Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hebbel, Friedrich: Maria Magdalene. Hamburg, 1844.

Bild:
<< vorherige Seite
Meister Anton.
Halt' Er ein! Vielleicht sag' ich nicht Nein!
Leonhard.
Das hoff' ich! Und ich will Ihm meine Meinung
sagen! Sogar die heiligen Erzväter verschmähten
nicht den Mahlschatz ihrer Weiber, Jacob liebte die
Rahel und warb sieben Jahre um sie, aber er freute
sich auch über die fetten Widder und Schaafe, die er
in ihres Vaters Dienst gewann. Ich denke, es ge-
reicht ihm nicht zur Schande, und ihn übertreffen,
heißt ihn roth machen. Ich hätte es gern gesehen,
wenn Seine Tochter mir ein Paar hundert Thaler
zugebracht hätte, und das war natürlich, denn um so
besser würde sie selbst es bei mir gehabt haben, wenn
ein Mädchen das Bett im Koffer mitbringt, so braucht
sie nicht erst Wolle zu kratzen und Garn zu spin-
nen. Es ist nicht der Fall -- was thut's? Wir
machen aus der Fasten-Speise unser Sonntags-Essen,
und aus dem Sonntags-Braten unsern Weihnachts-
Schmaus! So geht's auch!
Meister Anton.
(reicht ihm die Hand) Er spricht brav, und unser Herr
Meiſter Anton.
Halt’ Er ein! Vielleicht ſag’ ich nicht Nein!
Leonhard.
Das hoff’ ich! Und ich will Ihm meine Meinung
ſagen! Sogar die heiligen Erzväter verſchmähten
nicht den Mahlſchatz ihrer Weiber, Jacob liebte die
Rahel und warb ſieben Jahre um ſie, aber er freute
ſich auch über die fetten Widder und Schaafe, die er
in ihres Vaters Dienſt gewann. Ich denke, es ge-
reicht ihm nicht zur Schande, und ihn übertreffen,
heißt ihn roth machen. Ich hätte es gern geſehen,
wenn Seine Tochter mir ein Paar hundert Thaler
zugebracht hätte, und das war natürlich, denn um ſo
beſſer würde ſie ſelbſt es bei mir gehabt haben, wenn
ein Mädchen das Bett im Koffer mitbringt, ſo braucht
ſie nicht erſt Wolle zu kratzen und Garn zu ſpin-
nen. Es iſt nicht der Fall — was thut’s? Wir
machen aus der Faſten-Speiſe unſer Sonntags-Eſſen,
und aus dem Sonntags-Braten unſern Weihnachts-
Schmaus! So geht’s auch!
Meiſter Anton.
(reicht ihm die Hand) Er ſpricht brav, und unſer Herr
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0105" n="37"/>
          <sp who="#ANTON">
            <speaker><hi rendition="#g">Mei&#x017F;ter Anton</hi>.</speaker><lb/>
            <p>Halt&#x2019; Er ein! Vielleicht &#x017F;ag&#x2019; ich nicht Nein!</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#LEO">
            <speaker><hi rendition="#g">Leonhard</hi>.</speaker><lb/>
            <p>Das hoff&#x2019; ich! Und ich will Ihm meine Meinung<lb/>
&#x017F;agen! Sogar die heiligen Erzväter ver&#x017F;chmähten<lb/>
nicht den Mahl&#x017F;chatz ihrer Weiber, Jacob liebte die<lb/>
Rahel und warb &#x017F;ieben Jahre um &#x017F;ie, aber er freute<lb/>
&#x017F;ich auch über die fetten Widder und Schaafe, die er<lb/>
in ihres Vaters Dien&#x017F;t gewann. Ich denke, es ge-<lb/>
reicht ihm nicht zur Schande, und ihn übertreffen,<lb/>
heißt ihn roth machen. Ich hätte es gern ge&#x017F;ehen,<lb/>
wenn Seine Tochter mir ein Paar hundert Thaler<lb/>
zugebracht hätte, und das war natürlich, denn um &#x017F;o<lb/>
be&#x017F;&#x017F;er würde &#x017F;ie &#x017F;elb&#x017F;t es bei mir gehabt haben, wenn<lb/>
ein Mädchen das Bett im Koffer mitbringt, &#x017F;o braucht<lb/>
&#x017F;ie nicht er&#x017F;t Wolle zu kratzen und Garn zu &#x017F;pin-<lb/>
nen. Es i&#x017F;t nicht der Fall &#x2014; was thut&#x2019;s? Wir<lb/>
machen aus der Fa&#x017F;ten-Spei&#x017F;e un&#x017F;er Sonntags-E&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
und aus dem Sonntags-Braten un&#x017F;ern Weihnachts-<lb/>
Schmaus! So geht&#x2019;s auch!</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#ANTON">
            <speaker><hi rendition="#g">Mei&#x017F;ter Anton</hi>.</speaker><lb/>
            <stage>(reicht ihm die Hand)</stage>
            <p>Er &#x017F;pricht brav, und un&#x017F;er Herr<lb/></p>
          </sp>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[37/0105] Meiſter Anton. Halt’ Er ein! Vielleicht ſag’ ich nicht Nein! Leonhard. Das hoff’ ich! Und ich will Ihm meine Meinung ſagen! Sogar die heiligen Erzväter verſchmähten nicht den Mahlſchatz ihrer Weiber, Jacob liebte die Rahel und warb ſieben Jahre um ſie, aber er freute ſich auch über die fetten Widder und Schaafe, die er in ihres Vaters Dienſt gewann. Ich denke, es ge- reicht ihm nicht zur Schande, und ihn übertreffen, heißt ihn roth machen. Ich hätte es gern geſehen, wenn Seine Tochter mir ein Paar hundert Thaler zugebracht hätte, und das war natürlich, denn um ſo beſſer würde ſie ſelbſt es bei mir gehabt haben, wenn ein Mädchen das Bett im Koffer mitbringt, ſo braucht ſie nicht erſt Wolle zu kratzen und Garn zu ſpin- nen. Es iſt nicht der Fall — was thut’s? Wir machen aus der Faſten-Speiſe unſer Sonntags-Eſſen, und aus dem Sonntags-Braten unſern Weihnachts- Schmaus! So geht’s auch! Meiſter Anton. (reicht ihm die Hand) Er ſpricht brav, und unſer Herr

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hebbel_magdalene_1844
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hebbel_magdalene_1844/105
Zitationshilfe: Hebbel, Friedrich: Maria Magdalene. Hamburg, 1844, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hebbel_magdalene_1844/105>, abgerufen am 30.04.2024.