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Hebbel, Friedrich: Maria Magdalene. Hamburg, 1844.

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seiner Darstellung machte und dieß Verhältniß be-
handelte und benutzte, als ob es ein ganz ent-
gegengesetztes, ein vollkommen berechtigtes wäre,
wüßte ich mir nicht zu erklären; daß er aber auf
die Hauptfrage des Romans nicht tiefer einging,
und daß er ebenso im Faust, als er zwischen einer
ungeheuren Perspective und einem mit Katechismus-
Figuren bemalten Bretter-Verschlag wählen sollte,
den Bretter-Verschlag vorzog und die Geburts-
wehen
der um eine neue Form ringenden Mensch-
heit, die wir mit Recht im ersten Theil erblickten,
im zweiten zu bloßen Krankheits-Momenten
eines später durch einen willkürlichen, nur nothdürf-
tig-psychologisch vermittelten Act curirten Indivi-
duums herabsetzte, das ging aus seiner ganz eigen
complicirten Individualität hervor, die ich hier
nicht zu analysiren brauche, da ich nur anzudeuten
habe, wie weit er gekommen ist. Es bedarf hof-
fentlich nicht der Bemerkung, daß die vorstehenden,
sehr motivirten Einwendungen gegen den Faust und
die Wahlverwandtschaften diesen beiden welthistori-
schen Productionen durchaus Nichts von ihrem uner-
meßlichen Werth abdingen, sondern nur das Verhält-

ſeiner Darſtellung machte und dieß Verhältniß be-
handelte und benutzte, als ob es ein ganz ent-
gegengeſetztes, ein vollkommen berechtigtes wäre,
wüßte ich mir nicht zu erklären; daß er aber auf
die Hauptfrage des Romans nicht tiefer einging,
und daß er ebenſo im Fauſt, als er zwiſchen einer
ungeheuren Perſpective und einem mit Katechismus-
Figuren bemalten Bretter-Verſchlag wählen ſollte,
den Bretter-Verſchlag vorzog und die Geburts-
wehen
der um eine neue Form ringenden Menſch-
heit, die wir mit Recht im erſten Theil erblickten,
im zweiten zu bloßen Krankheits-Momenten
eines ſpäter durch einen willkürlichen, nur nothdürf-
tig-pſychologiſch vermittelten Act curirten Indivi-
duums herabſetzte, das ging aus ſeiner ganz eigen
complicirten Individualität hervor, die ich hier
nicht zu analyſiren brauche, da ich nur anzudeuten
habe, wie weit er gekommen iſt. Es bedarf hof-
fentlich nicht der Bemerkung, daß die vorſtehenden,
ſehr motivirten Einwendungen gegen den Fauſt und
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[VI/0026] ſeiner Darſtellung machte und dieß Verhältniß be- handelte und benutzte, als ob es ein ganz ent- gegengeſetztes, ein vollkommen berechtigtes wäre, wüßte ich mir nicht zu erklären; daß er aber auf die Hauptfrage des Romans nicht tiefer einging, und daß er ebenſo im Fauſt, als er zwiſchen einer ungeheuren Perſpective und einem mit Katechismus- Figuren bemalten Bretter-Verſchlag wählen ſollte, den Bretter-Verſchlag vorzog und die Geburts- wehen der um eine neue Form ringenden Menſch- heit, die wir mit Recht im erſten Theil erblickten, im zweiten zu bloßen Krankheits-Momenten eines ſpäter durch einen willkürlichen, nur nothdürf- tig-pſychologiſch vermittelten Act curirten Indivi- duums herabſetzte, das ging aus ſeiner ganz eigen complicirten Individualität hervor, die ich hier nicht zu analyſiren brauche, da ich nur anzudeuten habe, wie weit er gekommen iſt. Es bedarf hof- fentlich nicht der Bemerkung, daß die vorſtehenden, ſehr motivirten Einwendungen gegen den Fauſt und die Wahlverwandtſchaften dieſen beiden welthiſtori- ſchen Productionen durchaus Nichts von ihrem uner- meßlichen Werth abdingen, ſondern nur das Verhält-

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Zitationshilfe: Hebbel, Friedrich: Maria Magdalene. Hamburg, 1844, S. VI. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hebbel_magdalene_1844/26>, abgerufen am 25.04.2024.