Oestreich und Preußen als die beyden Hauptmächte des Continents erscheinen. Indem ihre Verhältnisse das übrige Europa in Bewegung setzten, so wurde auch sein Schicksal an das Ihrige geknüpft. Die neue Rivalität hatte in ihnen die meiste Regsamkeit bewirkt, die größte Thätigkeit aufgeregt; und stets werden diejenigen Staaten die vorherrschenden seyn, die dessen sich rühmen können.
36. Gleichwohl empfand man es in Oestreich sehr gut, daß man, um Preußen zu stürzen, Ver- bündete bedürfe. Auch konnte es bey der herrschen- den Stimmung der Höfe um so weniger daran feh- len, da Friedrich II. es so wenig über sich ver- mochte, nicht die kleinlichen Leidenschaften der Herr- scher zu reizen. Die engen Verhältnisse Oestreichs mit Rußland sowohl als mit Sachsen hatten nach dem Aachner Frieden nicht aufgehört; bey dem persönlichen Haß der Kayserin Elisabeth, so wie in Sachsen des dirigirenden Ministers, Grafen Brühl, war es nicht schwer, diesen zu unterhal- ten; und geheime Verabredungen, -- nur nicht so geheim, daß Friedrich II. sie nicht erfahren hätte -- zu einem gemeinschaftlichen Angriffe wurden ge- troffen, sobald man sich vorbereitet haben würde.
37. Wie wichtig jedoch auch diese Verbindun- gen für Oestreich waren, so blieb doch in Frank-
reich
II. Per. C. I. Geſch. d. ſuͤdl. Eur. Staatenſyſt.
Oeſtreich und Preußen als die beyden Hauptmaͤchte des Continents erſcheinen. Indem ihre Verhaͤltniſſe das uͤbrige Europa in Bewegung ſetzten, ſo wurde auch ſein Schickſal an das Ihrige geknuͤpft. Die neue Rivalitaͤt hatte in ihnen die meiſte Regſamkeit bewirkt, die groͤßte Thaͤtigkeit aufgeregt; und ſtets werden diejenigen Staaten die vorherrſchenden ſeyn, die deſſen ſich ruͤhmen koͤnnen.
36. Gleichwohl empfand man es in Oeſtreich ſehr gut, daß man, um Preußen zu ſtuͤrzen, Ver- buͤndete beduͤrfe. Auch konnte es bey der herrſchen- den Stimmung der Hoͤfe um ſo weniger daran feh- len, da Friedrich II. es ſo wenig uͤber ſich ver- mochte, nicht die kleinlichen Leidenſchaften der Herr- ſcher zu reizen. Die engen Verhaͤltniſſe Oeſtreichs mit Rußland ſowohl als mit Sachſen hatten nach dem Aachner Frieden nicht aufgehoͤrt; bey dem perſoͤnlichen Haß der Kayſerin Eliſabeth, ſo wie in Sachſen des dirigirenden Miniſters, Grafen Bruͤhl, war es nicht ſchwer, dieſen zu unterhal- ten; und geheime Verabredungen, — nur nicht ſo geheim, daß Friedrich II. ſie nicht erfahren haͤtte — zu einem gemeinſchaftlichen Angriffe wurden ge- troffen, ſobald man ſich vorbereitet haben wuͤrde.
37. Wie wichtig jedoch auch dieſe Verbindun- gen fuͤr Oeſtreich waren, ſo blieb doch in Frank-
reich
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><divn="6"><p><pbfacs="#f0428"n="390"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#aq">II.</hi> Per. <hirendition="#aq">C. I.</hi> Geſch. d. ſuͤdl. Eur. Staatenſyſt.</hi></fw><lb/>
Oeſtreich und Preußen als die beyden Hauptmaͤchte<lb/>
des Continents erſcheinen. Indem ihre Verhaͤltniſſe<lb/>
das uͤbrige Europa in Bewegung ſetzten, ſo wurde<lb/>
auch ſein Schickſal an das Ihrige geknuͤpft. Die<lb/>
neue Rivalitaͤt hatte in ihnen die meiſte Regſamkeit<lb/>
bewirkt, die groͤßte Thaͤtigkeit aufgeregt; und ſtets<lb/>
werden diejenigen Staaten die vorherrſchenden ſeyn,<lb/>
die deſſen ſich ruͤhmen koͤnnen.</p><lb/><p>36. Gleichwohl empfand man es in Oeſtreich<lb/>ſehr gut, daß man, um Preußen zu ſtuͤrzen, Ver-<lb/>
buͤndete beduͤrfe. Auch konnte es bey der herrſchen-<lb/>
den Stimmung der Hoͤfe um ſo weniger daran feh-<lb/>
len, da Friedrich <hirendition="#aq">II.</hi> es ſo wenig uͤber ſich ver-<lb/>
mochte, nicht die kleinlichen Leidenſchaften der Herr-<lb/>ſcher zu reizen. Die engen Verhaͤltniſſe Oeſtreichs<lb/>
mit <hirendition="#g">Rußland</hi>ſowohl als mit <hirendition="#g">Sachſen</hi> hatten<lb/>
nach dem Aachner Frieden nicht aufgehoͤrt; bey dem<lb/>
perſoͤnlichen Haß der Kayſerin <hirendition="#g">Eliſabeth</hi>, ſo wie<lb/>
in Sachſen des dirigirenden Miniſters, Grafen<lb/><hirendition="#g">Bruͤhl</hi>, war es nicht ſchwer, dieſen zu unterhal-<lb/>
ten; und geheime Verabredungen, — nur nicht ſo<lb/>
geheim, daß Friedrich <hirendition="#aq">II.</hi>ſie nicht erfahren haͤtte<lb/>— zu einem gemeinſchaftlichen Angriffe wurden ge-<lb/>
troffen, ſobald man ſich vorbereitet haben wuͤrde.</p><lb/><p>37. Wie wichtig jedoch auch dieſe Verbindun-<lb/>
gen fuͤr Oeſtreich waren, ſo blieb doch in <hirendition="#g">Frank-</hi><lb/><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#g">reich</hi></fw><lb/></p></div></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[390/0428]
II. Per. C. I. Geſch. d. ſuͤdl. Eur. Staatenſyſt.
Oeſtreich und Preußen als die beyden Hauptmaͤchte
des Continents erſcheinen. Indem ihre Verhaͤltniſſe
das uͤbrige Europa in Bewegung ſetzten, ſo wurde
auch ſein Schickſal an das Ihrige geknuͤpft. Die
neue Rivalitaͤt hatte in ihnen die meiſte Regſamkeit
bewirkt, die groͤßte Thaͤtigkeit aufgeregt; und ſtets
werden diejenigen Staaten die vorherrſchenden ſeyn,
die deſſen ſich ruͤhmen koͤnnen.
36. Gleichwohl empfand man es in Oeſtreich
ſehr gut, daß man, um Preußen zu ſtuͤrzen, Ver-
buͤndete beduͤrfe. Auch konnte es bey der herrſchen-
den Stimmung der Hoͤfe um ſo weniger daran feh-
len, da Friedrich II. es ſo wenig uͤber ſich ver-
mochte, nicht die kleinlichen Leidenſchaften der Herr-
ſcher zu reizen. Die engen Verhaͤltniſſe Oeſtreichs
mit Rußland ſowohl als mit Sachſen hatten
nach dem Aachner Frieden nicht aufgehoͤrt; bey dem
perſoͤnlichen Haß der Kayſerin Eliſabeth, ſo wie
in Sachſen des dirigirenden Miniſters, Grafen
Bruͤhl, war es nicht ſchwer, dieſen zu unterhal-
ten; und geheime Verabredungen, — nur nicht ſo
geheim, daß Friedrich II. ſie nicht erfahren haͤtte
— zu einem gemeinſchaftlichen Angriffe wurden ge-
troffen, ſobald man ſich vorbereitet haben wuͤrde.
37. Wie wichtig jedoch auch dieſe Verbindun-
gen fuͤr Oeſtreich waren, ſo blieb doch in Frank-
reich
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Heeren, Arnold H. L.: Geschichte des Europäischen Staatensystems und seiner Kolonien. Göttingen, 1809, S. 390. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heeren_staatensystem_1809/428>, abgerufen am 09.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.