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Hebbel, Friedrich: Maria Magdalene. Hamburg, 1844.

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Secretair.
Man vergißt's auch! Freilich, was vergißt man
nicht über Justinian und Gajus! Die Knaben, die
sich so hartnäckig gegen das A. B. C. wehren, wis-
sen wohl, warum; sie haben eine Ahnung davon,
daß, wenn sie sich nur mit der Fibel nicht einlassen,
sie mit der Bibel nie Händel bekommen können! Aber
schändlich genug, man verführt die unschuldigen Seelen,
man zeigt ihnen hinten den rothen Hahn mit dem
Korb voll Eier, da sagen sie von selbst: Ah! und
nun ist kein Haltens mehr, nun geht's reißend schnell
bergunter bis zum Z., und so weiter und weiter, bis
sie auf einmal mitten im Corpus juris sind und mit
Grausen inne werden, in welche Wildniß die ver-
fluchten 24 Buchstaben, die sich Anfangs im lustigen
Tanz nur zu wohlschmeckenden und wohlriechenden
Worten, wie Kirsche und Rose zusammenstellten, sie
hineingelockt haben!
Klara.
Und wie wird's dann gemacht? (abwesend, ohne
allen Antheil)
Secretair.
Man vergißt’s auch! Freilich, was vergißt man
nicht über Juſtinian und Gajus! Die Knaben, die
ſich ſo hartnäckig gegen das A. B. C. wehren, wiſ-
ſen wohl, warum; ſie haben eine Ahnung davon,
daß, wenn ſie ſich nur mit der Fibel nicht einlaſſen,
ſie mit der Bibel nie Händel bekommen können! Aber
ſchändlich genug, man verführt die unſchuldigen Seelen,
man zeigt ihnen hinten den rothen Hahn mit dem
Korb voll Eier, da ſagen ſie von ſelbſt: Ah! und
nun iſt kein Haltens mehr, nun geht’s reißend ſchnell
bergunter bis zum Z., und ſo weiter und weiter, bis
ſie auf einmal mitten im Corpus juris ſind und mit
Grauſen inne werden, in welche Wildniß die ver-
fluchten 24 Buchſtaben, die ſich Anfangs im luſtigen
Tanz nur zu wohlſchmeckenden und wohlriechenden
Worten, wie Kirſche und Roſe zuſammenſtellten, ſie
hineingelockt haben!
Klara.
Und wie wird’s dann gemacht? (abweſend, ohne
allen Antheil)
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[77/0145] Secretair. Man vergißt’s auch! Freilich, was vergißt man nicht über Juſtinian und Gajus! Die Knaben, die ſich ſo hartnäckig gegen das A. B. C. wehren, wiſ- ſen wohl, warum; ſie haben eine Ahnung davon, daß, wenn ſie ſich nur mit der Fibel nicht einlaſſen, ſie mit der Bibel nie Händel bekommen können! Aber ſchändlich genug, man verführt die unſchuldigen Seelen, man zeigt ihnen hinten den rothen Hahn mit dem Korb voll Eier, da ſagen ſie von ſelbſt: Ah! und nun iſt kein Haltens mehr, nun geht’s reißend ſchnell bergunter bis zum Z., und ſo weiter und weiter, bis ſie auf einmal mitten im Corpus juris ſind und mit Grauſen inne werden, in welche Wildniß die ver- fluchten 24 Buchſtaben, die ſich Anfangs im luſtigen Tanz nur zu wohlſchmeckenden und wohlriechenden Worten, wie Kirſche und Roſe zuſammenſtellten, ſie hineingelockt haben! Klara. Und wie wird’s dann gemacht? (abweſend, ohne allen Antheil)

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Zitationshilfe: Hebbel, Friedrich: Maria Magdalene. Hamburg, 1844, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hebbel_magdalene_1844/145>, abgerufen am 25.11.2024.