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Hauptmann, Gerhart: Die Weber. Berlin, 1892.

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beese sindhafte Menschenkinder, ni wert, daß dei Fuß uns
zertritt, a so sindhaftich und ganz verderbt sein mir.
Aber Du lieber Vater willst uns ansehn und annehmen
um Deines teuren Sohnes unsers Herrn und Heilands
Jesus Christus willen. "Jesu Blut und Gerechtig-
keit, das is mein Schmuck und Ehrenkleid." Und
wenn auch mir, und mer wern manchmal kleenmütich
under Deiner Zuchtrute -- wenn, und der Owen
d'r Läutrung und brennt gar zu rasnich heiß -- da
rech's uns ni zu hoch an, vergieb uns unsre Schuld.
Gieb uns Geduld, himmlischer Vater, daß mir nach
diesem Leeden und wern theilhaftig Deiner ewigen
Selichkeet, amen.
Mutter Hilse (welche vorgebeugt mit Anstrengung gelauscht hat,
weinend).
Nee, Vaterle, Du machst a zu a scheenes
Gebete machst Du immer.

(Luise begiebt sich an's Waschfaß, Gottlieb in's gegenüberliegende Zimmer.)
Der alte Hilse. Wo is denn's Madel?
Luise. Niber nach Peterschwalde -- zu
Dreißichern. Se hat wieder a par Strähne verspult
nächt'n Abend.
Der alte Hilse (sehr laut sprechend). Na, Mutter,
nu wär ich D'r'sch Rädla bringen.
Mutter Hilse. Nu brings, brings, Aaler.
Der alte Hilse (das Spulrad vor sie hinstellend). Sieh
ock, ich wollt D'r'sch ja zu gerne abnehmen...
Mutter Hilse. Nee .. nee .. was thät ock ich
anfangen mit der vielen Zeit!?
Der alte Hilse. Jch wer D'r de Finger a
bissel abwischen, das nich ernt's Garn und wird fettig
-- herscht de
(Er wischt ihr mit einem Lappen die Hände ab.)
Luise (vom Waschfaß). Wo hätt' mir ock Fettes gegessen!?
Der alte Hilse. Hab'n mer kee Fett, ess' mir'sch
Brot trocken -- hab'n mer kee Brot, ess mer Kartoffeln
-- hab'n mer keene Kartoffeln ooch nich, da ess mer
rockne Kleie.
beeſe ſindhafte Menſchenkinder, ni wert, daß dei Fuß uns
zertritt, a ſo ſindhaftich und ganz verderbt ſein mir.
Aber Du lieber Vater willſt uns anſehn und annehmen
um Deines teuren Sohnes unſers Herrn und Heilands
Jeſus Chriſtus willen. „Jeſu Blut und Gerechtig-
keit, das is mein Schmuck und Ehrenkleid.“ Und
wenn auch mir, und mer wern manchmal kleenmütich
under Deiner Zuchtrute — wenn, und der Owen
d’r Läutrung und brennt gar zu rasnich heiß — da
rech’s uns ni zu hoch an, vergieb uns unſre Schuld.
Gieb uns Geduld, himmliſcher Vater, daß mir nach
dieſem Leeden und wern theilhaftig Deiner ewigen
Selichkeet, amen.
Mutter Hilſe (welche vorgebeugt mit Anſtrengung gelauſcht hat,
weinend).
Nee, Vaterle, Du machſt a zu a ſcheenes
Gebete machſt Du immer.

(Luiſe begiebt ſich an’s Waſchfaß, Gottlieb in’s gegenüberliegende Zimmer.)
Der alte Hilſe. Wo is denn’s Madel?
Luiſe. Niber nach Peterſchwalde — zu
Dreißichern. Se hat wieder a par Strähne verſpult
nächt’n Abend.
Der alte Hilſe (ſehr laut ſprechend). Na, Mutter,
nu wär ich D’r’ſch Rädla bringen.
Mutter Hilſe. Nu brings, brings, Aaler.
Der alte Hilſe (das Spulrad vor ſie hinſtellend). Sieh
ock, ich wollt D’r’ſch ja zu gerne abnehmen…
Mutter Hilſe. Nee .. nee .. was thät ock ich
anfangen mit der vielen Zeit!?
Der alte Hilſe. Jch wer D’r de Finger a
biſſel abwiſchen, das nich ernt’s Garn und wird fettig
— herſcht de
(Er wiſcht ihr mit einem Lappen die Hände ab.)
Luiſe (vom Waſchfaß). Wo hätt’ mir ock Fettes gegeſſen!?
Der alte Hilſe. Hab’n mer kee Fett, eſſ’ mir’ſch
Brot trocken — hab’n mer kee Brot, eſſ mer Kartoffeln
— hab’n mer keene Kartoffeln ooch nich, da eſſ mer
rockne Kleie.
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Zitationshilfe: Hauptmann, Gerhart: Die Weber. Berlin, 1892, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hauptmann_weber_1892/109>, abgerufen am 02.05.2024.