[Hebel, Johann Peter]: Allemannische Gedichte. Karlsruhe, 1803.ke Gufe drinn! Vom zarte Bese-Ris e goldig Rüethli, schlank und nagelneu! Lueg, so ne Muetter het ihr Chindli lieb! Lueg, so ne Muetter ziehts verständig uf, und wird mi Bürstli meisterlos, und meint es seig der Her im Hus, se hebt si b'herzt der Finger uf, und förcht ihr Büebli nit, und seit: "Weisch nit, was hinterm Spie- gel steckt?" Und 's Büebli folgt, und wird e brave Chnab; Jez göhn mer wieder witers um e Hus. Zwor Chinder gnug, doch wo me luegt und luegt schwankt wit und breit ke Wienechtchindli- Baum. Chumm, weidle chumm, do blibe mer nit lang! O Frau, wer het di Muetterherz so gchüelt? Verbarmt's di nit, und gohts der nit dur d' Seel, wie dini Chindli, wie di Fleisch und Blut verwildern ohni Pfleg und ohni Zucht, ke Gufe drinn! Vom zarte Beſe-Ris e goldig Ruͤethli, ſchlank und nagelneu! Lueg, ſo ne Muetter het ihr Chindli lieb! Lueg, ſo ne Muetter ziehts verſtaͤndig uf, und wird mi Buͤrſtli meiſterlos, und meint es ſeig der Her im Hus, ſe hebt ſi b’herzt der Finger uf, und foͤrcht ihr Buͤebli nit, und ſeit: „Weiſch nit, was hinterm Spie- gel ſteckt?„ Und ’s Buͤebli folgt, und wird e brave Chnab; Jez goͤhn mer wieder witers um e Hus. Zwor Chinder gnug, doch wo me luegt und luegt ſchwankt wit und breit ke Wienechtchindli- Baum. Chumm, weidle chumm, do blibe mer nit lang! O Frau, wer het di Muetterherz ſo gchuͤelt? Verbarmt’s di nit, und gohts der nit dur d’ Seel, wie dini Chindli, wie di Fleiſch und Blut verwildern ohni Pfleg und ohni Zucht, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0111" n="93"/> <l>ke Gufe drinn! Vom zarte Beſe-Ris</l><lb/> <l>e goldig Ruͤethli, ſchlank und nagelneu!</l><lb/> <l>Lueg, ſo ne Muetter het ihr Chindli lieb!</l><lb/> <l>Lueg, ſo ne Muetter ziehts verſtaͤndig uf,</l><lb/> <l>und wird mi Buͤrſtli meiſterlos, und meint</l><lb/> <l>es ſeig der Her im Hus, ſe hebt ſi b’herzt</l><lb/> <l>der Finger uf, und foͤrcht ihr Buͤebli nit,</l><lb/> <l>und ſeit: „Weiſch nit, was hinterm Spie-</l><lb/> <l>gel ſteckt?„</l><lb/> <l>Und ’s Buͤebli folgt, und wird e brave Chnab;</l><lb/> <l>Jez goͤhn mer wieder witers um e Hus.</l><lb/> <l>Zwor Chinder gnug, doch wo me luegt und</l><lb/> <l>luegt</l><lb/> <l>ſchwankt wit und breit ke Wienechtchindli-</l><lb/> <l>Baum.</l><lb/> <l>Chumm, weidle chumm, do blibe mer nit lang!</l><lb/> <l>O Frau, wer het di Muetterherz ſo gchuͤelt?</l><lb/> <l>Verbarmt’s di nit, und gohts der nit dur</l><lb/> <l>d’ Seel,</l><lb/> <l>wie dini Chindli, wie di Fleiſch und Blut</l><lb/> <l>verwildern ohni Pfleg und ohni Zucht,</l><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [93/0111]
ke Gufe drinn! Vom zarte Beſe-Ris
e goldig Ruͤethli, ſchlank und nagelneu!
Lueg, ſo ne Muetter het ihr Chindli lieb!
Lueg, ſo ne Muetter ziehts verſtaͤndig uf,
und wird mi Buͤrſtli meiſterlos, und meint
es ſeig der Her im Hus, ſe hebt ſi b’herzt
der Finger uf, und foͤrcht ihr Buͤebli nit,
und ſeit: „Weiſch nit, was hinterm Spie-
gel ſteckt?„
Und ’s Buͤebli folgt, und wird e brave Chnab;
Jez goͤhn mer wieder witers um e Hus.
Zwor Chinder gnug, doch wo me luegt und
luegt
ſchwankt wit und breit ke Wienechtchindli-
Baum.
Chumm, weidle chumm, do blibe mer nit lang!
O Frau, wer het di Muetterherz ſo gchuͤelt?
Verbarmt’s di nit, und gohts der nit dur
d’ Seel,
wie dini Chindli, wie di Fleiſch und Blut
verwildern ohni Pfleg und ohni Zucht,
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