von Rettungs-Anstalten Zeugniß giebt; auch bei den öffentlichen Straf- und Besserungshäusern sind Schulen und Erziehungs-Anstalten neu gegründet, oder erweitert, oder zweckmäßiger eingerichtet worden, und endlich sind hier und da schon bestehende Waisenhäuser vorzugsweise der verwahrloseten und verwildernden Jugend geöffnet worden. Bei solcher Vermehrung der Besserungs-Anstalten wird auch doppelte Auf- merksamkeit nöthig, daß ihr Zweck wirklich erreicht und daß dazu die dienlichsten und wirksamsten Mittel angewendet werden, damit nicht Ungeschick oder unverständiger Eifer oder wirkliche Verkehrtheit sich der Ausführung bemächtigen und die gehofften wohlthätigen Wirkungen vereitelt oder gar statt der Besserungshäuser Wohnstätten und Fort- pflanzungsörter der Untugend und des Lasters gestiftet werden. Die betrübenden Erfahrungen, welche darüber gemacht sind, legen die Pflicht der sorgfältigsten Wachsamkeit auf und erheischen vor allen Dingen eine klare und bestimmte Verständigung über die Mittel und Einrich- tungen, durch welche der wohlthätige Zweck jener Anstalten am sichersten erreicht werden muß. Es kann dabei jetzt auf sich beruhen, ob es nicht überall rathsam sei, diejenigen Anstalten, worin wirkliche junge Verbrecher, welche Strafe verwirkt haben, aufbewahrt werden, von denjenigen, worin blos Verwahrlosete oder solche, die ihre Strafe be- reits abgebüßt haben, der Besserung und Erziehung wegen aufgenommen sind, äußerlich zu trennen, da, bis auf das Maaß der Freiheit, welches in beiderlei Häusern verstattet wird, die innere Einrichtung und Be- handlungsart nicht wesentlich verschieden sein kann. Die Erziehung der Jugend beruht auf festen Grundregeln, und die Beschränkung der Freiheit, so wie die Disciplin und die Strafen müssen sich auch bei den verdorbensten Individuen immer nach dem richten, was richtige Grundsätze der Erziehung hierüber an die Hand geben, und sich in den hiernach nothwendigen Schranken halten. Wäre der Grad der Ver- dorbenheit und der Bösartigkeit der Individuen so groß, daß mit diesem Maaß nicht auszukommen wäre, so würde allerdings keine Erziehung Statt finden können. Dieser Fall wird nicht leicht vorkommen. In einem solchen aber würde es darauf ankommen, durch eigentliche Zwangs- und Straf-Anstalten einen Zustand herbeizuführen, wo die Erziehung eingreifen kann. Es ist wichtig, daß die Erziehungs-Anstalt nicht in eine Zwangs- und Strafanstalt ausarte, und daß man von den Zwangs- und Strafanstalten nicht Erziehung erwarte. Es kommt
von Rettungs-Anſtalten Zeugniß giebt; auch bei den öffentlichen Straf- und Beſſerungshäuſern ſind Schulen und Erziehungs-Anſtalten neu gegründet, oder erweitert, oder zweckmäßiger eingerichtet worden, und endlich ſind hier und da ſchon beſtehende Waiſenhäuſer vorzugsweiſe der verwahrloſeten und verwildernden Jugend geöffnet worden. Bei ſolcher Vermehrung der Beſſerungs-Anſtalten wird auch doppelte Auf- merkſamkeit nöthig, daß ihr Zweck wirklich erreicht und daß dazu die dienlichſten und wirkſamſten Mittel angewendet werden, damit nicht Ungeſchick oder unverſtändiger Eifer oder wirkliche Verkehrtheit ſich der Ausführung bemächtigen und die gehofften wohlthätigen Wirkungen vereitelt oder gar ſtatt der Beſſerungshäuſer Wohnſtätten und Fort- pflanzungsörter der Untugend und des Laſters geſtiftet werden. Die betrübenden Erfahrungen, welche darüber gemacht ſind, legen die Pflicht der ſorgfältigſten Wachſamkeit auf und erheiſchen vor allen Dingen eine klare und beſtimmte Verſtändigung über die Mittel und Einrich- tungen, durch welche der wohlthätige Zweck jener Anſtalten am ſicherſten erreicht werden muß. Es kann dabei jetzt auf ſich beruhen, ob es nicht überall rathſam ſei, diejenigen Anſtalten, worin wirkliche junge Verbrecher, welche Strafe verwirkt haben, aufbewahrt werden, von denjenigen, worin blos Verwahrloſete oder ſolche, die ihre Strafe be- reits abgebüßt haben, der Beſſerung und Erziehung wegen aufgenommen ſind, äußerlich zu trennen, da, bis auf das Maaß der Freiheit, welches in beiderlei Häuſern verſtattet wird, die innere Einrichtung und Be- handlungsart nicht weſentlich verſchieden ſein kann. Die Erziehung der Jugend beruht auf feſten Grundregeln, und die Beſchränkung der Freiheit, ſo wie die Disciplin und die Strafen müſſen ſich auch bei den verdorbenſten Individuen immer nach dem richten, was richtige Grundſätze der Erziehung hierüber an die Hand geben, und ſich in den hiernach nothwendigen Schranken halten. Wäre der Grad der Ver- dorbenheit und der Bösartigkeit der Individuen ſo groß, daß mit dieſem Maaß nicht auszukommen wäre, ſo würde allerdings keine Erziehung Statt finden können. Dieſer Fall wird nicht leicht vorkommen. In einem ſolchen aber würde es darauf ankommen, durch eigentliche Zwangs- und Straf-Anſtalten einen Zuſtand herbeizuführen, wo die Erziehung eingreifen kann. Es iſt wichtig, daß die Erziehungs-Anſtalt nicht in eine Zwangs- und Strafanſtalt ausarte, und daß man von den Zwangs- und Strafanſtalten nicht Erziehung erwarte. Es kommt
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von Rettungs-Anſtalten Zeugniß giebt; auch bei den öffentlichen Straf-
und Beſſerungshäuſern ſind Schulen und Erziehungs-Anſtalten neu
gegründet, oder erweitert, oder zweckmäßiger eingerichtet worden, und
endlich ſind hier und da ſchon beſtehende Waiſenhäuſer vorzugsweiſe
der verwahrloſeten und verwildernden Jugend geöffnet worden. Bei
ſolcher Vermehrung der Beſſerungs-Anſtalten wird auch doppelte Auf-
merkſamkeit nöthig, daß ihr Zweck wirklich erreicht und daß dazu die
dienlichſten und wirkſamſten Mittel angewendet werden, damit nicht
Ungeſchick oder unverſtändiger Eifer oder wirkliche Verkehrtheit ſich
der Ausführung bemächtigen und die gehofften wohlthätigen Wirkungen
vereitelt oder gar ſtatt der Beſſerungshäuſer Wohnſtätten und Fort-
pflanzungsörter der Untugend und des Laſters geſtiftet werden. Die
betrübenden Erfahrungen, welche darüber gemacht ſind, legen die Pflicht
der ſorgfältigſten Wachſamkeit auf und erheiſchen vor allen Dingen
eine klare und beſtimmte Verſtändigung über die Mittel und Einrich-
tungen, durch welche der wohlthätige Zweck jener Anſtalten am ſicherſten
erreicht werden muß. Es kann dabei jetzt auf ſich beruhen, ob es
nicht überall rathſam ſei, diejenigen Anſtalten, worin wirkliche junge
Verbrecher, welche Strafe verwirkt haben, aufbewahrt werden, von
denjenigen, worin blos Verwahrloſete oder ſolche, die ihre Strafe be-
reits abgebüßt haben, der Beſſerung und Erziehung wegen aufgenommen
ſind, äußerlich zu trennen, da, bis auf das Maaß der Freiheit, welches
in beiderlei Häuſern verſtattet wird, die innere Einrichtung und Be-
handlungsart nicht weſentlich verſchieden ſein kann. Die Erziehung
der Jugend beruht auf feſten Grundregeln, und die Beſchränkung der
Freiheit, ſo wie die Disciplin und die Strafen müſſen ſich auch bei
den verdorbenſten Individuen immer nach dem richten, was richtige
Grundſätze der Erziehung hierüber an die Hand geben, und ſich in den
hiernach nothwendigen Schranken halten. Wäre der Grad der Ver-
dorbenheit und der Bösartigkeit der Individuen ſo groß, daß mit dieſem
Maaß nicht auszukommen wäre, ſo würde allerdings keine Erziehung
Statt finden können. Dieſer Fall wird nicht leicht vorkommen. In
einem ſolchen aber würde es darauf ankommen, durch eigentliche Zwangs-
und Straf-Anſtalten einen Zuſtand herbeizuführen, wo die Erziehung
eingreifen kann. Es iſt wichtig, daß die Erziehungs-Anſtalt nicht in
eine Zwangs- und Strafanſtalt ausarte, und daß man von den
Zwangs- und Strafanſtalten nicht Erziehung erwarte. Es kommt
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Heckert, Adolph (Hrsg.): Handbuch der Schulgesetzgebung Preußens. Berlin, 1847, S. 265. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heckert_schulgesetzgebung_1847/279>, abgerufen am 23.11.2024.
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