Hauptmann, Gerhart: Die Weber. Berlin, 1892.
nu und schindt sich's Bast von a Händen und kann doch seine Zinse ni ufbringen; kann m'r d'r Pauer mei Häusl da wegnehmen? 'Sis halt a Pauer, der will sei Geld habn. Nu weeß ich gar nich, was de noch werdn soll? -- Wenn ich halt und ich muß aus dem Häusl nausgehn. ... (Durch Thränen hervor würgend.) Hier bin ich gebor'n, hier hat mei Vater am Web- stuhle gesessen, mehr wie virzig Jahr. Wie oft hat a zu Muttern gesagt: Mutter, wenn's mit mir amal a Ende nimmt, das Häusl halt feste. Das Häusl hab ich errobert meent a iber'sche. Hie is jeder Nagl an durchwachte Nacht, a jeder Balken a Jahr trocken Brot. Da mißt ma doch denken ... Jäger. Die nehmen een's Letzte, die sein's cumpabel. Ansorge. Nu, ja, ja! -- nu, nee, nee! kommt's aber a so weit, da wär mirsch schonn lieber, se trügen mich naus, stats das ich uf meine alten Tage noch naus laufen müßte. Das bißl sterben da! Mei Vater starb o gerne genug. -- Ock ganz um de Letzte, da wolld'n a wing Angst wern. Wie ich aber zu'n eis Bette kroch, da wurd a ooch wieder stille. -- Wenn ma's a so bedenkt: Dazemal war ich a Jungl von dreizehn Jahrn. Müde war ich, und da schlief ich halt ein, bei dam kranken Manne, -- ich verstand's doch nich besser -- und da ich halt aufwachte war a schonn kalt. Mutter Baumert (nach einer Pause). Greif amal in's Röhr, Bertha, und reich Ansorgen de Suppe. Bertha. Dahier eßt, Vater Ansorge! Ansorge (unter Thränen essend). Nu nee, nee -- -- nu jaja! Der alte Baumert (hat angefangen das Fleisch aus der Pfanne zu essen). Mutter Baumert. Nu Vater, Vater, du wirscht dich doch gedulden kenn'n. Laß ock Berthan vor richtich vorschirrn.
nu und ſchindt ſich’s Baſt von a Händen und kann doch ſeine Zinſe ni ufbringen; kann m’r d’r Pauer mei Häusl da wegnehmen? ’Sis halt a Pauer, der will ſei Geld habn. Nu weeß ich gar nich, was de noch werdn ſoll? — Wenn ich halt und ich muß aus dem Häusl nausgehn. … (Durch Thränen hervor würgend.) Hier bin ich gebor’n, hier hat mei Vater am Web- ſtuhle geſeſſen, mehr wie virzig Jahr. Wie oft hat a zu Muttern geſagt: Mutter, wenn’s mit mir amal a Ende nimmt, das Häusl halt feſte. Das Häusl hab ich errobert meent a iber’ſche. Hie is jeder Nagl an durchwachte Nacht, a jeder Balken a Jahr trocken Brot. Da mißt ma doch denken … Jäger. Die nehmen een’s Letzte, die ſein’s cumpabel. Anſorge. Nu, ja, ja! — nu, nee, nee! kommt’s aber a ſo weit, da wär mirſch ſchonn lieber, ſe trügen mich naus, ſtats das ich uf meine alten Tage noch naus laufen müßte. Das bißl ſterben da! Mei Vater ſtarb o gerne genug. — Ock ganz um de Letzte, da wolld’n a wing Angſt wern. Wie ich aber zu’n eis Bette kroch, da wurd a ooch wieder ſtille. — Wenn ma’s a ſo bedenkt: Dazemal war ich a Jungl von dreizehn Jahrn. Müde war ich, und da ſchlief ich halt ein, bei dam kranken Manne, — ich verſtand’s doch nich beſſer — und da ich halt aufwachte war a ſchonn kalt. Mutter Baumert (nach einer Pauſe). Greif amal in’s Röhr, Bertha, und reich Anſorgen de Suppe. Bertha. Dahier eßt, Vater Anſorge! Anſorge (unter Thränen eſſend). Nu nee, nee — — nu jaja! Der alte Baumert (hat angefangen das Fleiſch aus der Pfanne zu eſſen). Mutter Baumert. Nu Vater, Vater, du wirſcht dich doch gedulden kenn’n. Laß ock Berthan vor richtich vorſchirrn. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <sp who="#ANSO"> <p><pb facs="#f0050" n="37"/> nu und ſchindt ſich’s Baſt von a Händen und kann doch<lb/> ſeine Zinſe ni ufbringen; kann m’r d’r Pauer mei<lb/> Häusl da wegnehmen? ’Sis halt a Pauer, der<lb/> will ſei Geld habn. Nu weeß ich gar nich, was de noch<lb/> werdn ſoll? — Wenn ich halt und ich muß aus<lb/> dem Häusl nausgehn. …</p> <stage>(Durch Thränen hervor würgend.)</stage><lb/> <p>Hier bin ich gebor’n, hier hat mei Vater am Web-<lb/> ſtuhle geſeſſen, mehr wie virzig Jahr. Wie oft hat<lb/> a zu Muttern geſagt: Mutter, wenn’s mit mir amal<lb/> a Ende nimmt, das Häusl halt feſte. Das Häusl<lb/> hab ich errobert meent a iber’ſche. Hie is jeder<lb/> Nagl an durchwachte Nacht, a jeder Balken a Jahr<lb/> trocken Brot. Da mißt ma doch denken …</p> </sp><lb/> <sp who="#JAEG"> <speaker><hi rendition="#g">Jäger</hi>.</speaker> <p>Die nehmen een’s Letzte, die ſein’s cumpabel.</p> </sp><lb/> <sp who="#ANSO"> <speaker><hi rendition="#g">Anſorge</hi>.</speaker> <p>Nu, ja, ja! — nu, nee, nee! kommt’s<lb/> aber a ſo weit, da wär mirſch ſchonn lieber, ſe trügen<lb/> mich naus, ſtats das ich uf meine alten Tage noch<lb/> naus laufen müßte. Das bißl ſterben da! Mei Vater<lb/> ſtarb o gerne genug. — Ock ganz um de Letzte, da<lb/> wolld’n a wing Angſt wern. Wie ich aber zu’n eis<lb/> Bette kroch, da wurd a ooch wieder ſtille. — Wenn<lb/> ma’s a ſo bedenkt: Dazemal war ich a Jungl von<lb/> dreizehn Jahrn. Müde war ich, und da ſchlief ich<lb/> halt ein, bei dam kranken Manne, — ich verſtand’s<lb/> doch nich beſſer — und da ich halt aufwachte war a<lb/> ſchonn kalt.</p> </sp><lb/> <sp who="#MUTBAUM"> <speaker> <hi rendition="#g">Mutter Baumert</hi> </speaker> <stage>(nach einer Pauſe).</stage> <p>Greif amal<lb/> in’s Röhr, Bertha, und reich Anſorgen de Suppe.</p> </sp><lb/> <sp who="#BER"> <speaker><hi rendition="#g">Bertha</hi>.</speaker> <p>Dahier eßt, Vater Anſorge!</p> </sp><lb/> <sp who="#ANSO"> <speaker> <hi rendition="#g">Anſorge</hi> </speaker> <stage>(unter Thränen eſſend).</stage> <p>Nu nee, nee — —<lb/> nu jaja!</p> </sp><lb/> <sp who="#BAUM"> <speaker> <hi rendition="#g">Der alte Baumert</hi> </speaker> <stage>(hat angefangen das Fleiſch aus der<lb/> Pfanne zu eſſen).</stage> </sp><lb/> <sp who="#MUTBAUM"> <speaker><hi rendition="#g">Mutter Baumert</hi>.</speaker> <p>Nu Vater, Vater, du<lb/> wirſcht dich doch gedulden kenn’n. Laß ock Berthan<lb/> vor richtich vorſchirrn.</p> </sp><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [37/0050]
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Häusl da wegnehmen? ’Sis halt a Pauer, der
will ſei Geld habn. Nu weeß ich gar nich, was de noch
werdn ſoll? — Wenn ich halt und ich muß aus
dem Häusl nausgehn. … (Durch Thränen hervor würgend.)
Hier bin ich gebor’n, hier hat mei Vater am Web-
ſtuhle geſeſſen, mehr wie virzig Jahr. Wie oft hat
a zu Muttern geſagt: Mutter, wenn’s mit mir amal
a Ende nimmt, das Häusl halt feſte. Das Häusl
hab ich errobert meent a iber’ſche. Hie is jeder
Nagl an durchwachte Nacht, a jeder Balken a Jahr
trocken Brot. Da mißt ma doch denken …
Jäger. Die nehmen een’s Letzte, die ſein’s cumpabel.
Anſorge. Nu, ja, ja! — nu, nee, nee! kommt’s
aber a ſo weit, da wär mirſch ſchonn lieber, ſe trügen
mich naus, ſtats das ich uf meine alten Tage noch
naus laufen müßte. Das bißl ſterben da! Mei Vater
ſtarb o gerne genug. — Ock ganz um de Letzte, da
wolld’n a wing Angſt wern. Wie ich aber zu’n eis
Bette kroch, da wurd a ooch wieder ſtille. — Wenn
ma’s a ſo bedenkt: Dazemal war ich a Jungl von
dreizehn Jahrn. Müde war ich, und da ſchlief ich
halt ein, bei dam kranken Manne, — ich verſtand’s
doch nich beſſer — und da ich halt aufwachte war a
ſchonn kalt.
Mutter Baumert (nach einer Pauſe). Greif amal
in’s Röhr, Bertha, und reich Anſorgen de Suppe.
Bertha. Dahier eßt, Vater Anſorge!
Anſorge (unter Thränen eſſend). Nu nee, nee — —
nu jaja!
Der alte Baumert (hat angefangen das Fleiſch aus der
Pfanne zu eſſen).
Mutter Baumert. Nu Vater, Vater, du
wirſcht dich doch gedulden kenn’n. Laß ock Berthan
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Zitationshilfe: | Hauptmann, Gerhart: Die Weber. Berlin, 1892, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hauptmann_weber_1892/50>, abgerufen am 16.02.2025. |