Hauptmann, Gerhart: Die Weber. Berlin, 1892.blick blickt sie von der Arbeit auf und lauscht, denn aus der Ferne kommen Töne eines von Schulkindern gesungenen Grabchorals. Meister Wiegand, der Tischler, sitzt an dem gleichen Tisch in seiner Arbeitstracht hinter einem Glase bairischen Bieres. Er ist ein Mann, dem man anmerkt, er weiß, worauf es in der Welt ankommt, wenn man ein Ziel erreichen will, nämlich auf Pfiffigkeit, Schnelligkeit und rücksichtsloses Fortschreiten. Ein Reisender am Säulentisch kaut mit Eifer an einem deutschen Beafsteak. Er ist mittelgroß, wohlgenährt, wohlauf- geschwemmt, aufgelegt zur Heiterkeit, lebhaft und frech. Er trägt sich modern, seine Reiseeffekten, Tasche, Musterkoffer, Schirm, Ueberzieher und Plüschdecke liegen neben ihm auf Stühlen. Welzel, (dem Reisenden ein Glas Bier zutragend, seitwärts zu Wiegand). 'S is ja heute d'r Teifel los in dem Petersch- walde. Wiegand (mit einer scharfen trompetenden Stimme). Nu 's is halt doch Liefertag bei Dreißichern oben. Frau Welzel. 'S ging aber doch sonste nich a so lebhaft zu. Wiegand. Nu 's kennde vielleicht sein, 's wär wegen da Zweehundert neuen Webern, die a will noch annehmen jetzte. Frau Welzel, (immer plättend). Ja, ja, das wird's sein. Will a zweehundert, da wern er woll sechs- hundert kommen sein. M'r habn 'r ja genug von der Sorte. Wiegand. O jes's, jes's, die langen zu. Und wenn's den och schlecht geht, die sterben ni aus. Die setzen mehr Kinder in de Welt, wie mer gebrauchen ken'n. (Der Choral wird einen Augenblick stärker hörbar.) Nu kommt au noch das Begräbniß d'rzu. D'r Nentwich Weber is doch gestorben. Welzel. Der hat lange genug gemacht. Der lief doch schonn iber Jahr und Tag ock bloß rum wie a Gespenste. blick blickt ſie von der Arbeit auf und lauſcht, denn aus der Ferne kommen Töne eines von Schulkindern geſungenen Grabchorals. Meiſter Wiegand, der Tiſchler, ſitzt an dem gleichen Tiſch in ſeiner Arbeitstracht hinter einem Glaſe bairiſchen Bieres. Er iſt ein Mann, dem man anmerkt, er weiß, worauf es in der Welt ankommt, wenn man ein Ziel erreichen will, nämlich auf Pfiffigkeit, Schnelligkeit und rückſichtsloſes Fortſchreiten. Ein Reiſender am Säulentiſch kaut mit Eifer an einem deutſchen Beafſteak. Er iſt mittelgroß, wohlgenährt, wohlauf- geſchwemmt, aufgelegt zur Heiterkeit, lebhaft und frech. Er trägt ſich modern, ſeine Reiſeeffekten, Taſche, Muſterkoffer, Schirm, Ueberzieher und Plüſchdecke liegen neben ihm auf Stühlen. Welzel, (dem Reiſenden ein Glas Bier zutragend, ſeitwärts zu Wiegand). ’S is ja heute d’r Teifel los in dem Peterſch- walde. Wiegand (mit einer ſcharfen trompetenden Stimme). Nu ’s is halt doch Liefertag bei Dreißichern oben. Frau Welzel. ’S ging aber doch ſonſte nich a ſo lebhaft zu. Wiegand. Nu ’s kennde vielleicht ſein, ’s wär wegen da Zweehundert neuen Webern, die a will noch annehmen jetzte. Frau Welzel, (immer plättend). Ja, ja, das wird’s ſein. Will a zweehundert, da wern er woll ſechs- hundert kommen ſein. M’r habn ’r ja genug von der Sorte. Wiegand. O jes’s, jes’s, die langen zu. Und wenn’s den och ſchlecht geht, die ſterben ni aus. Die ſetzen mehr Kinder in de Welt, wie mer gebrauchen ken’n. (Der Choral wird einen Augenblick ſtärker hörbar.) Nu kommt au noch das Begräbniß d’rzu. D’r Nentwich Weber is doch geſtorben. Welzel. Der hat lange genug gemacht. 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Meiſter Wiegand, der Tiſchler, ſitzt an dem gleichen Tiſch
in ſeiner Arbeitstracht hinter einem Glaſe bairiſchen Bieres.
Er iſt ein Mann, dem man anmerkt, er weiß, worauf es in
der Welt ankommt, wenn man ein Ziel erreichen will, nämlich
auf Pfiffigkeit, Schnelligkeit und rückſichtsloſes Fortſchreiten.
Ein Reiſender am Säulentiſch kaut mit Eifer an einem
deutſchen Beafſteak. Er iſt mittelgroß, wohlgenährt, wohlauf-
geſchwemmt, aufgelegt zur Heiterkeit, lebhaft und frech. Er
trägt ſich modern, ſeine Reiſeeffekten, Taſche, Muſterkoffer,
Schirm, Ueberzieher und Plüſchdecke liegen neben ihm auf
Stühlen.
Welzel, (dem Reiſenden ein Glas Bier zutragend, ſeitwärts zu
Wiegand). ’S is ja heute d’r Teifel los in dem Peterſch-
walde.
Wiegand (mit einer ſcharfen trompetenden Stimme). Nu ’s
is halt doch Liefertag bei Dreißichern oben.
Frau Welzel. ’S ging aber doch ſonſte nich a
ſo lebhaft zu.
Wiegand. Nu ’s kennde vielleicht ſein, ’s wär
wegen da Zweehundert neuen Webern, die a will noch
annehmen jetzte.
Frau Welzel, (immer plättend). Ja, ja, das wird’s
ſein. Will a zweehundert, da wern er woll ſechs-
hundert kommen ſein. M’r habn ’r ja genug von der
Sorte.
Wiegand. O jes’s, jes’s, die langen zu. Und
wenn’s den och ſchlecht geht, die ſterben ni aus. Die
ſetzen mehr Kinder in de Welt, wie mer gebrauchen ken’n.
(Der Choral wird einen Augenblick ſtärker hörbar.) Nu kommt au noch
das Begräbniß d’rzu. D’r Nentwich Weber is doch
geſtorben.
Welzel. Der hat lange genug gemacht. Der
lief doch ſchonn iber Jahr und Tag ock bloß rum
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Zitationshilfe: | Hauptmann, Gerhart: Die Weber. Berlin, 1892, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hauptmann_weber_1892/61>, abgerufen am 30.07.2024. |