Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hauptmann, Gerhart: Die Weber. Berlin, 1892.

Bild:
<< vorherige Seite
Luise (bazich). Und habn mer kee Schwarzmehl,
da machen mer'sch wie Wenglersch unten, da sehn m'r
dernach, wo d'r Schinder a verreckt' Ferd hat ver-
scharrt das graben m'r aus, und da leben mer a mal
a par Wochen von Luder --: a so mach mer'sch! nich wahr?
Gottlieb (aus dem Hinterzimmer). Was Geier hast
Du fer a Geschwatze!?
Der alte Hilse. Du solltst Dich mehr vorsehn
mit gottlosen Reden!
(Er begiebt sich an den Webstuhl, ruft). Wolltst
m'r ni helfen, Gottlieb -- 's sein ock a par Fädel
z'um durchziehn.
Luise (vom Waschfaß aus). Gotlieb, sollst Vatern
zureechen.

(Gottlieb kommt. Der Alte und sein Sohn beginnen nun die mühsame Arbeit des
"Kammstechen": Fäden der Werfte werden durch die Augen der Kämme oder Schäfte
am Webstuhl gezogen. Kaum haben sie begonnen, so erscheint im "Hause" Hornig.
Hornig (in der Stubenthür). Viel Glick zum Handwerk!
Der alte Hilse und Sohn. Scheen Dank,
Hornig! Nu sag amal, wenn schläfst Du d'n eegntlich?
Bei Tage gehst uf a Handel, in dr Nacht stehst de uf
Wache.
Hornig. Jch hab doch garken'n Schlafnimehr!...?
Luise. Willkommen, Hornig!
Der alte Hilse. Na was bringst Du Gudes?
Hornig. Scheene Neuigkeeten, Meester. De
Peterschwalder habn amal 'n Teiwel riskirt und haben
a Fabrikant Dreißiger mit samst der ganzen Familie
zum Loche naus gejagt.
Anna (mit Spuren von Erregung). Hornig lügt wieder
amal in a hellen Morgen nein.
Hornich. Dasmal nich junge Frau! dasmal nich.
-- Scheene Kinderschirzl' hätt' ich im Wagen. Nee
nee ich sag reene Warheet. Se haben 'n heilig fort-
gejagt. Gestern Abend is a nach Reechenbach kommen.
Na Gott zu Dir! Da han's'n doch ni erscht amal
wolln behaltn, -- aus Furcht vor a Webern, -- da
hat a doch plutze wieder fortgemußt uf Schweinitz nein --
Die Weber. 7
Luiſe (bazich). Und habn mer kee Schwarzmehl,
da machen mer’ſch wie Wenglerſch unten, da ſehn m’r
dernach, wo d’r Schinder a verreckt’ Ferd hat ver-
ſcharrt das graben m’r aus, und da leben mer a mal
a par Wochen von Luder —: a ſo mach mer’ſch! nich wahr?
Gottlieb (aus dem Hinterzimmer). Was Geier haſt
Du fer a Geſchwatze!?
Der alte Hilſe. Du ſolltſt Dich mehr vorſehn
mit gottloſen Reden!
(Er begiebt ſich an den Webſtuhl, ruft). Wolltſt
m’r ni helfen, Gottlieb — ’s ſein ock a par Fädel
z’um durchziehn.
Luiſe (vom Waſchfaß aus). Gotlieb, ſollſt Vatern
zureechen.

(Gottlieb kommt. Der Alte und ſein Sohn beginnen nun die mühſame Arbeit des
„Kammſtechen“: Fäden der Werfte werden durch die Augen der Kämme oder Schäfte
am Webſtuhl gezogen. Kaum haben ſie begonnen, ſo erſcheint im „Hauſe“ Hornig.
Hornig (in der Stubenthür). Viel Glick zum Handwerk!
Der alte Hilſe und Sohn. Scheen Dank,
Hornig! Nu ſag amal, wenn ſchläfſt Du d’n eegntlich?
Bei Tage gehſt uf a Handel, in dr Nacht ſtehſt de uf
Wache.
Hornig. Jch hab doch garken’n Schlafnimehr!…?
Luiſe. Willkommen, Hornig!
Der alte Hilſe. Na was bringſt Du Gudes?
Hornig. Scheene Neuigkeeten, Meeſter. De
Peterſchwalder habn amal ’n Teiwel riskirt und haben
a Fabrikant Dreißiger mit ſamſt der ganzen Familie
zum Loche naus gejagt.
Anna (mit Spuren von Erregung). Hornig lügt wieder
amal in a hellen Morgen nein.
Hornich. Dasmal nich junge Frau! dasmal nich.
— Scheene Kinderſchirzl’ hätt’ ich im Wagen. Nee
nee ich ſag reene Warheet. Se haben ’n heilig fort-
gejagt. Geſtern Abend is a nach Reechenbach kommen.
Na Gott zu Dir! Da han’ſ’n doch ni erſcht amal
wolln behaltn, — aus Furcht vor a Webern, — da
hat a doch plutze wieder fortgemußt uf Schweinitz nein —
Die Weber. 7
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0110" n="97"/>
        <sp who="#LUI">
          <speaker> <hi rendition="#g">Lui&#x017F;e</hi> </speaker>
          <stage>(bazich).</stage>
          <p>Und habn mer kee Schwarzmehl,<lb/>
da machen mer&#x2019;&#x017F;ch wie Wengler&#x017F;ch unten, da &#x017F;ehn m&#x2019;r<lb/>
dernach, wo d&#x2019;r Schinder a verreckt&#x2019; Ferd hat ver-<lb/>
&#x017F;charrt das graben m&#x2019;r aus, und da leben mer a mal<lb/>
a par Wochen von Luder &#x2014;: a &#x017F;o mach mer&#x2019;&#x017F;ch! nich wahr?</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#GOT">
          <speaker> <hi rendition="#g">Gottlieb</hi> </speaker>
          <stage>(aus dem Hinterzimmer).</stage>
          <p>Was Geier ha&#x017F;t<lb/>
Du fer a Ge&#x017F;chwatze!?</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#HISE">
          <speaker><hi rendition="#g">Der alte Hil&#x017F;e</hi>.</speaker>
          <p>Du &#x017F;ollt&#x017F;t Dich mehr vor&#x017F;ehn<lb/>
mit gottlo&#x017F;en Reden!</p>
          <stage>(Er begiebt &#x017F;ich an den Web&#x017F;tuhl, ruft).</stage>
          <p>Wollt&#x017F;t<lb/>
m&#x2019;r ni helfen, Gottlieb &#x2014; &#x2019;s &#x017F;ein ock a par Fädel<lb/>
z&#x2019;um durchziehn.</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#LUI">
          <speaker> <hi rendition="#g">Lui&#x017F;e</hi> </speaker>
          <stage>(vom Wa&#x017F;chfaß aus).</stage>
          <p>Gotlieb, &#x017F;oll&#x017F;t Vatern<lb/>
zureechen.</p><lb/>
          <stage>(Gottlieb kommt. Der Alte und &#x017F;ein Sohn beginnen nun die müh&#x017F;ame Arbeit des<lb/>
&#x201E;Kamm&#x017F;techen&#x201C;: Fäden der Werfte werden durch die Augen der Kämme oder Schäfte<lb/>
am Web&#x017F;tuhl gezogen. Kaum haben &#x017F;ie begonnen, &#x017F;o er&#x017F;cheint im &#x201E;Hau&#x017F;e&#x201C; Hornig.</stage>
        </sp><lb/>
        <sp who="#HOR">
          <speaker> <hi rendition="#g">Hornig</hi> </speaker>
          <stage>(in der Stubenthür).</stage>
          <p>Viel Glick zum Handwerk!</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#HISESOHN">
          <speaker><hi rendition="#g">Der alte Hil&#x017F;e und Sohn</hi>.</speaker>
          <p>Scheen Dank,<lb/>
Hornig! Nu &#x017F;ag amal, wenn &#x017F;chläf&#x017F;t Du d&#x2019;n eegntlich?<lb/>
Bei Tage geh&#x017F;t uf a Handel, in dr Nacht &#x017F;teh&#x017F;t de uf<lb/>
Wache.</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#HOR">
          <speaker><hi rendition="#g">Hornig</hi>.</speaker>
          <p>Jch hab doch garken&#x2019;n Schlafnimehr!&#x2026;?</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#LUI">
          <speaker><hi rendition="#g">Lui&#x017F;e</hi>.</speaker>
          <p>Willkommen, Hornig!</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#HISE">
          <speaker><hi rendition="#g">Der alte Hil&#x017F;e</hi>.</speaker>
          <p>Na was bring&#x017F;t Du Gudes?</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#HOR">
          <speaker><hi rendition="#g">Hornig</hi>.</speaker>
          <p>Scheene Neuigkeeten, Mee&#x017F;ter. De<lb/>
Peter&#x017F;chwalder habn amal &#x2019;n Teiwel riskirt und haben<lb/>
a Fabrikant Dreißiger mit &#x017F;am&#x017F;t der ganzen Familie<lb/>
zum Loche naus gejagt.</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#ANN">
          <speaker> <hi rendition="#g">Anna</hi> </speaker>
          <stage>(mit Spuren von Erregung).</stage>
          <p>Hornig lügt wieder<lb/>
amal in a hellen Morgen nein.</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#HOR">
          <speaker><hi rendition="#g">Hornich</hi>.</speaker>
          <p>Dasmal nich junge Frau! dasmal nich.<lb/>
&#x2014; Scheene Kinder&#x017F;chirzl&#x2019; hätt&#x2019; ich im Wagen. Nee<lb/>
nee ich &#x017F;ag reene Warheet. Se haben &#x2019;n heilig fort-<lb/>
gejagt. Ge&#x017F;tern Abend is a nach Reechenbach kommen.<lb/>
Na Gott zu Dir! Da han&#x2019;&#x017F;&#x2019;n doch ni er&#x017F;cht amal<lb/>
wolln behaltn, &#x2014; aus Furcht vor a Webern, &#x2014; da<lb/>
hat a doch plutze wieder fortgemußt uf Schweinitz nein &#x2014;</p>
        </sp><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig">Die Weber. 7</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[97/0110] Luiſe (bazich). Und habn mer kee Schwarzmehl, da machen mer’ſch wie Wenglerſch unten, da ſehn m’r dernach, wo d’r Schinder a verreckt’ Ferd hat ver- ſcharrt das graben m’r aus, und da leben mer a mal a par Wochen von Luder —: a ſo mach mer’ſch! nich wahr? Gottlieb (aus dem Hinterzimmer). Was Geier haſt Du fer a Geſchwatze!? Der alte Hilſe. Du ſolltſt Dich mehr vorſehn mit gottloſen Reden! (Er begiebt ſich an den Webſtuhl, ruft). Wolltſt m’r ni helfen, Gottlieb — ’s ſein ock a par Fädel z’um durchziehn. Luiſe (vom Waſchfaß aus). Gotlieb, ſollſt Vatern zureechen. (Gottlieb kommt. Der Alte und ſein Sohn beginnen nun die mühſame Arbeit des „Kammſtechen“: Fäden der Werfte werden durch die Augen der Kämme oder Schäfte am Webſtuhl gezogen. Kaum haben ſie begonnen, ſo erſcheint im „Hauſe“ Hornig. Hornig (in der Stubenthür). Viel Glick zum Handwerk! Der alte Hilſe und Sohn. Scheen Dank, Hornig! Nu ſag amal, wenn ſchläfſt Du d’n eegntlich? Bei Tage gehſt uf a Handel, in dr Nacht ſtehſt de uf Wache. Hornig. Jch hab doch garken’n Schlafnimehr!…? Luiſe. Willkommen, Hornig! Der alte Hilſe. Na was bringſt Du Gudes? Hornig. Scheene Neuigkeeten, Meeſter. De Peterſchwalder habn amal ’n Teiwel riskirt und haben a Fabrikant Dreißiger mit ſamſt der ganzen Familie zum Loche naus gejagt. Anna (mit Spuren von Erregung). Hornig lügt wieder amal in a hellen Morgen nein. Hornich. Dasmal nich junge Frau! dasmal nich. — Scheene Kinderſchirzl’ hätt’ ich im Wagen. Nee nee ich ſag reene Warheet. Se haben ’n heilig fort- gejagt. Geſtern Abend is a nach Reechenbach kommen. Na Gott zu Dir! Da han’ſ’n doch ni erſcht amal wolln behaltn, — aus Furcht vor a Webern, — da hat a doch plutze wieder fortgemußt uf Schweinitz nein — Die Weber. 7

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Die Weber sind zu Beginn auf schlesisch erschiene… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hauptmann_weber_1892
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hauptmann_weber_1892/110
Zitationshilfe: Hauptmann, Gerhart: Die Weber. Berlin, 1892, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hauptmann_weber_1892/110>, abgerufen am 02.05.2024.