Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hauff, Wilhelm: Phantasien im Bremer Rathskeller. Stuttgart, 1827.

Bild:
<< vorherige Seite

alle, die dir zujauchzten, edle Traube, als
man dich abschnitt auf den Höhen des Rhein¬
gaus, als man deine Hüllen abstreifte und
du als goldener Born in die Kufe strömtest?
Sie sind dahin, wie die Wellen des Stro¬
mes, der an deinem Rebenhügel hinabzog.
Wo sind sie, jene alten Herren der Hansa,
jene würdigen Senatoren dieser alten Stadt,
die dich pflückten, duftende Rose, dich ver¬
pflanzten in diese kühlen Räume zum Lab¬
sal ihrer Enkel? Gehet hinaus auf Angarii
Friedhof, gehet hinauf zur Kirche Unserer lie¬
ben Frauen, und gießet Wein auf ihre Grab¬
steine! Sie sind hinunter, und zwei Jahrhun¬
derte mit ihnen!

Nun, auf euer Wohlseyn, alte Herren von
Anno 1615, und auf das Wohl eurer würdigen
Enkel, die so gastfreundlich dem Fremdling
die Hand und dieses Labsal boten!

alle, die dir zujauchzten, edle Traube, als
man dich abſchnitt auf den Hoͤhen des Rhein¬
gaus, als man deine Huͤllen abſtreifte und
du als goldener Born in die Kufe ſtroͤmteſt?
Sie ſind dahin, wie die Wellen des Stro¬
mes, der an deinem Rebenhuͤgel hinabzog.
Wo ſind ſie, jene alten Herren der Hanſa,
jene wuͤrdigen Senatoren dieſer alten Stadt,
die dich pfluͤckten, duftende Roſe, dich ver¬
pflanzten in dieſe kuͤhlen Raͤume zum Lab¬
ſal ihrer Enkel? Gehet hinaus auf Angarii
Friedhof, gehet hinauf zur Kirche Unſerer lie¬
ben Frauen, und gießet Wein auf ihre Grab¬
ſteine! Sie ſind hinunter, und zwei Jahrhun¬
derte mit ihnen!

Nun, auf euer Wohlſeyn, alte Herren von
Anno 1615, und auf das Wohl eurer wuͤrdigen
Enkel, die ſo gaſtfreundlich dem Fremdling
die Hand und dieſes Labſal boten!

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0035" n="29"/>
alle, die dir zujauchzten, edle Traube, als<lb/>
man dich ab&#x017F;chnitt auf den Ho&#x0364;hen des Rhein¬<lb/>
gaus, als man deine Hu&#x0364;llen ab&#x017F;treifte und<lb/>
du als goldener Born in die Kufe &#x017F;tro&#x0364;mte&#x017F;t?<lb/>
Sie &#x017F;ind dahin, wie die Wellen des Stro¬<lb/>
mes, der an deinem Rebenhu&#x0364;gel hinabzog.<lb/>
Wo &#x017F;ind &#x017F;ie, jene alten Herren der Han&#x017F;a,<lb/>
jene wu&#x0364;rdigen Senatoren die&#x017F;er alten Stadt,<lb/>
die dich pflu&#x0364;ckten, duftende Ro&#x017F;e, dich ver¬<lb/>
pflanzten in die&#x017F;e ku&#x0364;hlen Ra&#x0364;ume zum Lab¬<lb/>
&#x017F;al ihrer Enkel? Gehet hinaus auf Angarii<lb/>
Friedhof, gehet hinauf zur Kirche Un&#x017F;erer lie¬<lb/>
ben Frauen, und gießet Wein auf ihre Grab¬<lb/>
&#x017F;teine! Sie &#x017F;ind hinunter, und zwei Jahrhun¬<lb/>
derte mit ihnen!</p><lb/>
        <p>Nun, auf euer Wohl&#x017F;eyn, alte Herren von<lb/>
Anno 1615, und auf das Wohl eurer wu&#x0364;rdigen<lb/>
Enkel, die &#x017F;o ga&#x017F;tfreundlich dem Fremdling<lb/>
die Hand und die&#x017F;es Lab&#x017F;al boten!</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[29/0035] alle, die dir zujauchzten, edle Traube, als man dich abſchnitt auf den Hoͤhen des Rhein¬ gaus, als man deine Huͤllen abſtreifte und du als goldener Born in die Kufe ſtroͤmteſt? Sie ſind dahin, wie die Wellen des Stro¬ mes, der an deinem Rebenhuͤgel hinabzog. Wo ſind ſie, jene alten Herren der Hanſa, jene wuͤrdigen Senatoren dieſer alten Stadt, die dich pfluͤckten, duftende Roſe, dich ver¬ pflanzten in dieſe kuͤhlen Raͤume zum Lab¬ ſal ihrer Enkel? Gehet hinaus auf Angarii Friedhof, gehet hinauf zur Kirche Unſerer lie¬ ben Frauen, und gießet Wein auf ihre Grab¬ ſteine! Sie ſind hinunter, und zwei Jahrhun¬ derte mit ihnen! Nun, auf euer Wohlſeyn, alte Herren von Anno 1615, und auf das Wohl eurer wuͤrdigen Enkel, die ſo gaſtfreundlich dem Fremdling die Hand und dieſes Labſal boten!

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hauff_phantasien_1827
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hauff_phantasien_1827/35
Zitationshilfe: Hauff, Wilhelm: Phantasien im Bremer Rathskeller. Stuttgart, 1827, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hauff_phantasien_1827/35>, abgerufen am 26.04.2024.