balg erzeugen, man braucht nur einfach in die Be- jahung der eben hervorgehobenen Seite eine still- schweigende Verneinung aller übrigen zu legen.
Das Drama, als die Spitze aller Kunst, soll den jedesmaligen Welt- und Menschen-Zustand in seinem Verhältniß zur Idee, d. h. hier zu dem Alles bedingenden sittlichen Centrum, das wir im Welt-Organismus, schon seiner Selbst-Erhaltung wegen, annehmen müssen, veranschaulichen. Das Drama, d. h. das höchste, das Epoche machende, denn es giebt auch noch ein zweites und drittes, ein partiell-nationales und ein subjectiv- individuelles, die sich zu jenem verhalten, wie einzelne Scenen und Charactere zum ganzen Stück, die dasselbe aber so lange, bis ein Alles umfassen- der Geist erscheint, vertreten, und wenn dieser ganz ausbleibt, als disjecti membra poetae in seine Stelle rücken, das Drama ist nur dann möglich, wenn in diesem Zustand eine entscheidende Verän- derung vor sich geht, es ist daher durchaus ein Pro- duct der Zeit, aber freilich nur in dem Sinne, worin eine solche Zeit selbst ein Product aller vorhergegange- nen Zeiten ist, das verbindende Mittelglied zwischen
balg erzeugen, man braucht nur einfach in die Be- jahung der eben hervorgehobenen Seite eine ſtill- ſchweigende Verneinung aller übrigen zu legen.
Das Drama, als die Spitze aller Kunſt, ſoll den jedesmaligen Welt- und Menſchen-Zuſtand in ſeinem Verhältniß zur Idee, d. h. hier zu dem Alles bedingenden ſittlichen Centrum, das wir im Welt-Organismus, ſchon ſeiner Selbſt-Erhaltung wegen, annehmen müſſen, veranſchaulichen. Das Drama, d. h. das höchſte, das Epoche machende, denn es giebt auch noch ein zweites und drittes, ein partiell-nationales und ein ſubjectiv- individuelles, die ſich zu jenem verhalten, wie einzelne Scenen und Charactere zum ganzen Stück, die daſſelbe aber ſo lange, bis ein Alles umfaſſen- der Geiſt erſcheint, vertreten, und wenn dieſer ganz ausbleibt, als disjecti membra poetae in ſeine Stelle rücken, das Drama iſt nur dann möglich, wenn in dieſem Zuſtand eine entſcheidende Verän- derung vor ſich geht, es iſt daher durchaus ein Pro- duct der Zeit, aber freilich nur in dem Sinne, worin eine ſolche Zeit ſelbſt ein Product aller vorhergegange- nen Zeiten iſt, das verbindende Mittelglied zwiſchen
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[II/0022]
balg erzeugen, man braucht nur einfach in die Be-
jahung der eben hervorgehobenen Seite eine ſtill-
ſchweigende Verneinung aller übrigen zu legen.
Das Drama, als die Spitze aller Kunſt, ſoll
den jedesmaligen Welt- und Menſchen-Zuſtand
in ſeinem Verhältniß zur Idee, d. h. hier zu
dem Alles bedingenden ſittlichen Centrum, das wir
im Welt-Organismus, ſchon ſeiner Selbſt-Erhaltung
wegen, annehmen müſſen, veranſchaulichen. Das
Drama, d. h. das höchſte, das Epoche machende,
denn es giebt auch noch ein zweites und drittes,
ein partiell-nationales und ein ſubjectiv-
individuelles, die ſich zu jenem verhalten, wie
einzelne Scenen und Charactere zum ganzen Stück,
die daſſelbe aber ſo lange, bis ein Alles umfaſſen-
der Geiſt erſcheint, vertreten, und wenn dieſer ganz
ausbleibt, als disjecti membra poetae in ſeine
Stelle rücken, das Drama iſt nur dann möglich,
wenn in dieſem Zuſtand eine entſcheidende Verän-
derung vor ſich geht, es iſt daher durchaus ein Pro-
duct der Zeit, aber freilich nur in dem Sinne, worin
eine ſolche Zeit ſelbſt ein Product aller vorhergegange-
nen Zeiten iſt, das verbindende Mittelglied zwiſchen
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Hebbel, Friedrich: Maria Magdalene. Hamburg, 1844, S. II. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hebbel_magdalene_1844/22>, abgerufen am 28.07.2024.
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