Hauptmann, Gerhart: Vor Sonnenaufgang. Berlin, 1889.
den Universitäten, das Saufen, das Pauken. Warum all' der Lärm? Wie Fips zu sagen pflegte: um Hekuba! Um Hekuba drehte es sich bei uns doch wohl nicht; wir hatten die allerhöchsten menschheitlichen Ziele im Auge. Und abgesehen davon, diese naive Zeit hat bei mir gründlich mit Vorurtheilen aufgeräumt, ich bin mit der Scheinreligion und Scheinmoral und mit noch manchem anderen.... Hoffmann. Das kann ich Dir ja auch ohne Weiteres zugeben: Wenn ich jetzt doch immerhin ein vorurtheilsloser, aufgeklärter Mensch bin, dann verdanke ich das, wie ich gar nicht leugne, den Tagen unseres Umgangs. -- Natürlicherweise! -- Ich bin der Letzte, das zu leugnen. -- Ich bin überhaupt in keiner Beziehung Unmensch. Nur muß man nicht mit dem Kopfe durch die Wand rennen wollen. -- Man muß nicht die Uebel, an denen die gegenwärtige Gene- ration, leider Gottes, krankt, durch noch größere ver- drängen wollen; man muß -- Alles ruhig seinen natür- lichen Gang gehen lassen. Was kommen soll, kommt! Praktisch, praktisch muß man verfahren! Erinnere Dich! Ich habe das früher gerade so betont: Und dieser Grundsatz hat sich bezahlt gemacht. -- Das ist es ja eben. Ihr Alle -- Du mit eingerechnet --, Ihr verfahrt höchst unpraktisch. Loth. Erklär' mir eben mal, wie Du das meinst. Hoffmann. Einfach! Ihr nützt Eure Fähig- keiten nicht aus. Zum Beispiel Du: 'n Kerl wie Du, mit Kenntnissen, Energie etc., was hätte Dir nicht offen gestanden! Statt dessen, was machst Du? Com-- pro--mit--tirst Dich von vornherein der --art.... na, Hand aufs Herz! Hast Du das nicht manchmal bereut? Loth. Ich konnte nicht gut bereuen, weil ich ohne Schuld verurtheilt worden bin. Hoffmann. Kann ich ja nicht beurtheilen, weißt Du.
den Univerſitäten, das Saufen, das Pauken. Warum all' der Lärm? Wie Fips zu ſagen pflegte: um Hekuba! Um Hekuba drehte es ſich bei uns doch wohl nicht; wir hatten die allerhöchſten menſchheitlichen Ziele im Auge. Und abgeſehen davon, dieſe naive Zeit hat bei mir gründlich mit Vorurtheilen aufgeräumt, ich bin mit der Scheinreligion und Scheinmoral und mit noch manchem anderen.... Hoffmann. Das kann ich Dir ja auch ohne Weiteres zugeben: Wenn ich jetzt doch immerhin ein vorurtheilsloſer, aufgeklärter Menſch bin, dann verdanke ich das, wie ich gar nicht leugne, den Tagen unſeres Umgangs. — Natürlicherweiſe! — Ich bin der Letzte, das zu leugnen. — Ich bin überhaupt in keiner Beziehung Unmenſch. Nur muß man nicht mit dem Kopfe durch die Wand rennen wollen. — Man muß nicht die Uebel, an denen die gegenwärtige Gene- ration, leider Gottes, krankt, durch noch größere ver- drängen wollen; man muß — Alles ruhig ſeinen natür- lichen Gang gehen laſſen. Was kommen ſoll, kommt! Praktiſch, praktiſch muß man verfahren! Erinnere Dich! Ich habe das früher gerade ſo betont: Und dieſer Grundſatz hat ſich bezahlt gemacht. — Das iſt es ja eben. Ihr Alle — Du mit eingerechnet —, Ihr verfahrt höchſt unpraktiſch. Loth. Erklär' mir eben mal, wie Du das meinſt. Hoffmann. Einfach! Ihr nützt Eure Fähig- keiten nicht aus. Zum Beiſpiel Du: 'n Kerl wie Du, mit Kenntniſſen, Energie etc., was hätte Dir nicht offen geſtanden! Statt deſſen, was machſt Du? Com— pro—mit—tirſt Dich von vornherein der —art.... na, Hand aufs Herz! Haſt Du das nicht manchmal bereut? Loth. Ich konnte nicht gut bereuen, weil ich ohne Schuld verurtheilt worden bin. Hoffmann. Kann ich ja nicht beurtheilen, weißt Du. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <sp who="#LOT"> <p><pb facs="#f0019" n="13"/> den Univerſitäten, das Saufen, das Pauken. Warum<lb/> all' der Lärm? Wie Fips zu ſagen pflegte: um Hekuba!</p><lb/> <p>Um Hekuba drehte es ſich bei uns doch wohl nicht;<lb/> wir hatten die allerhöchſten menſchheitlichen Ziele im<lb/> Auge. Und abgeſehen davon, dieſe naive Zeit hat bei<lb/> mir gründlich mit Vorurtheilen aufgeräumt, ich bin mit<lb/> der Scheinreligion und Scheinmoral und mit noch<lb/> manchem anderen....</p> </sp><lb/> <sp who="#HOF"> <speaker><hi rendition="#g">Hoffmann</hi>.</speaker> <p>Das kann ich Dir ja auch ohne<lb/> Weiteres zugeben: Wenn ich jetzt doch immerhin ein<lb/> vorurtheilsloſer, aufgeklärter Menſch bin, dann verdanke<lb/> ich das, wie ich <hi rendition="#g">gar nicht</hi> leugne, den Tagen<lb/> unſeres Umgangs. — Natürlicherweiſe! — Ich bin<lb/> der Letzte, das zu leugnen. — Ich bin überhaupt in<lb/><hi rendition="#g">keiner</hi> Beziehung Unmenſch. Nur muß man nicht mit<lb/> dem Kopfe durch die Wand rennen wollen. — Man<lb/> muß nicht die Uebel, an denen die gegenwärtige Gene-<lb/> ration, leider Gottes, krankt, durch noch größere ver-<lb/> drängen wollen; man muß — Alles ruhig ſeinen natür-<lb/> lichen Gang gehen laſſen. Was kommen ſoll, kommt!<lb/><hi rendition="#g">Praktiſch</hi>, praktiſch muß man verfahren! Erinnere<lb/> Dich! Ich habe das früher <hi rendition="#g">gerade</hi> ſo betont: Und<lb/> dieſer Grundſatz hat ſich bezahlt gemacht. — Das <hi rendition="#g">iſt</hi><lb/> es ja eben. Ihr Alle — Du mit eingerechnet —, Ihr<lb/> verfahrt höchſt <hi rendition="#g">un</hi>praktiſch.</p> </sp><lb/> <sp who="#LOT"> <speaker><hi rendition="#g">Loth</hi>.</speaker> <p>Erklär' mir eben mal, wie Du das meinſt.</p> </sp><lb/> <sp who="#HOF"> <speaker><hi rendition="#g">Hoffmann</hi>.</speaker> <p><hi rendition="#g">Ein</hi>fach! Ihr nützt Eure Fähig-<lb/> keiten nicht aus. Zum Beiſpiel Du: 'n Kerl wie Du,<lb/> mit Kenntniſſen, Energie etc., was hätte Dir nicht offen<lb/> geſtanden! Statt deſſen, was machſt Du? <hi rendition="#g">Com</hi>—<lb/><hi rendition="#g">pro</hi>—<hi rendition="#g">mit</hi>—<hi rendition="#g">tirſt Dich</hi> von vornherein <hi rendition="#g">der</hi> —art....<lb/> na, Hand aufs Herz! Haſt Du das nicht manchmal<lb/> bereut?</p> </sp><lb/> <sp who="#LOT"> <speaker><hi rendition="#g">Loth</hi>.</speaker> <p>Ich konnte nicht gut bereuen, weil ich ohne<lb/> Schuld verurtheilt worden bin.</p> </sp><lb/> <sp who="#HOF"> <speaker><hi rendition="#g">Hoffmann</hi>.</speaker> <p>Kann ich ja nicht beurtheilen,<lb/> weißt Du.</p> </sp><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [13/0019]
den Univerſitäten, das Saufen, das Pauken. Warum
all' der Lärm? Wie Fips zu ſagen pflegte: um Hekuba!
Um Hekuba drehte es ſich bei uns doch wohl nicht;
wir hatten die allerhöchſten menſchheitlichen Ziele im
Auge. Und abgeſehen davon, dieſe naive Zeit hat bei
mir gründlich mit Vorurtheilen aufgeräumt, ich bin mit
der Scheinreligion und Scheinmoral und mit noch
manchem anderen....
Hoffmann. Das kann ich Dir ja auch ohne
Weiteres zugeben: Wenn ich jetzt doch immerhin ein
vorurtheilsloſer, aufgeklärter Menſch bin, dann verdanke
ich das, wie ich gar nicht leugne, den Tagen
unſeres Umgangs. — Natürlicherweiſe! — Ich bin
der Letzte, das zu leugnen. — Ich bin überhaupt in
keiner Beziehung Unmenſch. Nur muß man nicht mit
dem Kopfe durch die Wand rennen wollen. — Man
muß nicht die Uebel, an denen die gegenwärtige Gene-
ration, leider Gottes, krankt, durch noch größere ver-
drängen wollen; man muß — Alles ruhig ſeinen natür-
lichen Gang gehen laſſen. Was kommen ſoll, kommt!
Praktiſch, praktiſch muß man verfahren! Erinnere
Dich! Ich habe das früher gerade ſo betont: Und
dieſer Grundſatz hat ſich bezahlt gemacht. — Das iſt
es ja eben. Ihr Alle — Du mit eingerechnet —, Ihr
verfahrt höchſt unpraktiſch.
Loth. Erklär' mir eben mal, wie Du das meinſt.
Hoffmann. Einfach! Ihr nützt Eure Fähig-
keiten nicht aus. Zum Beiſpiel Du: 'n Kerl wie Du,
mit Kenntniſſen, Energie etc., was hätte Dir nicht offen
geſtanden! Statt deſſen, was machſt Du? Com—
pro—mit—tirſt Dich von vornherein der —art....
na, Hand aufs Herz! Haſt Du das nicht manchmal
bereut?
Loth. Ich konnte nicht gut bereuen, weil ich ohne
Schuld verurtheilt worden bin.
Hoffmann. Kann ich ja nicht beurtheilen,
weißt Du.
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