Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heckert, Adolph (Hrsg.): Handbuch der Schulgesetzgebung Preußens. Berlin, 1847.

Bild:
<< vorherige Seite

von Rettungs-Anstalten Zeugniß giebt; auch bei den öffentlichen Straf-
und Besserungshäusern sind Schulen und Erziehungs-Anstalten neu
gegründet, oder erweitert, oder zweckmäßiger eingerichtet worden, und
endlich sind hier und da schon bestehende Waisenhäuser vorzugsweise
der verwahrloseten und verwildernden Jugend geöffnet worden. Bei
solcher Vermehrung der Besserungs-Anstalten wird auch doppelte Auf-
merksamkeit nöthig, daß ihr Zweck wirklich erreicht und daß dazu die
dienlichsten und wirksamsten Mittel angewendet werden, damit nicht
Ungeschick oder unverständiger Eifer oder wirkliche Verkehrtheit sich
der Ausführung bemächtigen und die gehofften wohlthätigen Wirkungen
vereitelt oder gar statt der Besserungshäuser Wohnstätten und Fort-
pflanzungsörter der Untugend und des Lasters gestiftet werden. Die
betrübenden Erfahrungen, welche darüber gemacht sind, legen die Pflicht
der sorgfältigsten Wachsamkeit auf und erheischen vor allen Dingen
eine klare und bestimmte Verständigung über die Mittel und Einrich-
tungen, durch welche der wohlthätige Zweck jener Anstalten am sichersten
erreicht werden muß. Es kann dabei jetzt auf sich beruhen, ob es
nicht überall rathsam sei, diejenigen Anstalten, worin wirkliche junge
Verbrecher, welche Strafe verwirkt haben, aufbewahrt werden, von
denjenigen, worin blos Verwahrlosete oder solche, die ihre Strafe be-
reits abgebüßt haben, der Besserung und Erziehung wegen aufgenommen
sind, äußerlich zu trennen, da, bis auf das Maaß der Freiheit, welches
in beiderlei Häusern verstattet wird, die innere Einrichtung und Be-
handlungsart nicht wesentlich verschieden sein kann. Die Erziehung
der Jugend beruht auf festen Grundregeln, und die Beschränkung der
Freiheit, so wie die Disciplin und die Strafen müssen sich auch bei
den verdorbensten Individuen immer nach dem richten, was richtige
Grundsätze der Erziehung hierüber an die Hand geben, und sich in den
hiernach nothwendigen Schranken halten. Wäre der Grad der Ver-
dorbenheit und der Bösartigkeit der Individuen so groß, daß mit diesem
Maaß nicht auszukommen wäre, so würde allerdings keine Erziehung
Statt finden können. Dieser Fall wird nicht leicht vorkommen. In
einem solchen aber würde es darauf ankommen, durch eigentliche Zwangs-
und Straf-Anstalten einen Zustand herbeizuführen, wo die Erziehung
eingreifen kann. Es ist wichtig, daß die Erziehungs-Anstalt nicht in
eine Zwangs- und Strafanstalt ausarte, und daß man von den
Zwangs- und Strafanstalten nicht Erziehung erwarte. Es kommt

von Rettungs-Anſtalten Zeugniß giebt; auch bei den öffentlichen Straf-
und Beſſerungshäuſern ſind Schulen und Erziehungs-Anſtalten neu
gegründet, oder erweitert, oder zweckmäßiger eingerichtet worden, und
endlich ſind hier und da ſchon beſtehende Waiſenhäuſer vorzugsweiſe
der verwahrloſeten und verwildernden Jugend geöffnet worden. Bei
ſolcher Vermehrung der Beſſerungs-Anſtalten wird auch doppelte Auf-
merkſamkeit nöthig, daß ihr Zweck wirklich erreicht und daß dazu die
dienlichſten und wirkſamſten Mittel angewendet werden, damit nicht
Ungeſchick oder unverſtändiger Eifer oder wirkliche Verkehrtheit ſich
der Ausführung bemächtigen und die gehofften wohlthätigen Wirkungen
vereitelt oder gar ſtatt der Beſſerungshäuſer Wohnſtätten und Fort-
pflanzungsörter der Untugend und des Laſters geſtiftet werden. Die
betrübenden Erfahrungen, welche darüber gemacht ſind, legen die Pflicht
der ſorgfältigſten Wachſamkeit auf und erheiſchen vor allen Dingen
eine klare und beſtimmte Verſtändigung über die Mittel und Einrich-
tungen, durch welche der wohlthätige Zweck jener Anſtalten am ſicherſten
erreicht werden muß. Es kann dabei jetzt auf ſich beruhen, ob es
nicht überall rathſam ſei, diejenigen Anſtalten, worin wirkliche junge
Verbrecher, welche Strafe verwirkt haben, aufbewahrt werden, von
denjenigen, worin blos Verwahrloſete oder ſolche, die ihre Strafe be-
reits abgebüßt haben, der Beſſerung und Erziehung wegen aufgenommen
ſind, äußerlich zu trennen, da, bis auf das Maaß der Freiheit, welches
in beiderlei Häuſern verſtattet wird, die innere Einrichtung und Be-
handlungsart nicht weſentlich verſchieden ſein kann. Die Erziehung
der Jugend beruht auf feſten Grundregeln, und die Beſchränkung der
Freiheit, ſo wie die Disciplin und die Strafen müſſen ſich auch bei
den verdorbenſten Individuen immer nach dem richten, was richtige
Grundſätze der Erziehung hierüber an die Hand geben, und ſich in den
hiernach nothwendigen Schranken halten. Wäre der Grad der Ver-
dorbenheit und der Bösartigkeit der Individuen ſo groß, daß mit dieſem
Maaß nicht auszukommen wäre, ſo würde allerdings keine Erziehung
Statt finden können. Dieſer Fall wird nicht leicht vorkommen. In
einem ſolchen aber würde es darauf ankommen, durch eigentliche Zwangs-
und Straf-Anſtalten einen Zuſtand herbeizuführen, wo die Erziehung
eingreifen kann. Es iſt wichtig, daß die Erziehungs-Anſtalt nicht in
eine Zwangs- und Strafanſtalt ausarte, und daß man von den
Zwangs- und Strafanſtalten nicht Erziehung erwarte. Es kommt

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0279" n="265"/>
von Rettungs-An&#x017F;talten Zeugniß giebt; auch bei den öffentlichen Straf-<lb/>
und Be&#x017F;&#x017F;erungshäu&#x017F;ern &#x017F;ind Schulen und Erziehungs-An&#x017F;talten neu<lb/>
gegründet, oder erweitert, oder zweckmäßiger eingerichtet worden, und<lb/>
endlich &#x017F;ind hier und da &#x017F;chon be&#x017F;tehende Wai&#x017F;enhäu&#x017F;er vorzugswei&#x017F;e<lb/>
der verwahrlo&#x017F;eten und verwildernden Jugend geöffnet worden. Bei<lb/>
&#x017F;olcher Vermehrung der Be&#x017F;&#x017F;erungs-An&#x017F;talten wird auch doppelte Auf-<lb/>
merk&#x017F;amkeit nöthig, daß ihr Zweck wirklich erreicht und daß dazu die<lb/>
dienlich&#x017F;ten und wirk&#x017F;am&#x017F;ten Mittel angewendet werden, damit nicht<lb/>
Unge&#x017F;chick oder unver&#x017F;tändiger Eifer oder wirkliche Verkehrtheit &#x017F;ich<lb/>
der Ausführung bemächtigen und die gehofften wohlthätigen Wirkungen<lb/>
vereitelt oder gar &#x017F;tatt der Be&#x017F;&#x017F;erungshäu&#x017F;er Wohn&#x017F;tätten und Fort-<lb/>
pflanzungsörter der Untugend und des La&#x017F;ters ge&#x017F;tiftet werden. Die<lb/>
betrübenden Erfahrungen, welche darüber gemacht &#x017F;ind, legen die Pflicht<lb/>
der &#x017F;orgfältig&#x017F;ten Wach&#x017F;amkeit auf und erhei&#x017F;chen vor allen Dingen<lb/>
eine klare und be&#x017F;timmte Ver&#x017F;tändigung über die Mittel und Einrich-<lb/>
tungen, durch welche der wohlthätige Zweck jener An&#x017F;talten am &#x017F;icher&#x017F;ten<lb/>
erreicht werden muß. Es kann dabei jetzt auf &#x017F;ich beruhen, ob es<lb/>
nicht überall rath&#x017F;am &#x017F;ei, diejenigen An&#x017F;talten, worin wirkliche junge<lb/>
Verbrecher, welche Strafe verwirkt haben, aufbewahrt werden, von<lb/>
denjenigen, worin blos Verwahrlo&#x017F;ete oder &#x017F;olche, die ihre Strafe be-<lb/>
reits abgebüßt haben, der Be&#x017F;&#x017F;erung und Erziehung wegen aufgenommen<lb/>
&#x017F;ind, äußerlich zu trennen, da, bis auf das Maaß der Freiheit, welches<lb/>
in beiderlei Häu&#x017F;ern ver&#x017F;tattet wird, die innere Einrichtung und Be-<lb/>
handlungsart nicht we&#x017F;entlich ver&#x017F;chieden &#x017F;ein kann. Die Erziehung<lb/>
der Jugend beruht auf fe&#x017F;ten Grundregeln, und die Be&#x017F;chränkung der<lb/>
Freiheit, &#x017F;o wie die Disciplin und die Strafen mü&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich auch bei<lb/>
den verdorben&#x017F;ten Individuen immer nach dem richten, was richtige<lb/>
Grund&#x017F;ätze der Erziehung hierüber an die Hand geben, und &#x017F;ich in den<lb/>
hiernach nothwendigen Schranken halten. Wäre der Grad der Ver-<lb/>
dorbenheit und der Bösartigkeit der Individuen &#x017F;o groß, daß mit die&#x017F;em<lb/>
Maaß nicht auszukommen wäre, &#x017F;o würde allerdings keine Erziehung<lb/>
Statt finden können. Die&#x017F;er Fall wird nicht leicht vorkommen. In<lb/>
einem &#x017F;olchen aber würde es darauf ankommen, durch eigentliche Zwangs-<lb/>
und Straf-An&#x017F;talten einen Zu&#x017F;tand herbeizuführen, wo die Erziehung<lb/>
eingreifen kann. Es i&#x017F;t wichtig, daß die Erziehungs-An&#x017F;talt nicht in<lb/>
eine Zwangs- und Strafan&#x017F;talt ausarte, und daß man von den<lb/>
Zwangs- und Strafan&#x017F;talten nicht Erziehung erwarte. Es kommt<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[265/0279] von Rettungs-Anſtalten Zeugniß giebt; auch bei den öffentlichen Straf- und Beſſerungshäuſern ſind Schulen und Erziehungs-Anſtalten neu gegründet, oder erweitert, oder zweckmäßiger eingerichtet worden, und endlich ſind hier und da ſchon beſtehende Waiſenhäuſer vorzugsweiſe der verwahrloſeten und verwildernden Jugend geöffnet worden. Bei ſolcher Vermehrung der Beſſerungs-Anſtalten wird auch doppelte Auf- merkſamkeit nöthig, daß ihr Zweck wirklich erreicht und daß dazu die dienlichſten und wirkſamſten Mittel angewendet werden, damit nicht Ungeſchick oder unverſtändiger Eifer oder wirkliche Verkehrtheit ſich der Ausführung bemächtigen und die gehofften wohlthätigen Wirkungen vereitelt oder gar ſtatt der Beſſerungshäuſer Wohnſtätten und Fort- pflanzungsörter der Untugend und des Laſters geſtiftet werden. Die betrübenden Erfahrungen, welche darüber gemacht ſind, legen die Pflicht der ſorgfältigſten Wachſamkeit auf und erheiſchen vor allen Dingen eine klare und beſtimmte Verſtändigung über die Mittel und Einrich- tungen, durch welche der wohlthätige Zweck jener Anſtalten am ſicherſten erreicht werden muß. Es kann dabei jetzt auf ſich beruhen, ob es nicht überall rathſam ſei, diejenigen Anſtalten, worin wirkliche junge Verbrecher, welche Strafe verwirkt haben, aufbewahrt werden, von denjenigen, worin blos Verwahrloſete oder ſolche, die ihre Strafe be- reits abgebüßt haben, der Beſſerung und Erziehung wegen aufgenommen ſind, äußerlich zu trennen, da, bis auf das Maaß der Freiheit, welches in beiderlei Häuſern verſtattet wird, die innere Einrichtung und Be- handlungsart nicht weſentlich verſchieden ſein kann. Die Erziehung der Jugend beruht auf feſten Grundregeln, und die Beſchränkung der Freiheit, ſo wie die Disciplin und die Strafen müſſen ſich auch bei den verdorbenſten Individuen immer nach dem richten, was richtige Grundſätze der Erziehung hierüber an die Hand geben, und ſich in den hiernach nothwendigen Schranken halten. Wäre der Grad der Ver- dorbenheit und der Bösartigkeit der Individuen ſo groß, daß mit dieſem Maaß nicht auszukommen wäre, ſo würde allerdings keine Erziehung Statt finden können. Dieſer Fall wird nicht leicht vorkommen. In einem ſolchen aber würde es darauf ankommen, durch eigentliche Zwangs- und Straf-Anſtalten einen Zuſtand herbeizuführen, wo die Erziehung eingreifen kann. Es iſt wichtig, daß die Erziehungs-Anſtalt nicht in eine Zwangs- und Strafanſtalt ausarte, und daß man von den Zwangs- und Strafanſtalten nicht Erziehung erwarte. Es kommt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heckert_schulgesetzgebung_1847
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heckert_schulgesetzgebung_1847/279
Zitationshilfe: Heckert, Adolph (Hrsg.): Handbuch der Schulgesetzgebung Preußens. Berlin, 1847, S. 265. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heckert_schulgesetzgebung_1847/279>, abgerufen am 23.05.2024.