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Hauff, Wilhelm: Phantasien im Bremer Rathskeller. Stuttgart, 1827.

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"Ihr seyd ein Schäcker, Herr Bachus,"
sagte Rosa, als er mit einem zärtlichen Triller
geendet hatte. "Ihr wißt wohl, daß mich
Bürgermeister und Rath unter gar strenger
Clausur halten und nicht erlauben, daß ich mit
jedwedem mich einlasse."

"Aber mir könntest du doch zuweilen das
Kämmerlein öffnen, lieb Röschen!" flüsterte
Bachus; "mich gelüstet nach der süßen Speise
deines Mundes."

"Ihr seyd ein Schelm," rief sie lachend,
"Ihr seyd ein Türke und habt es mit vielen
zugleich; meinet Ihr ich wisse nicht, wie Ihr
mit der leichtfertigen Französin scharmirt, mit
dem Fräulein von Bourdeaux, und mit dem
Kreidengesicht, der Champagnerin; geht, geht,
Ihr habt einen schlechten Charakter und ver¬
stehet Euch nicht auf treue deutsche Minne."

"Ja, das sag ich auch! rief Judas, und
fuhr mit der langen knöchernen Hand nach der

„Ihr ſeyd ein Schaͤcker, Herr Bachus,“
ſagte Roſa, als er mit einem zaͤrtlichen Triller
geendet hatte. „Ihr wißt wohl, daß mich
Buͤrgermeiſter und Rath unter gar ſtrenger
Clauſur halten und nicht erlauben, daß ich mit
jedwedem mich einlaſſe.“

„Aber mir koͤnnteſt du doch zuweilen das
Kaͤmmerlein oͤffnen, lieb Roͤſchen!“ fluͤſterte
Bachus; „mich geluͤſtet nach der ſuͤßen Speiſe
deines Mundes.“

„Ihr ſeyd ein Schelm,“ rief ſie lachend,
„Ihr ſeyd ein Tuͤrke und habt es mit vielen
zugleich; meinet Ihr ich wiſſe nicht, wie Ihr
mit der leichtfertigen Franzoͤſin ſcharmirt, mit
dem Fraͤulein von Bourdeaux, und mit dem
Kreidengeſicht, der Champagnerin; geht, geht,
Ihr habt einen ſchlechten Charakter und ver¬
ſtehet Euch nicht auf treue deutſche Minne.“

„Ja, das ſag ich auch! rief Judas, und
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[64/0070] „Ihr ſeyd ein Schaͤcker, Herr Bachus,“ ſagte Roſa, als er mit einem zaͤrtlichen Triller geendet hatte. „Ihr wißt wohl, daß mich Buͤrgermeiſter und Rath unter gar ſtrenger Clauſur halten und nicht erlauben, daß ich mit jedwedem mich einlaſſe.“ „Aber mir koͤnnteſt du doch zuweilen das Kaͤmmerlein oͤffnen, lieb Roͤſchen!“ fluͤſterte Bachus; „mich geluͤſtet nach der ſuͤßen Speiſe deines Mundes.“ „Ihr ſeyd ein Schelm,“ rief ſie lachend, „Ihr ſeyd ein Tuͤrke und habt es mit vielen zugleich; meinet Ihr ich wiſſe nicht, wie Ihr mit der leichtfertigen Franzoͤſin ſcharmirt, mit dem Fraͤulein von Bourdeaux, und mit dem Kreidengeſicht, der Champagnerin; geht, geht, Ihr habt einen ſchlechten Charakter und ver¬ ſtehet Euch nicht auf treue deutſche Minne.“ „Ja, das ſag ich auch! rief Judas, und fuhr mit der langen knoͤchernen Hand nach der

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Zitationshilfe: Hauff, Wilhelm: Phantasien im Bremer Rathskeller. Stuttgart, 1827, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hauff_phantasien_1827/70>, abgerufen am 05.05.2024.