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Hauff, Wilhelm: Phantasien im Bremer Rathskeller. Stuttgart, 1827.

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werden, der vernünftig genug ist eine Disser¬
tation zu schreiben.

Doch ich trinke das vierte Glas, Seele.
Das vierte! Fühlst Du nicht einen gewissen
Nexus zwischen dem Wein und der Zunge?
zwischen der Zunge und dem Gaumen? hier,
behaupte ich, ist ein Scheideweg und daran
ein Wegezeiger aufgestellt. Nämlich auf der
einen Seite steht "Weg nach dem Magen."
Eine breite fahrbare Straße; es geht so schnell,
so glitschend bergab! daher auch der gemeinere
Stoff gewöhnlich diesen Weg nimmt. Der
andere Arm des Zeigers heißt: "in den
Kopf
." Dahin ziehen die Geister, die sich
schon im Faß lange genug bei dem schnöden
gemeineren Stoff gelangweilt haben, und jetzt,
da sie freien Lauf nehmen können, schielen sie
nach dem Wegezeiger rechts hinauf. Während
die Masse links hinabströmt, steigen sie auf¬
wärts und finden sich im Wirthshaus zur Zir¬

werden, der vernuͤnftig genug iſt eine Diſſer¬
tation zu ſchreiben.

Doch ich trinke das vierte Glas, Seele.
Das vierte! Fuͤhlſt Du nicht einen gewiſſen
Nexus zwiſchen dem Wein und der Zunge?
zwiſchen der Zunge und dem Gaumen? hier,
behaupte ich, iſt ein Scheideweg und daran
ein Wegezeiger aufgeſtellt. Naͤmlich auf der
einen Seite ſteht „Weg nach dem Magen.“
Eine breite fahrbare Straße; es geht ſo ſchnell,
ſo glitſchend bergab! daher auch der gemeinere
Stoff gewoͤhnlich dieſen Weg nimmt. Der
andere Arm des Zeigers heißt: „in den
Kopf
.“ Dahin ziehen die Geiſter, die ſich
ſchon im Faß lange genug bei dem ſchnoͤden
gemeineren Stoff gelangweilt haben, und jetzt,
da ſie freien Lauf nehmen koͤnnen, ſchielen ſie
nach dem Wegezeiger rechts hinauf. Waͤhrend
die Maſſe links hinabſtroͤmt, ſteigen ſie auf¬
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[38/0044] werden, der vernuͤnftig genug iſt eine Diſſer¬ tation zu ſchreiben. Doch ich trinke das vierte Glas, Seele. Das vierte! Fuͤhlſt Du nicht einen gewiſſen Nexus zwiſchen dem Wein und der Zunge? zwiſchen der Zunge und dem Gaumen? hier, behaupte ich, iſt ein Scheideweg und daran ein Wegezeiger aufgeſtellt. Naͤmlich auf der einen Seite ſteht „Weg nach dem Magen.“ Eine breite fahrbare Straße; es geht ſo ſchnell, ſo glitſchend bergab! daher auch der gemeinere Stoff gewoͤhnlich dieſen Weg nimmt. Der andere Arm des Zeigers heißt: „in den Kopf.“ Dahin ziehen die Geiſter, die ſich ſchon im Faß lange genug bei dem ſchnoͤden gemeineren Stoff gelangweilt haben, und jetzt, da ſie freien Lauf nehmen koͤnnen, ſchielen ſie nach dem Wegezeiger rechts hinauf. Waͤhrend die Maſſe links hinabſtroͤmt, ſteigen ſie auf¬ waͤrts und finden ſich im Wirthshaus zur Zir¬

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Zitationshilfe: Hauff, Wilhelm: Phantasien im Bremer Rathskeller. Stuttgart, 1827, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hauff_phantasien_1827/44>, abgerufen am 24.04.2024.