Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hauptmann, Gerhart: Vor Sonnenaufgang. Berlin, 1889.

Bild:
<< vorherige Seite
nöthig habt, um flott zu bleiben, Glaube, Liebe, Hoffnung.
Für mich ist das Kram. Es ist eine ganz simple Sache:
die Menschheit liegt in der Agonie, und unser einer
macht ihr mit Narkoticis die Sache so erträglich als
möglich.
Loth. Dein neuester Standpunkt?
Dr. Schimmelpfennig. Schon fünf bis sechs
Jahre alt und immer derselbe.
Loth. Gratulire!
Dr. Schimmelpfennig. Danke!
(Eine lange Pause.)
Dr. Schimmelpfennig (nach einigen unruhigen Anläufen).
Die Geschichte ist leider die: ich halte mich für ver-
pflichtet...ich schulde Dir unbedingt eine Aufklärung.
Du wirst Helene Krause, glaub' ich, nicht heirathen
können.
Loth (kalt). So, glaubst Du?
Dr. Schimmelpfennig. Ja, ich bin der Meinung.
Es sind da Hindernisse vorhanden, die gerade Dir...
Loth. Hör' 'mal Du: mach' Dir darüber um
Gottes Willen keine Scrupel. Die Verhältnisse liegen
auch gar nicht 'mal so complicirt, sind im Grunde sogar
furchtbar einfach.
Dr. Schimmelpfennig. Einfach furchtbar solltest
Du eher sagen.
Loth. Ich meine was die Hindernisse anbetrifft.
Dr. Schimmelpfennig. Ich auch zum Theil.
Aber auch überhaupt: ich kann mir nicht denken, daß
Du diese Verhältnisse hier kennen solltest.
Loth. Ich kenne sie aber doch ziemlich genau.
Dr. Schimmelpfennig. Dann mußt Du noth-
wendigerweise Deine Grundsätze geändert haben.
Loth. Bitte, Schimmel, drück' Dich etwas deut-
licher aus.
Dr. Schimmelpfennig. Du mußt unbedingt
Deine Hauptforderung in Bezug auf die Ehe fallen
gelassen haben, obgleich Du vorhin durchblicken ließt, es
nöthig habt, um flott zu bleiben, Glaube, Liebe, Hoffnung.
Für mich iſt das Kram. Es iſt eine ganz ſimple Sache:
die Menſchheit liegt in der Agonie, und unſer einer
macht ihr mit Narkoticis die Sache ſo erträglich als
möglich.
Loth. Dein neueſter Standpunkt?
Dr. Schimmelpfennig. Schon fünf bis ſechs
Jahre alt und immer derſelbe.
Loth. Gratulire!
Dr. Schimmelpfennig. Danke!
(Eine lange Pauſe.)
Dr. Schimmelpfennig (nach einigen unruhigen Anläufen).
Die Geſchichte iſt leider die: ich halte mich für ver-
pflichtet...ich ſchulde Dir unbedingt eine Aufklärung.
Du wirſt Helene Krauſe, glaub' ich, nicht heirathen
können.
Loth (kalt). So, glaubſt Du?
Dr. Schimmelpfennig. Ja, ich bin der Meinung.
Es ſind da Hinderniſſe vorhanden, die gerade Dir...
Loth. Hör' 'mal Du: mach' Dir darüber um
Gottes Willen keine Scrupel. Die Verhältniſſe liegen
auch gar nicht 'mal ſo complicirt, ſind im Grunde ſogar
furchtbar einfach.
Dr. Schimmelpfennig. Einfach furchtbar ſollteſt
Du eher ſagen.
Loth. Ich meine was die Hinderniſſe anbetrifft.
Dr. Schimmelpfennig. Ich auch zum Theil.
Aber auch überhaupt: ich kann mir nicht denken, daß
Du dieſe Verhältniſſe hier kennen ſollteſt.
Loth. Ich kenne ſie aber doch ziemlich genau.
Dr. Schimmelpfennig. Dann mußt Du noth-
wendigerweiſe Deine Grundſätze geändert haben.
Loth. Bitte, Schimmel, drück' Dich etwas deut-
licher aus.
Dr. Schimmelpfennig. Du mußt unbedingt
Deine Hauptforderung in Bezug auf die Ehe fallen
gelaſſen haben, obgleich Du vorhin durchblicken ließt, es
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <sp who="#SCH">
          <p><pb facs="#f0106" n="100"/>
nöthig habt, um flott zu bleiben, Glaube, Liebe, Hoffnung.<lb/>
Für mich i&#x017F;t das Kram. Es i&#x017F;t eine ganz &#x017F;imple Sache:<lb/>
die Men&#x017F;chheit liegt in der Agonie, und un&#x017F;er einer<lb/>
macht ihr mit Narkoticis die Sache &#x017F;o erträglich als<lb/>
möglich.</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#LOT">
          <speaker><hi rendition="#g">Loth</hi>.</speaker>
          <p>Dein neue&#x017F;ter Standpunkt?</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#SCH">
          <speaker><hi rendition="#aq">Dr.</hi><hi rendition="#g">Schimmelpfennig</hi>.</speaker>
          <p>Schon fünf bis &#x017F;echs<lb/>
Jahre alt und immer der&#x017F;elbe.</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#LOT">
          <speaker><hi rendition="#g">Loth</hi>.</speaker>
          <p>Gratulire!</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#SCH">
          <speaker><hi rendition="#aq">Dr.</hi><hi rendition="#g">Schimmelpfennig</hi>.</speaker>
          <p>Danke!</p><lb/>
          <p>
            <stage>(Eine lange Pau&#x017F;e.)</stage>
          </p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#SCH">
          <speaker> <hi rendition="#aq">Dr.</hi> <hi rendition="#g">Schimmelpfennig</hi> </speaker>
          <p><stage>(nach einigen unruhigen Anläufen).</stage><lb/>
Die Ge&#x017F;chichte i&#x017F;t leider die: ich halte mich für ver-<lb/>
pflichtet...ich &#x017F;chulde Dir unbedingt eine Aufklärung.<lb/>
Du wir&#x017F;t Helene Krau&#x017F;e, glaub' ich, nicht heirathen<lb/>
können.</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#LOT">
          <speaker> <hi rendition="#g">Loth</hi> </speaker>
          <p><stage>(kalt).</stage> So, glaub&#x017F;t Du?</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#SCH">
          <speaker><hi rendition="#aq">Dr.</hi><hi rendition="#g">Schimmelpfennig</hi>.</speaker>
          <p>Ja, ich bin der Meinung.<lb/>
Es &#x017F;ind da Hinderni&#x017F;&#x017F;e vorhanden, die gerade Dir...</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#LOT">
          <speaker><hi rendition="#g">Loth</hi>.</speaker>
          <p>Hör' 'mal Du: mach' Dir darüber um<lb/>
Gottes Willen keine Scrupel. Die Verhältni&#x017F;&#x017F;e liegen<lb/>
auch gar nicht 'mal &#x017F;o complicirt, &#x017F;ind im Grunde &#x017F;ogar<lb/>
furchtbar einfach.</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#SCH">
          <speaker><hi rendition="#aq">Dr.</hi><hi rendition="#g">Schimmelpfennig</hi>.</speaker>
          <p>Einfach <hi rendition="#g">furchtbar</hi> &#x017F;ollte&#x017F;t<lb/>
Du eher &#x017F;agen.</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#LOT">
          <speaker><hi rendition="#g">Loth</hi>.</speaker>
          <p>Ich meine was die Hinderni&#x017F;&#x017F;e anbetrifft.</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#SCH">
          <speaker><hi rendition="#aq">Dr.</hi><hi rendition="#g">Schimmelpfennig</hi>.</speaker>
          <p>Ich auch zum Theil.<lb/>
Aber auch überhaupt: ich kann mir nicht denken, daß<lb/>
Du die&#x017F;e Verhältni&#x017F;&#x017F;e hier kennen &#x017F;ollte&#x017F;t.</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#LOT">
          <speaker><hi rendition="#g">Loth</hi>.</speaker>
          <p>Ich kenne &#x017F;ie aber doch ziemlich genau.</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#SCH">
          <speaker><hi rendition="#aq">Dr.</hi><hi rendition="#g">Schimmelpfennig</hi>.</speaker>
          <p>Dann mußt Du noth-<lb/>
wendigerwei&#x017F;e Deine Grund&#x017F;ätze geändert haben.</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#LOT">
          <speaker><hi rendition="#g">Loth</hi>.</speaker>
          <p>Bitte, Schimmel, drück' Dich etwas deut-<lb/>
licher aus.</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#SCH">
          <speaker><hi rendition="#aq">Dr.</hi><hi rendition="#g">Schimmelpfennig</hi>.</speaker>
          <p>Du mußt unbedingt<lb/>
Deine Hauptforderung in Bezug auf die Ehe fallen<lb/>
gela&#x017F;&#x017F;en haben, obgleich Du vorhin durchblicken ließt, es<lb/></p>
        </sp>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[100/0106] nöthig habt, um flott zu bleiben, Glaube, Liebe, Hoffnung. Für mich iſt das Kram. Es iſt eine ganz ſimple Sache: die Menſchheit liegt in der Agonie, und unſer einer macht ihr mit Narkoticis die Sache ſo erträglich als möglich. Loth. Dein neueſter Standpunkt? Dr. Schimmelpfennig. Schon fünf bis ſechs Jahre alt und immer derſelbe. Loth. Gratulire! Dr. Schimmelpfennig. Danke! (Eine lange Pauſe.) Dr. Schimmelpfennig (nach einigen unruhigen Anläufen). Die Geſchichte iſt leider die: ich halte mich für ver- pflichtet...ich ſchulde Dir unbedingt eine Aufklärung. Du wirſt Helene Krauſe, glaub' ich, nicht heirathen können. Loth (kalt). So, glaubſt Du? Dr. Schimmelpfennig. Ja, ich bin der Meinung. Es ſind da Hinderniſſe vorhanden, die gerade Dir... Loth. Hör' 'mal Du: mach' Dir darüber um Gottes Willen keine Scrupel. Die Verhältniſſe liegen auch gar nicht 'mal ſo complicirt, ſind im Grunde ſogar furchtbar einfach. Dr. Schimmelpfennig. Einfach furchtbar ſollteſt Du eher ſagen. Loth. Ich meine was die Hinderniſſe anbetrifft. Dr. Schimmelpfennig. Ich auch zum Theil. Aber auch überhaupt: ich kann mir nicht denken, daß Du dieſe Verhältniſſe hier kennen ſollteſt. Loth. Ich kenne ſie aber doch ziemlich genau. Dr. Schimmelpfennig. Dann mußt Du noth- wendigerweiſe Deine Grundſätze geändert haben. Loth. Bitte, Schimmel, drück' Dich etwas deut- licher aus. Dr. Schimmelpfennig. Du mußt unbedingt Deine Hauptforderung in Bezug auf die Ehe fallen gelaſſen haben, obgleich Du vorhin durchblicken ließt, es

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hauptmann_sonnenaufgang_1889
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hauptmann_sonnenaufgang_1889/106
Zitationshilfe: Hauptmann, Gerhart: Vor Sonnenaufgang. Berlin, 1889, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hauptmann_sonnenaufgang_1889/106>, abgerufen am 06.05.2024.