Hauff, Wilhelm: Phantasien im Bremer Ratskeller. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 117–197. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Als ich zur Fahne fortgemüßt, Hat sie so herzlich mich geküßt, Mit Bändern meinen Hut geschmückt Und weinend mich ans Herz gedrückt. Sie liebt mich noch, sie ist mir gut, Drum bin ich froh und wohlgemuth, Mein Herz schlägt warm in kalter Nacht, Wenn es ans ferne Lieb gedacht. Jetzt bei der Lampe mildem Schein Gehst du wohl in dein Kämmerlein Und schickst dein Nachtgebet zum Herrn Auch für den Liebsten in der Fern'. Doch wenn du traurig bist und weinst, Mich von Gefahr umrungen meinst, Sei ruhig, steh' in Gottes Hut, Er liebt ein treu Soldatenblut. Die Glocke schlägt, bald naht die Rund Und lös't mich ab zu dieser Stund: Schlaf wohl im stillen Kämmerlein Und denk in deinen Träumen mein! Und denkt sie auch wohl meiner in ihren Träumen? Die Glocken summten dumpf auf den Thürmen, sie begleiteten meinen Gesang. Schon Mitternacht? Diese Stunde trägt eigenen geheimnißvollen Schauer in sich; es ist, als zittere die Erde leise, wenn sich die schlummernden Menschen unter ihr aus die andere Seite legen, die schwere Decke schütteln und den Nachbar im Als ich zur Fahne fortgemüßt, Hat sie so herzlich mich geküßt, Mit Bändern meinen Hut geschmückt Und weinend mich ans Herz gedrückt. Sie liebt mich noch, sie ist mir gut, Drum bin ich froh und wohlgemuth, Mein Herz schlägt warm in kalter Nacht, Wenn es ans ferne Lieb gedacht. Jetzt bei der Lampe mildem Schein Gehst du wohl in dein Kämmerlein Und schickst dein Nachtgebet zum Herrn Auch für den Liebsten in der Fern'. Doch wenn du traurig bist und weinst, Mich von Gefahr umrungen meinst, Sei ruhig, steh' in Gottes Hut, Er liebt ein treu Soldatenblut. Die Glocke schlägt, bald naht die Rund Und lös't mich ab zu dieser Stund: Schlaf wohl im stillen Kämmerlein Und denk in deinen Träumen mein! Und denkt sie auch wohl meiner in ihren Träumen? Die Glocken summten dumpf auf den Thürmen, sie begleiteten meinen Gesang. Schon Mitternacht? Diese Stunde trägt eigenen geheimnißvollen Schauer in sich; es ist, als zittere die Erde leise, wenn sich die schlummernden Menschen unter ihr aus die andere Seite legen, die schwere Decke schütteln und den Nachbar im <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0031"/> <lg n="2"> <l>Als ich zur Fahne fortgemüßt,</l><lb/> <l>Hat sie so herzlich mich geküßt,</l><lb/> <l>Mit Bändern meinen Hut geschmückt</l><lb/> <l> Und weinend mich ans Herz gedrückt.</l><lb/> </lg> <lg n="3"> <l>Sie liebt mich noch, sie ist mir gut,</l><lb/> <l>Drum bin ich froh und wohlgemuth,</l><lb/> <l>Mein Herz schlägt warm in kalter Nacht,</l><lb/> <l>Wenn es ans ferne Lieb gedacht.</l><lb/> </lg> <lg n="4"> <l>Jetzt bei der Lampe mildem Schein</l><lb/> <l>Gehst du wohl in dein Kämmerlein</l><lb/> <l>Und schickst dein Nachtgebet zum Herrn</l><lb/> <l>Auch für den Liebsten in der Fern'.</l><lb/> </lg> <lg n="5"> <l>Doch wenn du traurig bist und weinst,</l> <l>Mich von Gefahr umrungen meinst,</l> <l>Sei ruhig, steh' in Gottes Hut,</l> <l>Er liebt ein treu Soldatenblut.</l> </lg> <lg n="6"> <l> Die Glocke schlägt, bald naht die Rund</l> <l>Und lös't mich ab zu dieser Stund:</l> <l>Schlaf wohl im stillen Kämmerlein</l> <l>Und denk in deinen Träumen mein!</l> </lg> </lg> <p>Und denkt sie auch wohl meiner in ihren Träumen? Die Glocken summten dumpf auf den Thürmen, sie begleiteten meinen Gesang. Schon Mitternacht? Diese Stunde trägt eigenen geheimnißvollen Schauer in sich; es ist, als zittere die Erde leise, wenn sich die schlummernden Menschen unter ihr aus die andere Seite legen, die schwere Decke schütteln und den Nachbar im<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0031]
Als ich zur Fahne fortgemüßt,
Hat sie so herzlich mich geküßt,
Mit Bändern meinen Hut geschmückt
Und weinend mich ans Herz gedrückt.
Sie liebt mich noch, sie ist mir gut,
Drum bin ich froh und wohlgemuth,
Mein Herz schlägt warm in kalter Nacht,
Wenn es ans ferne Lieb gedacht.
Jetzt bei der Lampe mildem Schein
Gehst du wohl in dein Kämmerlein
Und schickst dein Nachtgebet zum Herrn
Auch für den Liebsten in der Fern'.
Doch wenn du traurig bist und weinst, Mich von Gefahr umrungen meinst, Sei ruhig, steh' in Gottes Hut, Er liebt ein treu Soldatenblut.
Die Glocke schlägt, bald naht die Rund Und lös't mich ab zu dieser Stund: Schlaf wohl im stillen Kämmerlein Und denk in deinen Träumen mein!
Und denkt sie auch wohl meiner in ihren Träumen? Die Glocken summten dumpf auf den Thürmen, sie begleiteten meinen Gesang. Schon Mitternacht? Diese Stunde trägt eigenen geheimnißvollen Schauer in sich; es ist, als zittere die Erde leise, wenn sich die schlummernden Menschen unter ihr aus die andere Seite legen, die schwere Decke schütteln und den Nachbar im
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Zitationshilfe: | Hauff, Wilhelm: Phantasien im Bremer Ratskeller. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 117–197. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hauff_ratskeller_1910/31>, abgerufen am 22.07.2024. |