Aufopferung in den Cabinetten für Thorheit galten; und was sind gleichwohl Verbindungen ohne diese?
8. Allein nicht blos in der Moral der Cabi- nette waren neue Grundsätze herrschend geworden; auch unter den Nationen selbst hatten sich Ideen verbreitet, die mit der bestehenden Ordnung der Dinge im Widerspruch standen. Und ruhen doch nicht endlich alle menschliche Institute, auch Staa- ten und ihre Verfassungen, auf Ideen? Seitdem die Sophismen von Volkssouverainität als Basis des Staats durch Schriftsteller in Umlauf gesetzt waren, hatten diese durch die Unabhängigkeit Nord- americas eine scheinbare Bestätigung erhalten; und die Vertheidiger von dieser brachten sie nach Euro- pa herüber. So wurden in die Mitte des mon- archischen Staatensystems democratische Ideen ge- worfen und gepflegt; der Zunder zu einem viel furchtbarern Brande, wenn ein zündender Funke fiel, als ihre Urheber es ahnten! Für Profani- rung der Volksreligion hatten lange schon Andere gesorgt; und was bleibt dem Volke noch heilig, wenn Religion und Verfassung profanirt sind?
9. Wie drohend auch diese Umstände waren, so schien aber doch bey dem gewöhnlichen Gange der Dinge Alles fortdauern zu können, wie es be- stand; und deshalb ahnte Niemand die bevorste-
hende
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Vom Tode Fr. d. Gr. bis zur Err. d. Fr. Kayſ.
Aufopferung in den Cabinetten fuͤr Thorheit galten; und was ſind gleichwohl Verbindungen ohne dieſe?
8. Allein nicht blos in der Moral der Cabi- nette waren neue Grundſaͤtze herrſchend geworden; auch unter den Nationen ſelbſt hatten ſich Ideen verbreitet, die mit der beſtehenden Ordnung der Dinge im Widerſpruch ſtanden. Und ruhen doch nicht endlich alle menſchliche Inſtitute, auch Staa- ten und ihre Verfaſſungen, auf Ideen? Seitdem die Sophismen von Volksſouverainitaͤt als Baſis des Staats durch Schriftſteller in Umlauf geſetzt waren, hatten dieſe durch die Unabhaͤngigkeit Nord- americas eine ſcheinbare Beſtaͤtigung erhalten; und die Vertheidiger von dieſer brachten ſie nach Euro- pa heruͤber. So wurden in die Mitte des mon- archiſchen Staatenſyſtems democratiſche Ideen ge- worfen und gepflegt; der Zunder zu einem viel furchtbarern Brande, wenn ein zuͤndender Funke fiel, als ihre Urheber es ahnten! Fuͤr Profani- rung der Volksreligion hatten lange ſchon Andere geſorgt; und was bleibt dem Volke noch heilig, wenn Religion und Verfaſſung profanirt ſind?
9. Wie drohend auch dieſe Umſtaͤnde waren, ſo ſchien aber doch bey dem gewoͤhnlichen Gange der Dinge Alles fortdauern zu koͤnnen, wie es be- ſtand; und deshalb ahnte Niemand die bevorſte-
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Vom Tode Fr. d. Gr. bis zur Err. d. Fr. Kayſ.
Aufopferung in den Cabinetten fuͤr Thorheit galten;
und was ſind gleichwohl Verbindungen ohne dieſe?
8. Allein nicht blos in der Moral der Cabi-
nette waren neue Grundſaͤtze herrſchend geworden;
auch unter den Nationen ſelbſt hatten ſich Ideen
verbreitet, die mit der beſtehenden Ordnung der
Dinge im Widerſpruch ſtanden. Und ruhen doch
nicht endlich alle menſchliche Inſtitute, auch Staa-
ten und ihre Verfaſſungen, auf Ideen? Seitdem
die Sophismen von Volksſouverainitaͤt als Baſis
des Staats durch Schriftſteller in Umlauf geſetzt
waren, hatten dieſe durch die Unabhaͤngigkeit Nord-
americas eine ſcheinbare Beſtaͤtigung erhalten; und
die Vertheidiger von dieſer brachten ſie nach Euro-
pa heruͤber. So wurden in die Mitte des mon-
archiſchen Staatenſyſtems democratiſche Ideen ge-
worfen und gepflegt; der Zunder zu einem viel
furchtbarern Brande, wenn ein zuͤndender Funke
fiel, als ihre Urheber es ahnten! Fuͤr Profani-
rung der Volksreligion hatten lange ſchon Andere
geſorgt; und was bleibt dem Volke noch heilig,
wenn Religion und Verfaſſung profanirt ſind?
9. Wie drohend auch dieſe Umſtaͤnde waren,
ſo ſchien aber doch bey dem gewoͤhnlichen Gange
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Heeren, Arnold H. L.: Geschichte des Europäischen Staatensystems und seiner Kolonien. Göttingen, 1809, S. 533. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heeren_staatensystem_1809/571>, abgerufen am 27.04.2024.
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