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Hebbel, Friedrich: Maria Magdalene. Hamburg, 1844.

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ärgern. Man sollte die Kerl's als Hintertreiber von
Lustparthieen, als Verderber des Erndtewetters, vor
Gericht belangen können. Wodurch willst Du denn
für das Leben danken, als dadurch, daß Du lebst?
Jauchze Vogel, sonst verdienst du die Kehle nicht!
Klara.
Ach, das ist so wahr, so wahr -- ich könnte
gleich zu weinen anfangen!
Secretair.
Es ist nicht gegen Dich gesagt, daß Du seit acht
Tagen schwerer athmest, wie sonst, begreif' ich wohl,
ich kenne Deinen Alten. Aber Gott Lob, ich kann
Deine Brust wieder frei machen, und eben darum bin
ich hier. Du wirst Deinen Bruder noch heut Abend
wieder sehen, und nicht auf ihn, sondern auf die
Leute, die ihn in's Gefängniß geworfen haben, wird
man mit Fingern zeigen. Verdient das einen Kuß,
einen schwesterlichen, wenn's denn kein anderer seyn
darf? Oder wollen wir Blindekuh darum spielen?
Wenn ich Dich nicht in zehn Minuten hasche, so geh'
ich leer aus, und bekomm' noch einen Backenstreich
obendrein.
ärgern. Man ſollte die Kerl’s als Hintertreiber von
Luſtparthieen, als Verderber des Erndtewetters, vor
Gericht belangen können. Wodurch willſt Du denn
für das Leben danken, als dadurch, daß Du lebſt?
Jauchze Vogel, ſonſt verdienſt du die Kehle nicht!
Klara.
Ach, das iſt ſo wahr, ſo wahr — ich könnte
gleich zu weinen anfangen!
Secretair.
Es iſt nicht gegen Dich geſagt, daß Du ſeit acht
Tagen ſchwerer athmeſt, wie ſonſt, begreif’ ich wohl,
ich kenne Deinen Alten. Aber Gott Lob, ich kann
Deine Bruſt wieder frei machen, und eben darum bin
ich hier. Du wirſt Deinen Bruder noch heut Abend
wieder ſehen, und nicht auf ihn, ſondern auf die
Leute, die ihn in’s Gefängniß geworfen haben, wird
man mit Fingern zeigen. Verdient das einen Kuß,
einen ſchweſterlichen, wenn’s denn kein anderer ſeyn
darf? Oder wollen wir Blindekuh darum ſpielen?
Wenn ich Dich nicht in zehn Minuten haſche, ſo geh’
ich leer aus, und bekomm’ noch einen Backenſtreich
obendrein.
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[80/0148] ärgern. Man ſollte die Kerl’s als Hintertreiber von Luſtparthieen, als Verderber des Erndtewetters, vor Gericht belangen können. Wodurch willſt Du denn für das Leben danken, als dadurch, daß Du lebſt? Jauchze Vogel, ſonſt verdienſt du die Kehle nicht! Klara. Ach, das iſt ſo wahr, ſo wahr — ich könnte gleich zu weinen anfangen! Secretair. Es iſt nicht gegen Dich geſagt, daß Du ſeit acht Tagen ſchwerer athmeſt, wie ſonſt, begreif’ ich wohl, ich kenne Deinen Alten. Aber Gott Lob, ich kann Deine Bruſt wieder frei machen, und eben darum bin ich hier. Du wirſt Deinen Bruder noch heut Abend wieder ſehen, und nicht auf ihn, ſondern auf die Leute, die ihn in’s Gefängniß geworfen haben, wird man mit Fingern zeigen. Verdient das einen Kuß, einen ſchweſterlichen, wenn’s denn kein anderer ſeyn darf? Oder wollen wir Blindekuh darum ſpielen? Wenn ich Dich nicht in zehn Minuten haſche, ſo geh’ ich leer aus, und bekomm’ noch einen Backenſtreich obendrein.

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Zitationshilfe: Hebbel, Friedrich: Maria Magdalene. Hamburg, 1844, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hebbel_magdalene_1844/148>, abgerufen am 30.04.2024.