Schuld giebt, neue und unerhörte Institu- tionen, er will nur ein besseres Funda- ment für die schon vorhandenen, er will, daß sie sich auf Nichts, als auf Sittlichkeit und Nothwendigkeit, die identisch sind, stützen und also den äußeren Haken, an dem sie bis jetzt zum Theil befestigt waren, gegen den inneren Schwerpunct, aus dem sie sich voll- ständig ableiten lassen, vertauschen sollen. Dies ist, nach meiner Ueberzeugung, der welthistorische Proceß, der in unseren Tagen vor sich geht, die Philosophie, von Kant, und eigentlich von Spinoza an, hat ihn, zersetzend und auflösend, vorbereitet, und die dramatische Kunst, vorausgesetzt, daß sie überhaupt noch irgend etwas soll, denn der bis- herige Kreis ist durchlaufen und Duplicate sind vom Ueberfluß und passen nicht in den Haushalt der Li- teratur, soll ihn beendigen helfen, sie soll, wie es in einer ähnlichen Krisis Aeschylos, Sophocles, Euripides und Aristophanes, die nicht von ungefähr und etwa blos, weil das Schicksal es mit dem Thea- ter der Athener besonders wohl meinte, so kurz hin- ter einander hervortraten, gethan haben, in großen
Schuld giebt, neue und unerhörte Inſtitu- tionen, er will nur ein beſſeres Funda- ment für die ſchon vorhandenen, er will, daß ſie ſich auf Nichts, als auf Sittlichkeit und Nothwendigkeit, die identiſch ſind, ſtützen und alſo den äußeren Haken, an dem ſie bis jetzt zum Theil befeſtigt waren, gegen den inneren Schwerpunct, aus dem ſie ſich voll- ſtändig ableiten laſſen, vertauſchen ſollen. Dies iſt, nach meiner Ueberzeugung, der welthiſtoriſche Proceß, der in unſeren Tagen vor ſich geht, die Philoſophie, von Kant, und eigentlich von Spinoza an, hat ihn, zerſetzend und auflöſend, vorbereitet, und die dramatiſche Kunſt, vorausgeſetzt, daß ſie überhaupt noch irgend etwas ſoll, denn der bis- herige Kreis iſt durchlaufen und Duplicate ſind vom Ueberfluß und paſſen nicht in den Haushalt der Li- teratur, ſoll ihn beendigen helfen, ſie ſoll, wie es in einer ähnlichen Kriſis Aeſchylos, Sophocles, Euripides und Ariſtophanes, die nicht von ungefähr und etwa blos, weil das Schickſal es mit dem Thea- ter der Athener beſonders wohl meinte, ſo kurz hin- ter einander hervortraten, gethan haben, in großen
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[VIII/0028]
Schuld giebt, neue und unerhörte Inſtitu-
tionen, er will nur ein beſſeres Funda-
ment für die ſchon vorhandenen, er will, daß
ſie ſich auf Nichts, als auf Sittlichkeit und
Nothwendigkeit, die identiſch ſind, ſtützen
und alſo den äußeren Haken, an dem ſie bis
jetzt zum Theil befeſtigt waren, gegen den
inneren Schwerpunct, aus dem ſie ſich voll-
ſtändig ableiten laſſen, vertauſchen ſollen.
Dies iſt, nach meiner Ueberzeugung, der welthiſtoriſche
Proceß, der in unſeren Tagen vor ſich geht, die
Philoſophie, von Kant, und eigentlich von Spinoza
an, hat ihn, zerſetzend und auflöſend, vorbereitet,
und die dramatiſche Kunſt, vorausgeſetzt, daß ſie
überhaupt noch irgend etwas ſoll, denn der bis-
herige Kreis iſt durchlaufen und Duplicate ſind vom
Ueberfluß und paſſen nicht in den Haushalt der Li-
teratur, ſoll ihn beendigen helfen, ſie ſoll, wie es
in einer ähnlichen Kriſis Aeſchylos, Sophocles,
Euripides und Ariſtophanes, die nicht von ungefähr
und etwa blos, weil das Schickſal es mit dem Thea-
ter der Athener beſonders wohl meinte, ſo kurz hin-
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Hebbel, Friedrich: Maria Magdalene. Hamburg, 1844, S. VIII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hebbel_magdalene_1844/28>, abgerufen am 27.07.2024.
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