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Hauptmann, Gerhart: Vor Sonnenaufgang. Berlin, 1889.

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Loth. Du wirst das gleich können, wenn ich Dir
sage: die Anklageschrift führte aus, ich hätte unseren
Verein Vancover-Island nur zum Zwecke parteilicher
Agitation ins Leben gerufen, dann sollte ich auch Geld
zu Parteizwecken gesammelt haben. Du weißt ja nun,
daß es uns mit unseren colonialen Bestrebungen Ernst
war, und was das Geldsammeln anlangt, so hast Du
ja selbst gesagt, daß wir Alle miteinander leere Hände
hatten. Die Anklage enthält also kein wahres Wort,
und als Mitglied solltest Du das doch....
Hoffmann. Na -- Mitglied war ich doch wohl
eigentlich nicht so recht. -- Uebrigens glaube ich Dir selbst-
redend. -- Die Richter sind halt immer nur Menschen,
muß man nehmen. -- Jedenfalls hättest Du, um praktisch
zu handeln, auch den Schein meiden müssen. Ueber-
haupt: ich habe mich in der Folge manchmal daß ge-
wundert über Dich: Redacteur der Arbeiterkanzel, des
obscursten aller Käseblättchen -- Reichstagscandidat des
süßen Pöbels! Und was hast Du nu davon? -- ver-
steh' mich nicht falsch! Ich bin der Letzte, der es an
Mitleid mit dem armen Volke fehlen läßt, aber wenn
etwas geschieht, dann mag es von Oben herab ge-
schehen! Es muß sogar von Oben herab geschehen,
das Volk weiß nun mal nicht, was ihm noth thut --
das "Von-unten-herauf", siehst Du, das eben nenne ich
das "Mit-dem-Kopf-durch-die-Wand-rennen."
Loth. Ich bin aus dem, was Du eben gesagt
hast, nicht klug geworden.
Hoffmann. Na, ich meine eben: sieh mich an!
ich habe die Hände frei: ich könnte nu schon anfangen,
was für die Ideale zu thun. -- Ich kann wohl sagen,
mein praktisches Programm ist nahezu durchgeführt.
Aber Ihr....immer mit leeren Händen, was wollt
denn Ihr machen?
Loth. Ja, wie man so hört: Du segelst stark
auf Bleichröder zu.
Hoffmann (geschmeichelt). Zu viel Ehre -- vorläufig
Loth. Du wirſt das gleich können, wenn ich Dir
ſage: die Anklageſchrift führte aus, ich hätte unſeren
Verein Vancover-Island nur zum Zwecke parteilicher
Agitation ins Leben gerufen, dann ſollte ich auch Geld
zu Parteizwecken geſammelt haben. Du weißt ja nun,
daß es uns mit unſeren colonialen Beſtrebungen Ernſt
war, und was das Geldſammeln anlangt, ſo haſt Du
ja ſelbſt geſagt, daß wir Alle miteinander leere Hände
hatten. Die Anklage enthält alſo kein wahres Wort,
und als Mitglied ſollteſt Du das doch....
Hoffmann. Na — Mitglied war ich doch wohl
eigentlich nicht ſo recht. — Uebrigens glaube ich Dir ſelbſt-
redend. — Die Richter ſind halt immer nur Menſchen,
muß man nehmen. — Jedenfalls hätteſt Du, um praktiſch
zu handeln, auch den Schein meiden müſſen. Ueber-
haupt: ich habe mich in der Folge manchmal daß ge-
wundert über Dich: Redacteur der Arbeiterkanzel, des
obſcurſten aller Käſeblättchen — Reichstagscandidat des
ſüßen Pöbels! Und was haſt Du nu davon? — ver-
ſteh' mich nicht falſch! Ich bin der Letzte, der es an
Mitleid mit dem armen Volke fehlen läßt, aber wenn
etwas geſchieht, dann mag es von Oben herab ge-
ſchehen! Es muß ſogar von Oben herab geſchehen,
das Volk weiß nun mal nicht, was ihm noth thut —
das „Von-unten-herauf“, ſiehſt Du, das eben nenne ich
das „Mit-dem-Kopf-durch-die-Wand-rennen.“
Loth. Ich bin aus dem, was Du eben geſagt
haſt, nicht klug geworden.
Hoffmann. Na, ich meine eben: ſieh mich an!
ich habe die Hände frei: ich könnte nu ſchon anfangen,
was für die Ideale zu thun. — Ich kann wohl ſagen,
mein praktiſches Programm iſt nahezu durchgeführt.
Aber Ihr....immer mit leeren Händen, was wollt
denn Ihr machen?
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[14/0020] Loth. Du wirſt das gleich können, wenn ich Dir ſage: die Anklageſchrift führte aus, ich hätte unſeren Verein Vancover-Island nur zum Zwecke parteilicher Agitation ins Leben gerufen, dann ſollte ich auch Geld zu Parteizwecken geſammelt haben. Du weißt ja nun, daß es uns mit unſeren colonialen Beſtrebungen Ernſt war, und was das Geldſammeln anlangt, ſo haſt Du ja ſelbſt geſagt, daß wir Alle miteinander leere Hände hatten. Die Anklage enthält alſo kein wahres Wort, und als Mitglied ſollteſt Du das doch.... Hoffmann. Na — Mitglied war ich doch wohl eigentlich nicht ſo recht. — Uebrigens glaube ich Dir ſelbſt- redend. — Die Richter ſind halt immer nur Menſchen, muß man nehmen. — Jedenfalls hätteſt Du, um praktiſch zu handeln, auch den Schein meiden müſſen. Ueber- haupt: ich habe mich in der Folge manchmal daß ge- wundert über Dich: Redacteur der Arbeiterkanzel, des obſcurſten aller Käſeblättchen — Reichstagscandidat des ſüßen Pöbels! Und was haſt Du nu davon? — ver- ſteh' mich nicht falſch! Ich bin der Letzte, der es an Mitleid mit dem armen Volke fehlen läßt, aber wenn etwas geſchieht, dann mag es von Oben herab ge- ſchehen! Es muß ſogar von Oben herab geſchehen, das Volk weiß nun mal nicht, was ihm noth thut — das „Von-unten-herauf“, ſiehſt Du, das eben nenne ich das „Mit-dem-Kopf-durch-die-Wand-rennen.“ Loth. Ich bin aus dem, was Du eben geſagt haſt, nicht klug geworden. Hoffmann. Na, ich meine eben: ſieh mich an! ich habe die Hände frei: ich könnte nu ſchon anfangen, was für die Ideale zu thun. — Ich kann wohl ſagen, mein praktiſches Programm iſt nahezu durchgeführt. Aber Ihr....immer mit leeren Händen, was wollt denn Ihr machen? Loth. Ja, wie man ſo hört: Du ſegelſt ſtark auf Bleichröder zu. Hoffmann (geſchmeichelt). Zu viel Ehre — vorläufig

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Zitationshilfe: Hauptmann, Gerhart: Vor Sonnenaufgang. Berlin, 1889, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hauptmann_sonnenaufgang_1889/20>, abgerufen am 23.11.2024.