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Heeren, Arnold H. L.: Geschichte des Europäischen Staatensystems und seiner Kolonien. Göttingen, 1809.

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Einleitung.

2. Europa enthält in diesem Zeitraum eine uni-
versalhistorische Wichtigkeit, wie es dieselbe noch
nie vorher gehabt hatte. Africa und America ent-
hielten (letzteres bis auf die Freywerdung der Co-
lonien), keinen einzigen einheimischen Staat von
allgemeiner Wichtigkeit; und von den drey großen
Reichen Asiens, dem Persischen unter den So-
phis, dem Indischen unter den Moguls, und
dem Chinesischen erhielt sich nur das letztere,
wiewohl auch nur unter einer fremden Dynastie.
Dafür aber gründen die Europäer ihre Herrschaft
in den fremden Welttheilen, und mehr als halb
Asien und America ward dieser unterworfen.

Das Persische Reich der Sofis ward gegründet
durch Ismael Sofi seit 1500. Es ward am mächtig-
sten unter Schach Abbas (1585-1628), ward gestürzt
durch die Afgahnen 1722, und verfiel seit der Ermordung
des darauf folgenden Tyrannen, Kuli Chan oder Na-
dir
Schach, 1747 in Anarchie. -- Das Mogolische
Reich in Indien ward gestiftet durch Sultan Babur, ei-
nen Nachkommen Timur's, seit 1526. Es umfaßte all-
mählig die Länder am Indus und Ganges und die dies-
seitige Halbinsel; war am mächtigsten seit der Regierung
von Acbar dem Großen 1556-1605, bis auf den
Tod von Aureng Zeb + 1707, nach welchem es bald
in sich selbst zerfiel, und durch die Eroberung von Nadir
Schach 1739, und durch die Politik der Europäer, meist
aufgelöst ward. -- Die Revolution in China, durch die
Eroberung der Mantschu Tartaren, deren Herrschaft
noch dauert, geschah 1644.

3.
Einleitung.

2. Europa enthaͤlt in dieſem Zeitraum eine uni-
verſalhiſtoriſche Wichtigkeit, wie es dieſelbe noch
nie vorher gehabt hatte. Africa und America ent-
hielten (letzteres bis auf die Freywerdung der Co-
lonien), keinen einzigen einheimiſchen Staat von
allgemeiner Wichtigkeit; und von den drey großen
Reichen Aſiens, dem Perſiſchen unter den So-
phis, dem Indiſchen unter den Moguls, und
dem Chineſiſchen erhielt ſich nur das letztere,
wiewohl auch nur unter einer fremden Dynaſtie.
Dafuͤr aber gruͤnden die Europaͤer ihre Herrſchaft
in den fremden Welttheilen, und mehr als halb
Aſien und America ward dieſer unterworfen.

Das Perſiſche Reich der Sofis ward gegruͤndet
durch Iſmael Sofi ſeit 1500. Es ward am maͤchtig-
ſten unter Schach Abbas (1585–1628), ward geſtuͤrzt
durch die Afgahnen 1722, und verfiel ſeit der Ermordung
des darauf folgenden Tyrannen, Kuli Chan oder Na-
dir
Schach, 1747 in Anarchie. — Das Mogoliſche
Reich in Indien ward geſtiftet durch Sultan Babur, ei-
nen Nachkommen Timur's, ſeit 1526. Es umfaßte all-
maͤhlig die Laͤnder am Indus und Ganges und die dies-
ſeitige Halbinſel; war am maͤchtigſten ſeit der Regierung
von Acbar dem Großen 1556–1605, bis auf den
Tod von Aureng Zeb † 1707, nach welchem es bald
in ſich ſelbſt zerfiel, und durch die Eroberung von Nadir
Schach 1739, und durch die Politik der Europaͤer, meiſt
aufgeloͤſt ward. — Die Revolution in China, durch die
Eroberung der Mantſchu Tartaren, deren Herrſchaft
noch dauert, geſchah 1644.

3.
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[6/0044] Einleitung. 2. Europa enthaͤlt in dieſem Zeitraum eine uni- verſalhiſtoriſche Wichtigkeit, wie es dieſelbe noch nie vorher gehabt hatte. Africa und America ent- hielten (letzteres bis auf die Freywerdung der Co- lonien), keinen einzigen einheimiſchen Staat von allgemeiner Wichtigkeit; und von den drey großen Reichen Aſiens, dem Perſiſchen unter den So- phis, dem Indiſchen unter den Moguls, und dem Chineſiſchen erhielt ſich nur das letztere, wiewohl auch nur unter einer fremden Dynaſtie. Dafuͤr aber gruͤnden die Europaͤer ihre Herrſchaft in den fremden Welttheilen, und mehr als halb Aſien und America ward dieſer unterworfen. Das Perſiſche Reich der Sofis ward gegruͤndet durch Iſmael Sofi ſeit 1500. Es ward am maͤchtig- ſten unter Schach Abbas (1585–1628), ward geſtuͤrzt durch die Afgahnen 1722, und verfiel ſeit der Ermordung des darauf folgenden Tyrannen, Kuli Chan oder Na- dir Schach, 1747 in Anarchie. — Das Mogoliſche Reich in Indien ward geſtiftet durch Sultan Babur, ei- nen Nachkommen Timur's, ſeit 1526. Es umfaßte all- maͤhlig die Laͤnder am Indus und Ganges und die dies- ſeitige Halbinſel; war am maͤchtigſten ſeit der Regierung von Acbar dem Großen 1556–1605, bis auf den Tod von Aureng Zeb † 1707, nach welchem es bald in ſich ſelbſt zerfiel, und durch die Eroberung von Nadir Schach 1739, und durch die Politik der Europaͤer, meiſt aufgeloͤſt ward. — Die Revolution in China, durch die Eroberung der Mantſchu Tartaren, deren Herrſchaft noch dauert, geſchah 1644. 3.

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Zitationshilfe: Heeren, Arnold H. L.: Geschichte des Europäischen Staatensystems und seiner Kolonien. Göttingen, 1809, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heeren_staatensystem_1809/44>, abgerufen am 24.04.2024.