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Hauptmann, Gerhart: Die Weber. Berlin, 1892.

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Jäger. Ma sollts wirklich hoffen.
Ansorge. Mir kenn d'r nich leben und nich sterben
hier oben. Uns geht's loda böse, kanst's globen. Eener
wehrt sich bis uf's Blutt. Zuletzt muß man sich
drein geb'n. De Noth frißt een 's Dach iberm
Koppe und a Boden unter a Fissen. Friher, da man
noch am Stuhle arbeiten konnte, da hat man sich halb-
wegens mit Kummer und Noth doch kunnt a so durch-
schlagn. Heute kann ich m'r schon'n iber Jahr und
Tag kee Stickl Arbeit mehr erobern. Mit der Korb-
flechterei is och ock, das man sei bißl Leben a so
hinfristen tutt. Jch flechte bis in de Nacht nein,
und wenn ich in's Bette falle, da hab ich an Beemen und
sechs Fenniche derschindt. Du hast doch Bildung, nu
da sag amal selber. Kann da woll a Auskommen
sein bei der Theurung. Drei Thaler muß ich hin-
schmeißen uf Haussteuer, een'n Thaler uf Grund-
abgaben. Drei Thaler uf Hauszinse, virzehn Thaler
kann ich Verdienst rechen, bleibn fer mich sieben Thaler
uf's ganze Jahr. Da dervon soll ma sich nu
bekochen, beheizen, bekleiden, beschuhn, ma soll sich
bestricken und beflicken, a Quartier muß ma habn und
was da noch alles kommt. -- Js' s da a Wunder, wenn
man de Zinse ni zahln kann.
Der alte Baumert. 'S mißt amal eener
hingehn nach Berlin, und mißt's 'n Keeniche vorstelln,
wie's uns a so geht.
Jäger. Och nich a so viel nutzt das, Vater Baumert.
'S sein er schonn genug in a Zeitungen druf zu
sprechen gekommen. Aber die Reichen, die drehn und die
wenden an Sache a so ... die iberteifeln a besten
Christen.
Der alte Baumert (kopfschüttelnd.) Das se in Berlin
den Pli nich habn!
Ansorge. Sag Du amal, Moritz, kann das woll
meglich sein? Js da gar kee Gesetze d'rfor? Wenn een's
Jäger. Ma ſollts wirklich hoffen.
Anſorge. Mir kenn d’r nich leben und nich ſterben
hier oben. Uns geht’s loda böſe, kanſt’s globen. Eener
wehrt ſich bis uf’s Blutt. Zuletzt muß man ſich
drein geb’n. De Noth frißt een ’s Dach iberm
Koppe und a Boden unter a Fiſſen. Friher, da man
noch am Stuhle arbeiten konnte, da hat man ſich halb-
wegens mit Kummer und Noth doch kunnt a ſo durch-
ſchlagn. Heute kann ich m’r ſchon’n iber Jahr und
Tag kee Stickl Arbeit mehr erobern. Mit der Korb-
flechterei is och ock, das man ſei bißl Leben a ſo
hinfriſten tutt. Jch flechte bis in de Nacht nein,
und wenn ich in’s Bette falle, da hab ich an Beemen und
ſechs Fenniche derſchindt. Du haſt doch Bildung, nu
da ſag amal ſelber. Kann da woll a Auskommen
ſein bei der Theurung. Drei Thaler muß ich hin-
ſchmeißen uf Hausſteuer, een’n Thaler uf Grund-
abgaben. Drei Thaler uf Hauszinſe, virzehn Thaler
kann ich Verdienſt rechen, bleibn fer mich ſieben Thaler
uf’s ganze Jahr. Da dervon ſoll ma ſich nu
bekochen, beheizen, bekleiden, beſchuhn, ma ſoll ſich
beſtricken und beflicken, a Quartier muß ma habn und
was da noch alles kommt. — Js’ s da a Wunder, wenn
man de Zinſe ni zahln kann.
Der alte Baumert. ’S mißt amal eener
hingehn nach Berlin, und mißt’s ’n Keeniche vorſtelln,
wie’s uns a ſo geht.
Jäger. Och nich a ſo viel nutzt das, Vater Baumert.
’S ſein er ſchonn genug in a Zeitungen druf zu
ſprechen gekommen. Aber die Reichen, die drehn und die
wenden an Sache a ſo … die iberteifeln a beſten
Chriſten.
Der alte Baumert (kopfſchüttelnd.) Das ſe in Berlin
den Pli nich habn!
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meglich ſein? Js da gar kee Geſetze d’rfor? Wenn een’s
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[36/0049] Jäger. Ma ſollts wirklich hoffen. Anſorge. Mir kenn d’r nich leben und nich ſterben hier oben. Uns geht’s loda böſe, kanſt’s globen. Eener wehrt ſich bis uf’s Blutt. Zuletzt muß man ſich drein geb’n. De Noth frißt een ’s Dach iberm Koppe und a Boden unter a Fiſſen. Friher, da man noch am Stuhle arbeiten konnte, da hat man ſich halb- wegens mit Kummer und Noth doch kunnt a ſo durch- ſchlagn. Heute kann ich m’r ſchon’n iber Jahr und Tag kee Stickl Arbeit mehr erobern. Mit der Korb- flechterei is och ock, das man ſei bißl Leben a ſo hinfriſten tutt. Jch flechte bis in de Nacht nein, und wenn ich in’s Bette falle, da hab ich an Beemen und ſechs Fenniche derſchindt. Du haſt doch Bildung, nu da ſag amal ſelber. Kann da woll a Auskommen ſein bei der Theurung. Drei Thaler muß ich hin- ſchmeißen uf Hausſteuer, een’n Thaler uf Grund- abgaben. Drei Thaler uf Hauszinſe, virzehn Thaler kann ich Verdienſt rechen, bleibn fer mich ſieben Thaler uf’s ganze Jahr. Da dervon ſoll ma ſich nu bekochen, beheizen, bekleiden, beſchuhn, ma ſoll ſich beſtricken und beflicken, a Quartier muß ma habn und was da noch alles kommt. — Js’ s da a Wunder, wenn man de Zinſe ni zahln kann. Der alte Baumert. ’S mißt amal eener hingehn nach Berlin, und mißt’s ’n Keeniche vorſtelln, wie’s uns a ſo geht. Jäger. Och nich a ſo viel nutzt das, Vater Baumert. ’S ſein er ſchonn genug in a Zeitungen druf zu ſprechen gekommen. Aber die Reichen, die drehn und die wenden an Sache a ſo … die iberteifeln a beſten Chriſten. Der alte Baumert (kopfſchüttelnd.) Das ſe in Berlin den Pli nich habn! Anſorge. Sag Du amal, Moritz, kann das woll meglich ſein? Js da gar kee Geſetze d’rfor? Wenn een’s

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Zitationshilfe: Hauptmann, Gerhart: Die Weber. Berlin, 1892, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hauptmann_weber_1892/49>, abgerufen am 29.03.2024.