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Hauff, Wilhelm: Phantasien im Bremer Ratskeller. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 117–197. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Die Griechen? ist es möglich? rief Johannes, und die andern Staaten, wo sind denn diese beschäftigt?

Noch haben sie Gesandte bei der Pforte.

Mensch, was sagst du? sprach Roland starr vor Staunen, kann man es ignoriren, wenn ein Volk um seine Freiheit kämpft? Heilige Jungfrau, was ist dies für eine Welt! Wahrlich, das möchte einen Stein erbarmen!-- Er quetschte im Zorn, während er die letzten Worte sprach, den silbernen Becher wie dünnes Zinn zusammen, daß der Wein darin hoch an die Decke spritzte, fuhr rasselnd auf vom Tisch, nahm seine Tartsche und sein langes Schwert und schritt düster mit dröhnenden Schritten aus dem Gemach.

Ei, was ist der steinerne Roland für ein zorniger Kumpan! murmelte Rose, nachdem er die Pforte klirrend zugeworfen, indem sie etliche Weintropfen, die sie benetzten, vom Busentuch abschüttelte; will der steinerne Narr auf seine alten Tage noch zu Felde ziehen! Wenn er sich sehen ließe, sie steckten ihn gleich ohne Barmherzigkeit als Flügelmann unter die Brandenburger Grenadiere, denn die Größe hat er.

Jungfer Rose, erwiderte ihr Petrus, zornig ist er, das ist wahr, und er hätte können auf andere Weise davon gehen; aber bedenket, daß er einst furioso wahnsinnig war und noch ganz andere Sachen gethan, als silberne Becher zerquetscht und Frauenzimmer mit Wein besudelt. Und genau beim Lichte besehen, kann ich ihm seinen Unmuth auch nicht verdenken; war er doch

Die Griechen? ist es möglich? rief Johannes, und die andern Staaten, wo sind denn diese beschäftigt?

Noch haben sie Gesandte bei der Pforte.

Mensch, was sagst du? sprach Roland starr vor Staunen, kann man es ignoriren, wenn ein Volk um seine Freiheit kämpft? Heilige Jungfrau, was ist dies für eine Welt! Wahrlich, das möchte einen Stein erbarmen!— Er quetschte im Zorn, während er die letzten Worte sprach, den silbernen Becher wie dünnes Zinn zusammen, daß der Wein darin hoch an die Decke spritzte, fuhr rasselnd auf vom Tisch, nahm seine Tartsche und sein langes Schwert und schritt düster mit dröhnenden Schritten aus dem Gemach.

Ei, was ist der steinerne Roland für ein zorniger Kumpan! murmelte Rose, nachdem er die Pforte klirrend zugeworfen, indem sie etliche Weintropfen, die sie benetzten, vom Busentuch abschüttelte; will der steinerne Narr auf seine alten Tage noch zu Felde ziehen! Wenn er sich sehen ließe, sie steckten ihn gleich ohne Barmherzigkeit als Flügelmann unter die Brandenburger Grenadiere, denn die Größe hat er.

Jungfer Rose, erwiderte ihr Petrus, zornig ist er, das ist wahr, und er hätte können auf andere Weise davon gehen; aber bedenket, daß er einst furioso wahnsinnig war und noch ganz andere Sachen gethan, als silberne Becher zerquetscht und Frauenzimmer mit Wein besudelt. Und genau beim Lichte besehen, kann ich ihm seinen Unmuth auch nicht verdenken; war er doch

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[0075] Die Griechen? ist es möglich? rief Johannes, und die andern Staaten, wo sind denn diese beschäftigt? Noch haben sie Gesandte bei der Pforte. Mensch, was sagst du? sprach Roland starr vor Staunen, kann man es ignoriren, wenn ein Volk um seine Freiheit kämpft? Heilige Jungfrau, was ist dies für eine Welt! Wahrlich, das möchte einen Stein erbarmen!— Er quetschte im Zorn, während er die letzten Worte sprach, den silbernen Becher wie dünnes Zinn zusammen, daß der Wein darin hoch an die Decke spritzte, fuhr rasselnd auf vom Tisch, nahm seine Tartsche und sein langes Schwert und schritt düster mit dröhnenden Schritten aus dem Gemach. Ei, was ist der steinerne Roland für ein zorniger Kumpan! murmelte Rose, nachdem er die Pforte klirrend zugeworfen, indem sie etliche Weintropfen, die sie benetzten, vom Busentuch abschüttelte; will der steinerne Narr auf seine alten Tage noch zu Felde ziehen! Wenn er sich sehen ließe, sie steckten ihn gleich ohne Barmherzigkeit als Flügelmann unter die Brandenburger Grenadiere, denn die Größe hat er. Jungfer Rose, erwiderte ihr Petrus, zornig ist er, das ist wahr, und er hätte können auf andere Weise davon gehen; aber bedenket, daß er einst furioso wahnsinnig war und noch ganz andere Sachen gethan, als silberne Becher zerquetscht und Frauenzimmer mit Wein besudelt. Und genau beim Lichte besehen, kann ich ihm seinen Unmuth auch nicht verdenken; war er doch

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T11:05:53Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T11:05:53Z)

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Zitationshilfe: Hauff, Wilhelm: Phantasien im Bremer Ratskeller. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 117–197. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hauff_ratskeller_1910/75>, abgerufen am 27.11.2024.