truppen, die oft deßhalb kaum ſeine Truppen
heißen konnten. Dagegen die ſo ſehr concentrirte Macht
Frankreichs nicht nur 1. dem Koͤnige faſt unumſchraͤnkt zu Ge-
bote ſtand; ſondern auch 2. durch die Errichtung einer eignen
National-Infanterie ſtatt der Miethtruppen erſt furchtbar
wurde. Aber doch 3. ſehr dadurch ſich beſchraͤnkte, daß
Franz I. nicht die Staatswirthſchaft ſeines Vorgaͤngers befolgte.
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Heeren, Arnold H. L.: Geschichte des Europäischen Staatensystems und seiner Kolonien. Göttingen, 1809, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heeren_staatensystem_1809/81>, abgerufen am 24.11.2024.
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