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Hauptmann, Gerhart: Vor Sonnenaufgang. Berlin, 1889.

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lieber nicht reden...ich wollte nur sagen: die Frau ist
doch im Allgemeinen an's Entsagen gewöhnt.
Loth. Um's Himmels willen! Sie verstehen mich
durchaus falsch. So ist das Entsagen nicht gemeint.
Nur in sofern verlange ich Entsagung, oder besser, nur
auf den Theil meines Wesens, der meiner Lebensaufgabe
gehört, müßte sie freiwillig und mit Freuden verzichten.
Nein, nein! im Uebrigen soll meine Frau fordern, und
immer fordern -- Alles was ihr Geschlecht im Laufe
der Jahrtausende eingebüßt hat.
Hoffmann. Au! au! au!...Frauenemancipation!
-- wirklich Deine Schwenkung war bewunderungswürdig
-- nun bist Du ja im rechten Fahrwasser. Fritz Loth,
oder der Agitator in der Westentasche!.........
Wie würdest Du denn hierin Deine Forderungen
formuliren, oder besser: wie weit müßte Deine Frau
emancipirt sein? -- Es amüsirt mich wirklich Dich an-
zuhören -- Cigarren rauchen? Hosen tragen?
Loth. Das nun weniger -- aber -- sie müßte
allerdings, über gewisse gesellschaftliche Vorurtheile hinaus
sein. Sie müßte zum Beispiel nicht davor zurückschrecken
zuerst -- falls sie nämlich wirklich Liebe zu mir empfände
-- das bewußte Bekenntniß abzulegen.
Hoffmann (ist mit frühstücken zu Ende. Springt auf, in halb
ernster, halb komischer Entrüstung).
Weißt Du! das...das ist
...eine geradezu unverschämte Forderung! mit der
Du allerdings auch -- wie ich Dir hiermit prophezeihe
-- wenn Du nicht etwa vorziehst, sie fallen zu lassen,
bis an Dein Lebensende herumlaufen wirst.
Helene (mit schwer bewältigter, innerer Erregung). Ich bitte
die Herren mich jetzt zu entschuldigen -- die Wirth-
schaft...Du weißt, Schwager: Mama ist in der
Stube und da...
Hoffmann. Laß Dich nicht abhalten.
(Helene verbeugt sich; ab.)
Hoffmann (mit dem Streichholzetui nach dem Cigarrenkistchen,
das auf dem Buffet steht, zuschreitend).
Das muß wahr sein...
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lieber nicht reden...ich wollte nur ſagen: die Frau iſt
doch im Allgemeinen an's Entſagen gewöhnt.
Loth. Um's Himmels willen! Sie verſtehen mich
durchaus falſch. So iſt das Entſagen nicht gemeint.
Nur in ſofern verlange ich Entſagung, oder beſſer, nur
auf den Theil meines Weſens, der meiner Lebensaufgabe
gehört, müßte ſie freiwillig und mit Freuden verzichten.
Nein, nein! im Uebrigen ſoll meine Frau fordern, und
immer fordern — Alles was ihr Geſchlecht im Laufe
der Jahrtauſende eingebüßt hat.
Hoffmann. Au! au! au!...Frauenemancipation!
— wirklich Deine Schwenkung war bewunderungswürdig
— nun biſt Du ja im rechten Fahrwaſſer. Fritz Loth,
oder der Agitator in der Weſtentaſche!.........
Wie würdeſt Du denn hierin Deine Forderungen
formuliren, oder beſſer: wie weit müßte Deine Frau
emancipirt ſein? — Es amüſirt mich wirklich Dich an-
zuhören — Cigarren rauchen? Hoſen tragen?
Loth. Das nun weniger — aber — ſie müßte
allerdings, über gewiſſe geſellſchaftliche Vorurtheile hinaus
ſein. Sie müßte zum Beiſpiel nicht davor zurückſchrecken
zuerſt — falls ſie nämlich wirklich Liebe zu mir empfände
— das bewußte Bekenntniß abzulegen.
Hoffmann (iſt mit frühſtücken zu Ende. Springt auf, in halb
ernſter, halb komiſcher Entrüſtung).
Weißt Du! das...das iſt
...eine geradezu unverſchämte Forderung! mit der
Du allerdings auch — wie ich Dir hiermit prophezeihe
— wenn Du nicht etwa vorziehſt, ſie fallen zu laſſen,
bis an Dein Lebensende herumlaufen wirſt.
Helene (mit ſchwer bewältigter, innerer Erregung). Ich bitte
die Herren mich jetzt zu entſchuldigen — die Wirth-
ſchaft...Du weißt, Schwager: Mama iſt in der
Stube und da...
Hoffmann. Laß Dich nicht abhalten.
(Helene verbeugt ſich; ab.)
Hoffmann (mit dem Streichholzetui nach dem Cigarrenkiſtchen,
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[65/0071] lieber nicht reden...ich wollte nur ſagen: die Frau iſt doch im Allgemeinen an's Entſagen gewöhnt. Loth. Um's Himmels willen! Sie verſtehen mich durchaus falſch. So iſt das Entſagen nicht gemeint. Nur in ſofern verlange ich Entſagung, oder beſſer, nur auf den Theil meines Weſens, der meiner Lebensaufgabe gehört, müßte ſie freiwillig und mit Freuden verzichten. Nein, nein! im Uebrigen ſoll meine Frau fordern, und immer fordern — Alles was ihr Geſchlecht im Laufe der Jahrtauſende eingebüßt hat. Hoffmann. Au! au! au!...Frauenemancipation! — wirklich Deine Schwenkung war bewunderungswürdig — nun biſt Du ja im rechten Fahrwaſſer. Fritz Loth, oder der Agitator in der Weſtentaſche!......... Wie würdeſt Du denn hierin Deine Forderungen formuliren, oder beſſer: wie weit müßte Deine Frau emancipirt ſein? — Es amüſirt mich wirklich Dich an- zuhören — Cigarren rauchen? Hoſen tragen? Loth. Das nun weniger — aber — ſie müßte allerdings, über gewiſſe geſellſchaftliche Vorurtheile hinaus ſein. Sie müßte zum Beiſpiel nicht davor zurückſchrecken zuerſt — falls ſie nämlich wirklich Liebe zu mir empfände — das bewußte Bekenntniß abzulegen. Hoffmann (iſt mit frühſtücken zu Ende. Springt auf, in halb ernſter, halb komiſcher Entrüſtung). Weißt Du! das...das iſt ...eine geradezu unverſchämte Forderung! mit der Du allerdings auch — wie ich Dir hiermit prophezeihe — wenn Du nicht etwa vorziehſt, ſie fallen zu laſſen, bis an Dein Lebensende herumlaufen wirſt. Helene (mit ſchwer bewältigter, innerer Erregung). Ich bitte die Herren mich jetzt zu entſchuldigen — die Wirth- ſchaft...Du weißt, Schwager: Mama iſt in der Stube und da... Hoffmann. Laß Dich nicht abhalten. (Helene verbeugt ſich; ab.) Hoffmann (mit dem Streichholzetui nach dem Cigarrenkiſtchen, das auf dem Buffet ſteht, zuſchreitend). Das muß wahr ſein... 5

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Zitationshilfe: Hauptmann, Gerhart: Vor Sonnenaufgang. Berlin, 1889, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hauptmann_sonnenaufgang_1889/71>, abgerufen am 24.11.2024.