Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heeren, Arnold H. L.: Geschichte des Europäischen Staatensystems und seiner Kolonien. Göttingen, 1809.

Bild:
<< vorherige Seite
Von 1700 bis 1740.

5. Wie Manches, seiner Natur nach nicht
unmittelbar Politische, darf hier also nicht unbe-
merkt bleiben, wenn die große Frage beantwortet
werden soll, wie in eben der Zeit, wo das stolze
Gebäude des Europäischen Staatensystems in sei-
ner ganzen Kraft und Festigkeit da zu stehen schien,
es doch auf so vielen Seiten untergraben, und sei-
ne Hauptstützen wankend gemacht werden konnten.
Mochte auch schon in frühern Zeiträumen dazu der
Anfang gemacht seyn, so ist es doch unleugbar,
daß es vorzugsweise in diesem Zeitraum, -- wenn
gleich dem Zeitalter selbst unbemerkt -- geschah.
Nur ein allenthalben untergrabenes Gebäude konnte
einen so schrecklichen Umsturz erfahren, als das
Europäische Staatensystem ihn erfahren hat!

6. Sollte dieser Zeitraum mit einem allgemei-
nen Namen bezeichnet werden, so würde er den
Namen des Deutschen Zeitraums tragen. Auf
allen Hauptthronen Europas (die Bourbonischen
ausgenommen) saßen Deutsche; Friedrich, Maria
Theresia, Catharina. Deutsche Heere wurden die
Muster der Kriegskunst; Deutsche Länder der
Staatsverwaltung. Niemand machte dieser Nation
den Ruhm der Wissenschaft streitig; und wenn bey
dem hohen Aufschwunge ihrer Litteratur ihre Schrift-
steller doch mehr ihr als Europa angehörten, so

hat
A a
Von 1700 bis 1740.

5. Wie Manches, ſeiner Natur nach nicht
unmittelbar Politiſche, darf hier alſo nicht unbe-
merkt bleiben, wenn die große Frage beantwortet
werden ſoll, wie in eben der Zeit, wo das ſtolze
Gebaͤude des Europaͤiſchen Staatenſyſtems in ſei-
ner ganzen Kraft und Feſtigkeit da zu ſtehen ſchien,
es doch auf ſo vielen Seiten untergraben, und ſei-
ne Hauptſtuͤtzen wankend gemacht werden konnten.
Mochte auch ſchon in fruͤhern Zeitraͤumen dazu der
Anfang gemacht ſeyn, ſo iſt es doch unleugbar,
daß es vorzugsweiſe in dieſem Zeitraum, — wenn
gleich dem Zeitalter ſelbſt unbemerkt — geſchah.
Nur ein allenthalben untergrabenes Gebaͤude konnte
einen ſo ſchrecklichen Umſturz erfahren, als das
Europaͤiſche Staatenſyſtem ihn erfahren hat!

6. Sollte dieſer Zeitraum mit einem allgemei-
nen Namen bezeichnet werden, ſo wuͤrde er den
Namen des Deutſchen Zeitraums tragen. Auf
allen Hauptthronen Europas (die Bourboniſchen
ausgenommen) ſaßen Deutſche; Friedrich, Maria
Thereſia, Catharina. Deutſche Heere wurden die
Muſter der Kriegskunſt; Deutſche Laͤnder der
Staatsverwaltung. Niemand machte dieſer Nation
den Ruhm der Wiſſenſchaft ſtreitig; und wenn bey
dem hohen Aufſchwunge ihrer Litteratur ihre Schrift-
ſteller doch mehr ihr als Europa angehoͤrten, ſo

hat
A a
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <pb facs="#f0407" n="369"/>
              <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Von 1700 bis 1740.</hi> </fw><lb/>
              <p>5. Wie Manches, &#x017F;einer Natur nach nicht<lb/>
unmittelbar Politi&#x017F;che, darf hier al&#x017F;o nicht unbe-<lb/>
merkt bleiben, wenn die große Frage beantwortet<lb/>
werden &#x017F;oll, wie in eben der Zeit, wo das &#x017F;tolze<lb/>
Geba&#x0364;ude des Europa&#x0364;i&#x017F;chen Staaten&#x017F;y&#x017F;tems in &#x017F;ei-<lb/>
ner ganzen Kraft und Fe&#x017F;tigkeit da zu &#x017F;tehen &#x017F;chien,<lb/>
es doch auf &#x017F;o vielen Seiten untergraben, und &#x017F;ei-<lb/>
ne Haupt&#x017F;tu&#x0364;tzen wankend gemacht werden konnten.<lb/>
Mochte auch &#x017F;chon in fru&#x0364;hern Zeitra&#x0364;umen dazu der<lb/>
Anfang gemacht &#x017F;eyn, &#x017F;o i&#x017F;t es doch unleugbar,<lb/>
daß es vorzugswei&#x017F;e in die&#x017F;em Zeitraum, &#x2014; wenn<lb/>
gleich dem Zeitalter &#x017F;elb&#x017F;t unbemerkt &#x2014; ge&#x017F;chah.<lb/>
Nur ein allenthalben untergrabenes Geba&#x0364;ude konnte<lb/>
einen &#x017F;o &#x017F;chrecklichen Um&#x017F;turz erfahren, als das<lb/>
Europa&#x0364;i&#x017F;che Staaten&#x017F;y&#x017F;tem ihn erfahren hat!</p><lb/>
              <p>6. Sollte die&#x017F;er Zeitraum mit einem allgemei-<lb/>
nen Namen bezeichnet werden, &#x017F;o wu&#x0364;rde er den<lb/>
Namen des <hi rendition="#g">Deut&#x017F;chen</hi> Zeitraums tragen. Auf<lb/>
allen Hauptthronen Europas (die Bourboni&#x017F;chen<lb/>
ausgenommen) &#x017F;aßen Deut&#x017F;che; Friedrich, Maria<lb/>
There&#x017F;ia, Catharina. Deut&#x017F;che Heere wurden die<lb/>
Mu&#x017F;ter der Kriegskun&#x017F;t; Deut&#x017F;che La&#x0364;nder der<lb/>
Staatsverwaltung. Niemand machte die&#x017F;er Nation<lb/>
den Ruhm der Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft &#x017F;treitig; und wenn bey<lb/>
dem hohen Auf&#x017F;chwunge ihrer Litteratur ihre Schrift-<lb/>
&#x017F;teller doch mehr ihr als Europa angeho&#x0364;rten, &#x017F;o<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">A a</fw><fw place="bottom" type="catch">hat</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[369/0407] Von 1700 bis 1740. 5. Wie Manches, ſeiner Natur nach nicht unmittelbar Politiſche, darf hier alſo nicht unbe- merkt bleiben, wenn die große Frage beantwortet werden ſoll, wie in eben der Zeit, wo das ſtolze Gebaͤude des Europaͤiſchen Staatenſyſtems in ſei- ner ganzen Kraft und Feſtigkeit da zu ſtehen ſchien, es doch auf ſo vielen Seiten untergraben, und ſei- ne Hauptſtuͤtzen wankend gemacht werden konnten. Mochte auch ſchon in fruͤhern Zeitraͤumen dazu der Anfang gemacht ſeyn, ſo iſt es doch unleugbar, daß es vorzugsweiſe in dieſem Zeitraum, — wenn gleich dem Zeitalter ſelbſt unbemerkt — geſchah. Nur ein allenthalben untergrabenes Gebaͤude konnte einen ſo ſchrecklichen Umſturz erfahren, als das Europaͤiſche Staatenſyſtem ihn erfahren hat! 6. Sollte dieſer Zeitraum mit einem allgemei- nen Namen bezeichnet werden, ſo wuͤrde er den Namen des Deutſchen Zeitraums tragen. Auf allen Hauptthronen Europas (die Bourboniſchen ausgenommen) ſaßen Deutſche; Friedrich, Maria Thereſia, Catharina. Deutſche Heere wurden die Muſter der Kriegskunſt; Deutſche Laͤnder der Staatsverwaltung. Niemand machte dieſer Nation den Ruhm der Wiſſenſchaft ſtreitig; und wenn bey dem hohen Aufſchwunge ihrer Litteratur ihre Schrift- ſteller doch mehr ihr als Europa angehoͤrten, ſo hat A a

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heeren_staatensystem_1809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heeren_staatensystem_1809/407
Zitationshilfe: Heeren, Arnold H. L.: Geschichte des Europäischen Staatensystems und seiner Kolonien. Göttingen, 1809, S. 369. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heeren_staatensystem_1809/407>, abgerufen am 23.11.2024.