Hebbel, Friedrich: Maria Magdalene. Hamburg, 1844.
kluger Kopf, der sich selbst köpft, wenn's Zeit ist. Der meinige muß dazu zu fest stehen, sonst -- Man hockte in der Welt, und glaubte in einer guten Her- berge hinter'm Ofen zu sitzen, da wird plötzlich Licht auf den Tisch gestellt, und siehe da, man ist in einem Räuberloch, nun geht's piff, paff, von allen Seiten, aber es schadet nicht, man hat zum Glück ein steiner- nes Herz! Klara. Ja, Vater, so ist's! Meister Anton. Was weißt Du davon? Meinst Du, Du hast ein Recht, mit mir zu fluchen, weil Dein Schreiber davon gelaufen ist? Dich wird ein Anderer Sonn- tags-Nachmittags spatzieren führen, ein Anderer wird Dir sagen, daß Deine Backen roth sind und Deine Augen blau, ein Anderer wird dich zum Weibe neh- men, wenn Du's verdienst. Aber, wenn Du nun dreißig Jahre lang in Züchten und Ehren die Last des Lebens getragen, wenn Du nie gemurrt, sondern Leid und Tod und jedes Mißgeschick in Geduld hin- genommen hast, und dann kommt Dein Sohn, der
kluger Kopf, der ſich ſelbſt köpft, wenn’s Zeit iſt. Der meinige muß dazu zu feſt ſtehen, ſonſt — Man hockte in der Welt, und glaubte in einer guten Her- berge hinter’m Ofen zu ſitzen, da wird plötzlich Licht auf den Tiſch geſtellt, und ſiehe da, man iſt in einem Räuberloch, nun geht’s piff, paff, von allen Seiten, aber es ſchadet nicht, man hat zum Glück ein ſteiner- nes Herz! Klara. Ja, Vater, ſo iſt’s! Meiſter Anton. Was weißt Du davon? Meinſt Du, Du haſt ein Recht, mit mir zu fluchen, weil Dein Schreiber davon gelaufen iſt? Dich wird ein Anderer Sonn- tags-Nachmittags ſpatzieren führen, ein Anderer wird Dir ſagen, daß Deine Backen roth ſind und Deine Augen blau, ein Anderer wird dich zum Weibe neh- men, wenn Du’s verdienſt. Aber, wenn Du nun dreißig Jahre lang in Züchten und Ehren die Laſt des Lebens getragen, wenn Du nie gemurrt, ſondern Leid und Tod und jedes Mißgeſchick in Geduld hin- genommen haſt, und dann kommt Dein Sohn, der <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <sp who="#ANTON"> <p><pb facs="#f0127" n="59"/> kluger Kopf, der ſich ſelbſt köpft, wenn’s Zeit iſt.<lb/> Der meinige muß dazu zu feſt ſtehen, ſonſt — Man<lb/> hockte in der Welt, und glaubte in einer guten Her-<lb/> berge hinter’m Ofen zu ſitzen, da wird plötzlich Licht<lb/> auf den Tiſch geſtellt, und ſiehe da, man iſt in einem<lb/> Räuberloch, nun geht’s piff, paff, von allen Seiten,<lb/> aber es ſchadet nicht, man hat zum Glück ein ſteiner-<lb/> nes Herz!</p> </sp><lb/> <sp who="#KLARA"> <speaker><hi rendition="#g">Klara</hi>.</speaker><lb/> <p>Ja, Vater, ſo iſt’s!</p> </sp><lb/> <sp who="#ANTON"> <speaker><hi rendition="#g">Meiſter Anton</hi>.</speaker><lb/> <p>Was weißt Du davon? Meinſt Du, Du haſt<lb/> ein Recht, mit mir zu fluchen, weil Dein Schreiber<lb/> davon gelaufen iſt? Dich wird ein Anderer Sonn-<lb/> tags-Nachmittags ſpatzieren führen, ein Anderer wird<lb/> Dir ſagen, daß Deine Backen roth ſind und Deine<lb/> Augen blau, ein Anderer wird dich zum Weibe neh-<lb/> men, wenn Du’s verdienſt. Aber, wenn Du nun<lb/> dreißig Jahre lang in Züchten und Ehren die Laſt<lb/> des Lebens getragen, wenn Du nie gemurrt, ſondern<lb/> Leid und Tod und jedes Mißgeſchick in Geduld hin-<lb/> genommen haſt, und dann kommt Dein Sohn, der<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [59/0127]
kluger Kopf, der ſich ſelbſt köpft, wenn’s Zeit iſt.
Der meinige muß dazu zu feſt ſtehen, ſonſt — Man
hockte in der Welt, und glaubte in einer guten Her-
berge hinter’m Ofen zu ſitzen, da wird plötzlich Licht
auf den Tiſch geſtellt, und ſiehe da, man iſt in einem
Räuberloch, nun geht’s piff, paff, von allen Seiten,
aber es ſchadet nicht, man hat zum Glück ein ſteiner-
nes Herz!
Klara.
Ja, Vater, ſo iſt’s!
Meiſter Anton.
Was weißt Du davon? Meinſt Du, Du haſt
ein Recht, mit mir zu fluchen, weil Dein Schreiber
davon gelaufen iſt? Dich wird ein Anderer Sonn-
tags-Nachmittags ſpatzieren führen, ein Anderer wird
Dir ſagen, daß Deine Backen roth ſind und Deine
Augen blau, ein Anderer wird dich zum Weibe neh-
men, wenn Du’s verdienſt. Aber, wenn Du nun
dreißig Jahre lang in Züchten und Ehren die Laſt
des Lebens getragen, wenn Du nie gemurrt, ſondern
Leid und Tod und jedes Mißgeſchick in Geduld hin-
genommen haſt, und dann kommt Dein Sohn, der
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/hebbel_magdalene_1844 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/hebbel_magdalene_1844/127 |
Zitationshilfe: | Hebbel, Friedrich: Maria Magdalene. Hamburg, 1844, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hebbel_magdalene_1844/127>, abgerufen am 16.02.2025. |