Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hauff, Wilhelm: Phantasien im Bremer Rathskeller. Stuttgart, 1827.

Bild:
<< vorherige Seite

gehen, als sie mich unter allgemeinem Jauch¬
zen und Geschrei auf das Tuch legten; noch
einmal raffte ich mich zusammen: "nur nicht
zu hoch, meine werthen Gönner, ich renne
mir sonst das Hirn ein am Gewölbe," rief ich
in der Angst des Herzens, aber sie lachten
und überschrien mich. Jetzt fingen sie an, das
Tuch hin und her zu wiegen, Balthasar blies
den Trichter dazu; jetzt ging es auf- und ab¬
wärts, zuerst drei, vier, fünf Schuh hoch,
auf einmal schnellten sie stärker, ich flog hin¬
auf und -- wie eine Wolke that sich die Decke
des Gewölbes auseinander, ich flog immer
aufwärts zum Rathdach hinaus, höher, höher
als der Thurm der Domkirche. "Ha," dachte
ich im Fliegen, "jetzt ist es um dich ge¬
schehen, wenn du jetzt wieder fällst, brichst
du das Genick oder zum allerwenigsten ein
Paar Arme oder Beine! o Himmel, und ich
weiß ja, was sie von einem Mann mit ge¬

gehen, als ſie mich unter allgemeinem Jauch¬
zen und Geſchrei auf das Tuch legten; noch
einmal raffte ich mich zuſammen: „nur nicht
zu hoch, meine werthen Goͤnner, ich renne
mir ſonſt das Hirn ein am Gewoͤlbe,“ rief ich
in der Angſt des Herzens, aber ſie lachten
und uͤberſchrien mich. Jetzt fingen ſie an, das
Tuch hin und her zu wiegen, Balthaſar blies
den Trichter dazu; jetzt ging es auf- und ab¬
waͤrts, zuerſt drei, vier, fuͤnf Schuh hoch,
auf einmal ſchnellten ſie ſtaͤrker, ich flog hin¬
auf und — wie eine Wolke that ſich die Decke
des Gewoͤlbes auseinander, ich flog immer
aufwaͤrts zum Rathdach hinaus, hoͤher, hoͤher
als der Thurm der Domkirche. „Ha,“ dachte
ich im Fliegen, „jetzt iſt es um dich ge¬
ſchehen, wenn du jetzt wieder faͤllſt, brichſt
du das Genick oder zum allerwenigſten ein
Paar Arme oder Beine! o Himmel, und ich
weiß ja, was ſie von einem Mann mit ge¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0132" n="126"/>
gehen, als &#x017F;ie mich unter allgemeinem Jauch¬<lb/>
zen und Ge&#x017F;chrei auf das Tuch legten; noch<lb/>
einmal raffte ich mich zu&#x017F;ammen: &#x201E;nur nicht<lb/>
zu hoch, meine werthen Go&#x0364;nner, ich renne<lb/>
mir &#x017F;on&#x017F;t das Hirn ein am Gewo&#x0364;lbe,&#x201C; rief ich<lb/>
in der Ang&#x017F;t des Herzens, aber &#x017F;ie lachten<lb/>
und u&#x0364;ber&#x017F;chrien mich. Jetzt fingen &#x017F;ie an, das<lb/>
Tuch hin und her zu wiegen, Baltha&#x017F;ar blies<lb/>
den Trichter dazu; jetzt ging es auf- und ab¬<lb/>
wa&#x0364;rts, zuer&#x017F;t drei, vier, fu&#x0364;nf Schuh hoch,<lb/>
auf einmal &#x017F;chnellten &#x017F;ie &#x017F;ta&#x0364;rker, ich flog hin¬<lb/>
auf und &#x2014; wie eine Wolke that &#x017F;ich die Decke<lb/>
des Gewo&#x0364;lbes auseinander, ich flog immer<lb/>
aufwa&#x0364;rts zum Rathdach hinaus, ho&#x0364;her, ho&#x0364;her<lb/>
als der Thurm der Domkirche. &#x201E;Ha,&#x201C; dachte<lb/>
ich im Fliegen, &#x201E;jetzt i&#x017F;t es um dich ge¬<lb/>
&#x017F;chehen, wenn du jetzt wieder fa&#x0364;ll&#x017F;t, brich&#x017F;t<lb/>
du das Genick oder zum allerwenig&#x017F;ten ein<lb/>
Paar Arme oder Beine! o Himmel, und ich<lb/>
weiß ja, was <hi rendition="#g">&#x017F;ie</hi> von einem Mann mit ge¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[126/0132] gehen, als ſie mich unter allgemeinem Jauch¬ zen und Geſchrei auf das Tuch legten; noch einmal raffte ich mich zuſammen: „nur nicht zu hoch, meine werthen Goͤnner, ich renne mir ſonſt das Hirn ein am Gewoͤlbe,“ rief ich in der Angſt des Herzens, aber ſie lachten und uͤberſchrien mich. Jetzt fingen ſie an, das Tuch hin und her zu wiegen, Balthaſar blies den Trichter dazu; jetzt ging es auf- und ab¬ waͤrts, zuerſt drei, vier, fuͤnf Schuh hoch, auf einmal ſchnellten ſie ſtaͤrker, ich flog hin¬ auf und — wie eine Wolke that ſich die Decke des Gewoͤlbes auseinander, ich flog immer aufwaͤrts zum Rathdach hinaus, hoͤher, hoͤher als der Thurm der Domkirche. „Ha,“ dachte ich im Fliegen, „jetzt iſt es um dich ge¬ ſchehen, wenn du jetzt wieder faͤllſt, brichſt du das Genick oder zum allerwenigſten ein Paar Arme oder Beine! o Himmel, und ich weiß ja, was ſie von einem Mann mit ge¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hauff_phantasien_1827
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hauff_phantasien_1827/132
Zitationshilfe: Hauff, Wilhelm: Phantasien im Bremer Rathskeller. Stuttgart, 1827, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hauff_phantasien_1827/132>, abgerufen am 27.11.2024.