3. In Europa selbst blieben zwar meist die alten Staaten; aber es bildeten sich unter ihnen ge- nauere und mannichfaltigere Verhältnisse, als vor- her statt gefunden hatten; und in diesem Sinne kann man Europa als ein Staatensystem be- trachten, dessen Geschichte als ein Ganzes sich fort- führen läßt.
Jene engeren Verhältnisse waren zwar im Ganzen eine Folge der fortschreitenden Cultur, die zwischen benachbar- ten Staaten immer mehrere Berührungspuncte erzeugen wird; jedoch setzten sie gewisse Centralpunkte eines gemein- schaftlichen Interesse voraus. Diese fanden sich: a. In den Religionshändeln seit der Reformation; b. in dem Bedürfniß der Vertheidigung gegen die Türken; c. in dem allmählig immer wichtiger werdenden Handel mit den Colonien und dem daraus hervorgehenden mercantilischen Interesse überhaupt. -- Da auch zu dem Allen d. die so sehr erleichterte Communication durch Buch- druckerey und Posten kam, bildeten sich die Völker des christlichen Europas gleichsam moralisch zu Einer Na- tion, die nur politisch getrennt war.
4. Das Europäische Staatensystem war ungeach- tet seiner innern Verschiedenheit bis auf die letzte Periode herunter doch ein System herrschender Monarchien, worin die Republiken, selbst die der vereinigten Niederlande kaum ausgenommen, die sich allein zu einem beträchtlichen Grade von Macht erhob, gleichsam nur tolerirt wurden. Dieß herr- schende Uebergewicht der Monarchien bestimmte am meisten den Geist der Politik. Es hatte die
Fol-
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Einleitung.
3. In Europa ſelbſt blieben zwar meiſt die alten Staaten; aber es bildeten ſich unter ihnen ge- nauere und mannichfaltigere Verhaͤltniſſe, als vor- her ſtatt gefunden hatten; und in dieſem Sinne kann man Europa als ein Staatenſyſtem be- trachten, deſſen Geſchichte als ein Ganzes ſich fort- fuͤhren laͤßt.
Jene engeren Verhaͤltniſſe waren zwar im Ganzen eine Folge der fortſchreitenden Cultur, die zwiſchen benachbar- ten Staaten immer mehrere Beruͤhrungspuncte erzeugen wird; jedoch ſetzten ſie gewiſſe Centralpunkte eines gemein- ſchaftlichen Intereſſe voraus. Dieſe fanden ſich: a. In den Religionshaͤndeln ſeit der Reformation; b. in dem Beduͤrfniß der Vertheidigung gegen die Tuͤrken; c. in dem allmaͤhlig immer wichtiger werdenden Handel mit den Colonien und dem daraus hervorgehenden mercantiliſchen Intereſſe uͤberhaupt. — Da auch zu dem Allen d. die ſo ſehr erleichterte Communication durch Buch- druckerey und Poſten kam, bildeten ſich die Voͤlker des chriſtlichen Europas gleichſam moraliſch zu Einer Na- tion, die nur politiſch getrennt war.
4. Das Europaͤiſche Staatenſyſtem war ungeach- tet ſeiner innern Verſchiedenheit bis auf die letzte Periode herunter doch ein Syſtem herrſchender Monarchien, worin die Republiken, ſelbſt die der vereinigten Niederlande kaum ausgenommen, die ſich allein zu einem betraͤchtlichen Grade von Macht erhob, gleichſam nur tolerirt wurden. Dieß herr- ſchende Uebergewicht der Monarchien beſtimmte am meiſten den Geiſt der Politik. Es hatte die
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Einleitung.
3. In Europa ſelbſt blieben zwar meiſt die
alten Staaten; aber es bildeten ſich unter ihnen ge-
nauere und mannichfaltigere Verhaͤltniſſe, als vor-
her ſtatt gefunden hatten; und in dieſem Sinne
kann man Europa als ein Staatenſyſtem be-
trachten, deſſen Geſchichte als ein Ganzes ſich fort-
fuͤhren laͤßt.
Jene engeren Verhaͤltniſſe waren zwar im Ganzen eine
Folge der fortſchreitenden Cultur, die zwiſchen benachbar-
ten Staaten immer mehrere Beruͤhrungspuncte erzeugen
wird; jedoch ſetzten ſie gewiſſe Centralpunkte eines gemein-
ſchaftlichen Intereſſe voraus. Dieſe fanden ſich: a. In
den Religionshaͤndeln ſeit der Reformation; b. in dem
Beduͤrfniß der Vertheidigung gegen die Tuͤrken; c. in
dem allmaͤhlig immer wichtiger werdenden Handel mit den
Colonien und dem daraus hervorgehenden mercantiliſchen
Intereſſe uͤberhaupt. — Da auch zu dem Allen d. die ſo
ſehr erleichterte Communication durch Buch-
druckerey und Poſten kam, bildeten ſich die Voͤlker
des chriſtlichen Europas gleichſam moraliſch zu Einer Na-
tion, die nur politiſch getrennt war.
4. Das Europaͤiſche Staatenſyſtem war ungeach-
tet ſeiner innern Verſchiedenheit bis auf die letzte
Periode herunter doch ein Syſtem herrſchender
Monarchien, worin die Republiken, ſelbſt die
der vereinigten Niederlande kaum ausgenommen, die
ſich allein zu einem betraͤchtlichen Grade von Macht
erhob, gleichſam nur tolerirt wurden. Dieß herr-
ſchende Uebergewicht der Monarchien beſtimmte am
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Heeren, Arnold H. L.: Geschichte des Europäischen Staatensystems und seiner Kolonien. Göttingen, 1809, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heeren_staatensystem_1809/45>, abgerufen am 20.04.2024.
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