Hauptmann, Gerhart: Vor Sonnenaufgang. Berlin, 1889.
hat für mich so etwas -- Verkehrtes -- etwas lächerlich Verkehrtes. Hoffmann. Ein Schwärmer, der die Gabe hat, nicht nur Weibern, sondern auch vernünftigen Leuten die Köpfe zu verwirren. Helene. Siehst Du: wieder so eine Verkehrtheit! Mir ist es nach den wenigen Worten, die ich mit Herrn Loth geredet habe, so wohlthuend klar im Kopfe.... Hoffmann (im Tone eines Verweises). Was ich Dir sage, ist durchaus nichts Verkehrtes. Helene. Man muß für das Verkehrte einen Sinn haben, und den hast Du eben nicht. Hoffmann (wie vorher). Davon ist jetzt nicht die Rede, ich erkläre Dir nochmals, daß ich Dir nichts Ver- kehrtes sage, sondern etwas, was ich Dich bitten muß, als thatsächlich wahr hinzunehmen........Ich habe es an mir erfahren: er benebelt Einem den Kopf, und dann schwärmt man von Völkerverbrüderung, von Frei- heit und Gleichheit, setzt sich über Sitte und Moral hinweg....wir wären damals um dieser Hirn- gespinste willen -- weiß der Himmel -- über die Leichen unserer Eltern hinweggeschritten, um zum Ziele zu ge- langen. Und er, sage ich Dir, würde erforderlichen Falls noch heute dasselbe thun. Helene. Wie viele Eltern mögen wohl alljährlich über die Leichen ihrer Kinder schreiten, ohne daß Je- mand..... Hoffmann (ihr in die Rede fallend). Das ist Unsinn! da hört Alles auf!.....Ich sage Dir, nimm Dich vor ihm in Acht, in jeder....ich sage ganz ausdrück- lich in jeder Beziehung. -- Von moralischen Skru- peln ist da keine Spur. -- Helene. Ne, wie verkehrt dies nun wieder ist. Glaub mir, Schwager, fängt man erst mal an, d'rauf zu achten.....es ist so schrecklich interessant..... Hoffmann. Sag' doch, was Du willst, gewarnt bist Du nun. Ich will Dir nur noch ganz im Ver-
hat für mich ſo etwas — Verkehrtes — etwas lächerlich Verkehrtes. Hoffmann. Ein Schwärmer, der die Gabe hat, nicht nur Weibern, ſondern auch vernünftigen Leuten die Köpfe zu verwirren. Helene. Siehſt Du: wieder ſo eine Verkehrtheit! Mir iſt es nach den wenigen Worten, die ich mit Herrn Loth geredet habe, ſo wohlthuend klar im Kopfe.... Hoffmann (im Tone eines Verweiſes). Was ich Dir ſage, iſt durchaus nichts Verkehrtes. Helene. Man muß für das Verkehrte einen Sinn haben, und den haſt Du eben nicht. Hoffmann (wie vorher). Davon iſt jetzt nicht die Rede, ich erkläre Dir nochmals, daß ich Dir nichts Ver- kehrtes ſage, ſondern etwas, was ich Dich bitten muß, als thatſächlich wahr hinzunehmen........Ich habe es an mir erfahren: er benebelt Einem den Kopf, und dann ſchwärmt man von Völkerverbrüderung, von Frei- heit und Gleichheit, ſetzt ſich über Sitte und Moral hinweg....wir wären damals um dieſer Hirn- geſpinſte willen — weiß der Himmel — über die Leichen unſerer Eltern hinweggeſchritten, um zum Ziele zu ge- langen. Und er, ſage ich Dir, würde erforderlichen Falls noch heute daſſelbe thun. Helene. Wie viele Eltern mögen wohl alljährlich über die Leichen ihrer Kinder ſchreiten, ohne daß Je- mand..... Hoffmann (ihr in die Rede fallend). Das iſt Unſinn! da hört Alles auf!.....Ich ſage Dir, nimm Dich vor ihm in Acht, in jeder....ich ſage ganz ausdrück- lich in jeder Beziehung. — Von moraliſchen Skru- peln iſt da keine Spur. — Helene. Ne, wie verkehrt dies nun wieder iſt. Glaub mir, Schwager, fängt man erſt mal an, d'rauf zu achten.....es iſt ſo ſchrecklich intereſſant..... Hoffmann. Sag' doch, was Du willſt, gewarnt biſt Du nun. Ich will Dir nur noch ganz im Ver- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <sp who="#HEL"> <p><pb facs="#f0064" n="58"/> hat für mich ſo etwas — Verkehrtes — etwas<lb/> lächerlich Verkehrtes.</p> </sp><lb/> <sp who="#HOF"> <speaker><hi rendition="#g">Hoffmann</hi>.</speaker> <p>Ein Schwärmer, der die Gabe hat,<lb/> nicht nur Weibern, ſondern auch <hi rendition="#g">vernünftigen</hi> Leuten<lb/> die Köpfe zu verwirren.</p> </sp><lb/> <sp who="#HEL"> <speaker><hi rendition="#g">Helene</hi>.</speaker> <p>Siehſt Du: <hi rendition="#g">wieder</hi> ſo eine Verkehrtheit!<lb/> Mir iſt es nach den wenigen Worten, die ich mit Herrn<lb/> Loth geredet habe, ſo wohlthuend klar im Kopfe....</p> </sp><lb/> <sp who="#HOF"> <speaker> <hi rendition="#g">Hoffmann</hi> </speaker> <p><stage>(im Tone eines Verweiſes).</stage> Was ich Dir ſage,<lb/> iſt durchaus nichts Verkehrtes.</p> </sp><lb/> <sp who="#HEL"> <speaker><hi rendition="#g">Helene</hi>.</speaker> <p>Man muß für das Verkehrte einen Sinn<lb/> haben, und den haſt Du eben nicht.</p> </sp><lb/> <sp who="#HOF"> <speaker> <hi rendition="#g">Hoffmann</hi> </speaker> <p><stage>(wie vorher).</stage> Davon iſt jetzt nicht die<lb/> Rede, ich erkläre Dir nochmals, daß ich Dir nichts Ver-<lb/> kehrtes ſage, ſondern etwas, was ich Dich bitten muß,<lb/> als thatſächlich wahr hinzunehmen........Ich habe<lb/> es an mir erfahren: er benebelt Einem den Kopf, und<lb/> dann ſchwärmt man von Völkerverbrüderung, von Frei-<lb/> heit und Gleichheit, ſetzt ſich über Sitte und Moral<lb/> hinweg....wir wären damals um dieſer Hirn-<lb/> geſpinſte willen — weiß der Himmel — über die Leichen<lb/> unſerer Eltern hinweggeſchritten, um zum Ziele zu ge-<lb/> langen. Und er, ſage ich Dir, würde erforderlichen<lb/> Falls noch heute daſſelbe thun.</p> </sp><lb/> <sp who="#HEL"> <speaker><hi rendition="#g">Helene</hi>.</speaker> <p>Wie viele Eltern mögen wohl alljährlich<lb/> über die Leichen ihrer Kinder ſchreiten, ohne daß Je-<lb/> mand.....</p> </sp><lb/> <sp who="#HOF"> <speaker> <hi rendition="#g">Hoffmann</hi> </speaker> <p><stage>(ihr in die Rede fallend).</stage> Das iſt Unſinn! da<lb/> hört <hi rendition="#g">Alles</hi> auf!.....Ich ſage Dir, nimm Dich<lb/> vor ihm in Acht, in jeder....ich ſage ganz ausdrück-<lb/> lich in <hi rendition="#g">jeder</hi> Beziehung. — Von moraliſchen Skru-<lb/> peln iſt da keine Spur. —</p> </sp><lb/> <sp who="#HEL"> <speaker><hi rendition="#g">Helene</hi>.</speaker> <p>Ne, wie verkehrt dies nun wieder iſt.<lb/> Glaub mir, Schwager, fängt man erſt mal an, d'rauf<lb/> zu achten.....es iſt ſo ſchrecklich intereſſant.....</p> </sp><lb/> <sp who="#HOF"> <speaker><hi rendition="#g">Hoffmann</hi>.</speaker> <p>Sag' doch, was Du willſt, gewarnt<lb/> biſt Du nun. Ich will Dir nur noch ganz im Ver-<lb/></p> </sp> </div> </body> </text> </TEI> [58/0064]
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lächerlich Verkehrtes.
Hoffmann. Ein Schwärmer, der die Gabe hat,
nicht nur Weibern, ſondern auch vernünftigen Leuten
die Köpfe zu verwirren.
Helene. Siehſt Du: wieder ſo eine Verkehrtheit!
Mir iſt es nach den wenigen Worten, die ich mit Herrn
Loth geredet habe, ſo wohlthuend klar im Kopfe....
Hoffmann (im Tone eines Verweiſes). Was ich Dir ſage,
iſt durchaus nichts Verkehrtes.
Helene. Man muß für das Verkehrte einen Sinn
haben, und den haſt Du eben nicht.
Hoffmann (wie vorher). Davon iſt jetzt nicht die
Rede, ich erkläre Dir nochmals, daß ich Dir nichts Ver-
kehrtes ſage, ſondern etwas, was ich Dich bitten muß,
als thatſächlich wahr hinzunehmen........Ich habe
es an mir erfahren: er benebelt Einem den Kopf, und
dann ſchwärmt man von Völkerverbrüderung, von Frei-
heit und Gleichheit, ſetzt ſich über Sitte und Moral
hinweg....wir wären damals um dieſer Hirn-
geſpinſte willen — weiß der Himmel — über die Leichen
unſerer Eltern hinweggeſchritten, um zum Ziele zu ge-
langen. Und er, ſage ich Dir, würde erforderlichen
Falls noch heute daſſelbe thun.
Helene. Wie viele Eltern mögen wohl alljährlich
über die Leichen ihrer Kinder ſchreiten, ohne daß Je-
mand.....
Hoffmann (ihr in die Rede fallend). Das iſt Unſinn! da
hört Alles auf!.....Ich ſage Dir, nimm Dich
vor ihm in Acht, in jeder....ich ſage ganz ausdrück-
lich in jeder Beziehung. — Von moraliſchen Skru-
peln iſt da keine Spur. —
Helene. Ne, wie verkehrt dies nun wieder iſt.
Glaub mir, Schwager, fängt man erſt mal an, d'rauf
zu achten.....es iſt ſo ſchrecklich intereſſant.....
Hoffmann. Sag' doch, was Du willſt, gewarnt
biſt Du nun. Ich will Dir nur noch ganz im Ver-
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