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Staats und Gelehrte Zeitung des Hamburgischen unpartheiischen Correspondenten. Nr. 132, Hamburg, 5. Juni 1832.

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[Spaltenumbruch] Steine wurden geworfen und Fenster gebrochen.
Theurer Preis und schlechtes Brod waren Ursache
dieser betrübenden Unordnungen. Jn der Nacht vom
Sonnabend auf den Sonntag haben sich diese Auf-
tritte mit fürchterlicher Heftigkeit erneuert; die
meisten Bäckerbuden wurden erbrochen und verheert.
Hoffen wir, daß diese Auftritte bald aufgehört ha-
ben, und daß die Bürger, besser unterrichtet von
ihren wahren Jnteressen, bei solchen strafbaren Ex-
cessen nicht beharrt haben. (Niederrh. Courr.)


Der Cardinal Albani wird jetzt wirklich hieselbst
erwartet. Mgnr. Capaccini hat demnach sein Ta-
lent auf's Neue bewährt. Mgnr. Brignoli, bishe-
riger Nuntius in Toscana, wird die Stelle des Car-
dinals in Bologna vertreten. -- Große Aufregung
erzeugten hier die neusten Begebenheiten in Süd-
Frankreich. Die Herzogin v. Berri hat, bei vie-
len eifrigen Gegnern, vielleicht nirgends ergebenere
Anhänger als hier, und am Ende dürfte manche
hohe Person der christlichen Liebe Mantelschutz
vonnöthen haben. -- Jn verwichener Woche trat
Sir Walter Scott seine Rückreise an über Florenz,
Venedig, München, Stuttgart, Frankfurt, Köln,
Holland und England nach Abbotsford. Jm Gan-
zen war ihm der Aufenthalt in Jtalien sehr wohl-
thätig, obgleich die Folgen des Schlagflusses wohl
nie ganz aufh[ö]ren werden, da die Lähmung seines
Fußes sehr vermehrt ward, und er mit Schwierig-
keit spricht. Wem es gelingt, dem Gange seiner
Rede genau zu folgen, dem wird bald klar, daß
tief im Jnnern der Strom seines Geistes in unun-
terbrochener Frische, kräftig, rasch, hellabspiegelnd
fortwogt. Dieß beweiset auch seine Thätigkeit.
Außer dem schon abgesandten Werke, "die Belage-
rung von Malta", vollendet er jetzt eine calabresische
Novelle, "Bizarro", auf sehr merkwürdige Lebens-
verhältnisse eines weitgefürchteten Banditen-Anfüh-
rers gegründet. Erfreulich für Deutsche ist der leb-
hafte Antheil, welchen er an unsrer Literatur nimmt.
Den Tod Göthe's beklagte er doppelt, da er, wie
er sich ausdrückte, "so gern an seinem eignen Heerde
den kräftigen Mann gesehen hätte, um den die Welt
sich drehte" (the world turned on him). Scott
hatte eine Einladung nach Weimar gerade in der
Todeswoche Göthe's empfangen. Folgte er allein
der Sorge für seine Gesundheit, so würde er über
Meer zurückgekehrt seyn, allein unwiderstehlich zieht
es ihn nach den Bergen und Burgen, die ernst in
den Rhein schauen. (A. Z.)


(Beschluß. S. gestr. Ztg.)

Diese Vereinigung (mit Rußland unter gemeinschaft-
licher Oberherrschaft) war kein Zwang des Siegers,
sondern der Wunsch und die Bitte der polnischen
Nation, welche sie in einer von sämmtlichen Woje-
wodschaftsräthen des Herzogthums unterschriebenen
Supplik an den Kaiser Alexander aufs Lebhafteste
und Bestimmteste aussprach. Diese nationelle Bitt-
schrift wurde dem Kaiser in seinem Hauptquartier
zu Freiburg im Breisgau überreicht, und später-
hin, als Alexander schon in Bar-sur-Aube
war, von dem Fürsten Czartoryski, welcher des-
wegen zum Kaiser geeilt war, aufs allerangele-
gentlichste und so heftig unterstützt, daß der Kai-
ser sich genöthigt sah, dem patriotischen Sprecher
über diesen Gegenstand einstweiliges Stillschweigen
aufzulegen. Nach dem Buchstaben des Wiener Con-
[Spaltenumbruch] gresses war somit der neue König von Polen auf
keine Weise verpflichtet, eine freiere Verfassung, als
die zwei andern Mächte ihrem polnischen Antheil
gaben, dem Königreiche zu ertheilen, in sofern nur
die besondere Verwaltung demselben erhalten würde.
Demungeachtet verlieh die Gnade des So[u]veräns
dem Königreiche die Constitution von 1815. Da der
König dieselbe aber seinem Volke auf keine Weise
schuldig gewesen war, so war dieselbe auch keine
octroyirte Charte, wie es die französische von 1814
als eine Vorbedingung der Thronbesteigung Ludwigs
XVIII. gewesen war. Denn daß unter der "Re-
präsentation", welche der Vertrag zwischen Ruß-
land und Oesterreich, und Rußland und Preußen
den Polen zusicherten, eine Repräsentation durch zwei
Kammern nicht nothwendig zu verstehen sey, hat
die Organisation Großpolens und Galliziens bis jetzt
factisch ausgewiesen. Fürst Adam Czartoryski sprach
deswegen bei Proclamation der Constitutions-Ur-
kunde im Senate sehr wahr und sachgemäß, als er
behauptete: "durch Macht allein konnte Alexan-
der herrschen,
aber geleitet von dem kräftigen Geist
seiner Tugenden, wollte er nicht durch Macht
allein herrschen, sondern durch Dankbarkeit, durch
Anhänglichkeit und durch jene Wunderkraft, die
statt des Schreckens Verpflichtung, statt des Zwan-
ges Dahingebung und freiwillige Aufopferung er-
zeugt." Die polnische Constitution von 1815 wurde
folglich auch durch keine fremde Macht garantirt,
und am wenigsten konnte der Wiener Congreß etwas
garantiren, was bei seinem Schlusse noch unbekannt,
nur in Alexanders großmüthiger und schöner Seele
lebte. Leider war diese neue Verfassung nicht aus
dem Blute der polnischen Geschichte erzeugt, und
daher von Anfang an, dem polnischen nationalen
Leben fremd. Sie ist es stets geblieben. Und diese
Disharmonie zwischen Gesetz und Cultur des Volks
machte sehr bald Modificationen des Gesetzes noth-
wendig. Solche wurden zur Erhaltung der öffent-
lichen Moralität, zur Unterstützung der Verfassung
selbst, gegeben. Aber die Partei, deren Ehrgeiz
sich dadurch beschränkt sah, wünschte die Zeit zurück,
wo es hieß: Polonia confusione regitur. Sie
suchte deshalb die Zerwürfniß zwischen Fürsten und
Volk um jeden Preis. Da starb Polens Wieder-
hersteller. Kaiser Nikolaus fand die Modificatio-
nen der Constitution vor und ließ sie bestehen, weil
sie auf wahres individuelles Volksbedürfniß sich
gründeten, wie Kaiser Franz sogar jene Verände-
rungen in Tyrols Verfassung beibehielt, welche da-
selbst eine feindliche Occupation gewaltthätig einge-
führt hatte. Thatsache ist, daß in Polen jene,
durch jedes Mittel rekrutirt gewesene Faction unter
dem Schein des Patriotismus seit 1816 unablassig
nur dahin arbeitete, die Vereinigung Polens mit
Rußland, d. h. die Constitution von 1815, in ihrer
ganzen und alleinigen völkerrechtlichen Bedeutung
zu zerstören. Die Revolution hat hierin alles auf-
gedeckt. Aber der Ausgang derselben befestigte den
Wiener Völker-Vertrag. An diesen schloß die Groß-
muth des Kaisers Polens neue Organisation an.
Wo das Parlament von England 1775 in gleicher
Lage nur nach Rache verlangte und nur dieser Ge-
hör gab, -- da behauptete Rußland den hohen Ruhm
seiner Mäßigung. Jn völkerrechtlicher Hinsicht
hat das neue organische Statut Polens früheren
Zustand völlig unverändert erhalten. Allein in
staatsrechtlicher Beziehung sind den localen und

[Spaltenumbruch] Steine wurden geworfen und Fenſter gebrochen.
Theurer Preis und ſchlechtes Brod waren Urſache
dieſer betrübenden Unordnungen. Jn der Nacht vom
Sonnabend auf den Sonntag haben ſich dieſe Auf-
tritte mit fürchterlicher Heftigkeit erneuert; die
meiſten Bäckerbuden wurden erbrochen und verheert.
Hoffen wir, daß dieſe Auftritte bald aufgehört ha-
ben, und daß die Bürger, beſſer unterrichtet von
ihren wahren Jntereſſen, bei ſolchen ſtrafbaren Ex-
ceſſen nicht beharrt haben. (Niederrh. Courr.)


Der Cardinal Albani wird jetzt wirklich hieſelbſt
erwartet. Mgnr. Capaccini hat demnach ſein Ta-
lent auf’s Neue bewährt. Mgnr. Brignoli, bishe-
riger Nuntius in Toscana, wird die Stelle des Car-
dinals in Bologna vertreten. — Große Aufregung
erzeugten hier die neuſten Begebenheiten in Süd-
Frankreich. Die Herzogin v. Berri hat, bei vie-
len eifrigen Gegnern, vielleicht nirgends ergebenere
Anhänger als hier, und am Ende dürfte manche
hohe Perſon der chriſtlichen Liebe Mantelſchutz
vonnöthen haben. — Jn verwichener Woche trat
Sir Walter Scott ſeine Rückreiſe an über Florenz,
Venedig, München, Stuttgart, Frankfurt, Köln,
Holland und England nach Abbotsford. Jm Gan-
zen war ihm der Aufenthalt in Jtalien ſehr wohl-
thätig, obgleich die Folgen des Schlagfluſſes wohl
nie ganz aufh[ö]ren werden, da die Lähmung ſeines
Fußes ſehr vermehrt ward, und er mit Schwierig-
keit ſpricht. Wem es gelingt, dem Gange ſeiner
Rede genau zu folgen, dem wird bald klar, daß
tief im Jnnern der Strom ſeines Geiſtes in unun-
terbrochener Friſche, kräftig, raſch, hellabſpiegelnd
fortwogt. Dieß beweiſet auch ſeine Thätigkeit.
Außer dem ſchon abgeſandten Werke, “die Belage-
rung von Malta”, vollendet er jetzt eine calabreſiſche
Novelle, “Bizarro”, auf ſehr merkwürdige Lebens-
verhältniſſe eines weitgefürchteten Banditen-Anfüh-
rers gegründet. Erfreulich für Deutſche iſt der leb-
hafte Antheil, welchen er an unſrer Literatur nimmt.
Den Tod Göthe’s beklagte er doppelt, da er, wie
er ſich ausdrückte, “ſo gern an ſeinem eignen Heerde
den kräftigen Mann geſehen hätte, um den die Welt
ſich drehte” (the world turned on him). Scott
hatte eine Einladung nach Weimar gerade in der
Todeswoche Göthe’s empfangen. Folgte er allein
der Sorge für ſeine Geſundheit, ſo würde er über
Meer zurückgekehrt ſeyn, allein unwiderſtehlich zieht
es ihn nach den Bergen und Burgen, die ernſt in
den Rhein ſchauen. (A. Z.)


(Beſchluß. S. geſtr. Ztg.)

Dieſe Vereinigung (mit Rußland unter gemeinſchaft-
licher Oberherrſchaft) war kein Zwang des Siegers,
ſondern der Wunſch und die Bitte der polniſchen
Nation, welche ſie in einer von ſämmtlichen Woje-
wodſchaftsräthen des Herzogthums unterſchriebenen
Supplik an den Kaiſer Alexander aufs Lebhafteſte
und Beſtimmteſte ausſprach. Dieſe nationelle Bitt-
ſchrift wurde dem Kaiſer in ſeinem Hauptquartier
zu Freiburg im Breisgau überreicht, und ſpäter-
hin, als Alexander ſchon in Bar-ſur-Aube
war, von dem Fürſten Czartoryski, welcher des-
wegen zum Kaiſer geeilt war, aufs allerangele-
gentlichſte und ſo heftig unterſtützt, daß der Kai-
ſer ſich genöthigt ſah, dem patriotiſchen Sprecher
über dieſen Gegenſtand einſtweiliges Stillſchweigen
aufzulegen. Nach dem Buchſtaben des Wiener Con-
[Spaltenumbruch] greſſes war ſomit der neue König von Polen auf
keine Weiſe verpflichtet, eine freiere Verfaſſung, als
die zwei andern Mächte ihrem polniſchen Antheil
gaben, dem Königreiche zu ertheilen, in ſofern nur
die beſondere Verwaltung demſelben erhalten würde.
Demungeachtet verlieh die Gnade des So[u]veräns
dem Königreiche die Conſtitution von 1815. Da der
König dieſelbe aber ſeinem Volke auf keine Weiſe
ſchuldig geweſen war, ſo war dieſelbe auch keine
octroyirte Charte, wie es die franzöſiſche von 1814
als eine Vorbedingung der Thronbeſteigung Ludwigs
XVIII. geweſen war. Denn daß unter der “Re-
präſentation”, welche der Vertrag zwiſchen Ruß-
land und Oeſterreich, und Rußland und Preußen
den Polen zuſicherten, eine Repräſentation durch zwei
Kammern nicht nothwendig zu verſtehen ſey, hat
die Organiſation Großpolens und Galliziens bis jetzt
factiſch ausgewieſen. Fürſt Adam Czartoryski ſprach
deswegen bei Proclamation der Conſtitutions-Ur-
kunde im Senate ſehr wahr und ſachgemäß, als er
behauptete: “durch Macht allein konnte Alexan-
der herrſchen,
aber geleitet von dem kräftigen Geiſt
ſeiner Tugenden, wollte er nicht durch Macht
allein herrſchen, ſondern durch Dankbarkeit, durch
Anhänglichkeit und durch jene Wunderkraft, die
ſtatt des Schreckens Verpflichtung, ſtatt des Zwan-
ges Dahingebung und freiwillige Aufopferung er-
zeugt.” Die polniſche Conſtitution von 1815 wurde
folglich auch durch keine fremde Macht garantirt,
und am wenigſten konnte der Wiener Congreß etwas
garantiren, was bei ſeinem Schluſſe noch unbekannt,
nur in Alexanders großmüthiger und ſchöner Seele
lebte. Leider war dieſe neue Verfaſſung nicht aus
dem Blute der polniſchen Geſchichte erzeugt, und
daher von Anfang an, dem polniſchen nationalen
Leben fremd. Sie iſt es ſtets geblieben. Und dieſe
Disharmonie zwiſchen Geſetz und Cultur des Volks
machte ſehr bald Modificationen des Geſetzes noth-
wendig. Solche wurden zur Erhaltung der öffent-
lichen Moralität, zur Unterſtützung der Verfaſſung
ſelbſt, gegeben. Aber die Partei, deren Ehrgeiz
ſich dadurch beſchränkt ſah, wünſchte die Zeit zurück,
wo es hieß: Polonia confusione regitur. Sie
ſuchte deshalb die Zerwürfniß zwiſchen Fürſten und
Volk um jeden Preis. Da ſtarb Polens Wieder-
herſteller. Kaiſer Nikolaus fand die Modificatio-
nen der Conſtitution vor und ließ ſie beſtehen, weil
ſie auf wahres individuelles Volksbedürfniß ſich
gründeten, wie Kaiſer Franz ſogar jene Verände-
rungen in Tyrols Verfaſſung beibehielt, welche da-
ſelbſt eine feindliche Occupation gewaltthätig einge-
führt hatte. Thatſache iſt, daß in Polen jene,
durch jedes Mittel rekrutirt geweſene Faction unter
dem Schein des Patriotismus ſeit 1816 unablaſſig
nur dahin arbeitete, die Vereinigung Polens mit
Rußland, d. h. die Conſtitution von 1815, in ihrer
ganzen und alleinigen völkerrechtlichen Bedeutung
zu zerſtören. Die Revolution hat hierin alles auf-
gedeckt. Aber der Ausgang derſelben befeſtigte den
Wiener Völker-Vertrag. An dieſen ſchloß die Groß-
muth des Kaiſers Polens neue Organiſation an.
Wo das Parlament von England 1775 in gleicher
Lage nur nach Rache verlangte und nur dieſer Ge-
hör gab, — da behauptete Rußland den hohen Ruhm
ſeiner Mäßigung. Jn voͤlkerrechtlicher Hinſicht
hat das neue organiſche Statut Polens früheren
Zuſtand voͤllig unverändert erhalten. Allein in
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[[4]/0004] Steine wurden geworfen und Fenſter gebrochen. Theurer Preis und ſchlechtes Brod waren Urſache dieſer betrübenden Unordnungen. Jn der Nacht vom Sonnabend auf den Sonntag haben ſich dieſe Auf- tritte mit fürchterlicher Heftigkeit erneuert; die meiſten Bäckerbuden wurden erbrochen und verheert. Hoffen wir, daß dieſe Auftritte bald aufgehört ha- ben, und daß die Bürger, beſſer unterrichtet von ihren wahren Jntereſſen, bei ſolchen ſtrafbaren Ex- ceſſen nicht beharrt haben. (Niederrh. Courr.) Rom, den 17 Mai. Der Cardinal Albani wird jetzt wirklich hieſelbſt erwartet. Mgnr. Capaccini hat demnach ſein Ta- lent auf’s Neue bewährt. Mgnr. Brignoli, bishe- riger Nuntius in Toscana, wird die Stelle des Car- dinals in Bologna vertreten. — Große Aufregung erzeugten hier die neuſten Begebenheiten in Süd- Frankreich. Die Herzogin v. Berri hat, bei vie- len eifrigen Gegnern, vielleicht nirgends ergebenere Anhänger als hier, und am Ende dürfte manche hohe Perſon der chriſtlichen Liebe Mantelſchutz vonnöthen haben. — Jn verwichener Woche trat Sir Walter Scott ſeine Rückreiſe an über Florenz, Venedig, München, Stuttgart, Frankfurt, Köln, Holland und England nach Abbotsford. Jm Gan- zen war ihm der Aufenthalt in Jtalien ſehr wohl- thätig, obgleich die Folgen des Schlagfluſſes wohl nie ganz aufhören werden, da die Lähmung ſeines Fußes ſehr vermehrt ward, und er mit Schwierig- keit ſpricht. Wem es gelingt, dem Gange ſeiner Rede genau zu folgen, dem wird bald klar, daß tief im Jnnern der Strom ſeines Geiſtes in unun- terbrochener Friſche, kräftig, raſch, hellabſpiegelnd fortwogt. Dieß beweiſet auch ſeine Thätigkeit. Außer dem ſchon abgeſandten Werke, “die Belage- rung von Malta”, vollendet er jetzt eine calabreſiſche Novelle, “Bizarro”, auf ſehr merkwürdige Lebens- verhältniſſe eines weitgefürchteten Banditen-Anfüh- rers gegründet. Erfreulich für Deutſche iſt der leb- hafte Antheil, welchen er an unſrer Literatur nimmt. Den Tod Göthe’s beklagte er doppelt, da er, wie er ſich ausdrückte, “ſo gern an ſeinem eignen Heerde den kräftigen Mann geſehen hätte, um den die Welt ſich drehte” (the world turned on him). Scott hatte eine Einladung nach Weimar gerade in der Todeswoche Göthe’s empfangen. Folgte er allein der Sorge für ſeine Geſundheit, ſo würde er über Meer zurückgekehrt ſeyn, allein unwiderſtehlich zieht es ihn nach den Bergen und Burgen, die ernſt in den Rhein ſchauen. (A. Z.) Schreiben aus Krakau, vom 15 Mai. (Beſchluß. S. geſtr. Ztg.) Dieſe Vereinigung (mit Rußland unter gemeinſchaft- licher Oberherrſchaft) war kein Zwang des Siegers, ſondern der Wunſch und die Bitte der polniſchen Nation, welche ſie in einer von ſämmtlichen Woje- wodſchaftsräthen des Herzogthums unterſchriebenen Supplik an den Kaiſer Alexander aufs Lebhafteſte und Beſtimmteſte ausſprach. Dieſe nationelle Bitt- ſchrift wurde dem Kaiſer in ſeinem Hauptquartier zu Freiburg im Breisgau überreicht, und ſpäter- hin, als Alexander ſchon in Bar-ſur-Aube war, von dem Fürſten Czartoryski, welcher des- wegen zum Kaiſer geeilt war, aufs allerangele- gentlichſte und ſo heftig unterſtützt, daß der Kai- ſer ſich genöthigt ſah, dem patriotiſchen Sprecher über dieſen Gegenſtand einſtweiliges Stillſchweigen aufzulegen. Nach dem Buchſtaben des Wiener Con- greſſes war ſomit der neue König von Polen auf keine Weiſe verpflichtet, eine freiere Verfaſſung, als die zwei andern Mächte ihrem polniſchen Antheil gaben, dem Königreiche zu ertheilen, in ſofern nur die beſondere Verwaltung demſelben erhalten würde. Demungeachtet verlieh die Gnade des Souveräns dem Königreiche die Conſtitution von 1815. Da der König dieſelbe aber ſeinem Volke auf keine Weiſe ſchuldig geweſen war, ſo war dieſelbe auch keine octroyirte Charte, wie es die franzöſiſche von 1814 als eine Vorbedingung der Thronbeſteigung Ludwigs XVIII. geweſen war. Denn daß unter der “Re- präſentation”, welche der Vertrag zwiſchen Ruß- land und Oeſterreich, und Rußland und Preußen den Polen zuſicherten, eine Repräſentation durch zwei Kammern nicht nothwendig zu verſtehen ſey, hat die Organiſation Großpolens und Galliziens bis jetzt factiſch ausgewieſen. Fürſt Adam Czartoryski ſprach deswegen bei Proclamation der Conſtitutions-Ur- kunde im Senate ſehr wahr und ſachgemäß, als er behauptete: “durch Macht allein konnte Alexan- der herrſchen, aber geleitet von dem kräftigen Geiſt ſeiner Tugenden, wollte er nicht durch Macht allein herrſchen, ſondern durch Dankbarkeit, durch Anhänglichkeit und durch jene Wunderkraft, die ſtatt des Schreckens Verpflichtung, ſtatt des Zwan- ges Dahingebung und freiwillige Aufopferung er- zeugt.” Die polniſche Conſtitution von 1815 wurde folglich auch durch keine fremde Macht garantirt, und am wenigſten konnte der Wiener Congreß etwas garantiren, was bei ſeinem Schluſſe noch unbekannt, nur in Alexanders großmüthiger und ſchöner Seele lebte. Leider war dieſe neue Verfaſſung nicht aus dem Blute der polniſchen Geſchichte erzeugt, und daher von Anfang an, dem polniſchen nationalen Leben fremd. Sie iſt es ſtets geblieben. Und dieſe Disharmonie zwiſchen Geſetz und Cultur des Volks machte ſehr bald Modificationen des Geſetzes noth- wendig. Solche wurden zur Erhaltung der öffent- lichen Moralität, zur Unterſtützung der Verfaſſung ſelbſt, gegeben. Aber die Partei, deren Ehrgeiz ſich dadurch beſchränkt ſah, wünſchte die Zeit zurück, wo es hieß: Polonia confusione regitur. Sie ſuchte deshalb die Zerwürfniß zwiſchen Fürſten und Volk um jeden Preis. Da ſtarb Polens Wieder- herſteller. Kaiſer Nikolaus fand die Modificatio- nen der Conſtitution vor und ließ ſie beſtehen, weil ſie auf wahres individuelles Volksbedürfniß ſich gründeten, wie Kaiſer Franz ſogar jene Verände- rungen in Tyrols Verfaſſung beibehielt, welche da- ſelbſt eine feindliche Occupation gewaltthätig einge- führt hatte. Thatſache iſt, daß in Polen jene, durch jedes Mittel rekrutirt geweſene Faction unter dem Schein des Patriotismus ſeit 1816 unablaſſig nur dahin arbeitete, die Vereinigung Polens mit Rußland, d. h. die Conſtitution von 1815, in ihrer ganzen und alleinigen völkerrechtlichen Bedeutung zu zerſtören. Die Revolution hat hierin alles auf- gedeckt. Aber der Ausgang derſelben befeſtigte den Wiener Völker-Vertrag. An dieſen ſchloß die Groß- muth des Kaiſers Polens neue Organiſation an. Wo das Parlament von England 1775 in gleicher Lage nur nach Rache verlangte und nur dieſer Ge- hör gab, — da behauptete Rußland den hohen Ruhm ſeiner Mäßigung. Jn voͤlkerrechtlicher Hinſicht hat das neue organiſche Statut Polens früheren Zuſtand voͤllig unverändert erhalten. Allein in ſtaatsrechtlicher Beziehung ſind den localen und

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Britt-Marie Schuster, Manuel Wille, Arnika Lutz: Bereitstellung der Texttranskription. (2014-09-26T13:06:02Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.

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Zitationshilfe: Staats und Gelehrte Zeitung des Hamburgischen unpartheiischen Correspondenten. Nr. 132, Hamburg, 5. Juni 1832, S. [4]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hc_1320506_1832/4>, abgerufen am 26.04.2024.