Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hauff, Wilhelm: Phantasien im Bremer Rathskeller. Stuttgart, 1827.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

"Theater? geht mir weg!" unterbrach An¬
dreas, "was sollen wir von euren Puppenspie¬
len, Marionettenkomödien und sonstigen Thor¬
heiten hören! Meinet Ihr etwa, uns komme
viel darauf an, ob einer eurer Lustspieldichter
ausgepfiffen wurde oder nicht? Habt Ihr denn
dermalen gar nichts interessantes, nichts welt¬
historisches, das Ihr etwa erzählen könntet?"

"Ach, daß Gott erbarm," erwiederte ich,
"bei uns ist die Welthistorie ausgegangen, wir
haben in diesem Fach nur noch den Bundestag
in Frankfurt. Bei unsern Nachbarn höchstens
gibt es noch hin und wieder etwas; zum Bei¬
spiel in Frankreich haben die Jesuiten wieder
Macht gewonnen und das Scepter an sich ge¬
rissen, und in Rußland sollte es eine Revolu¬
tion geben."

"Ihr verwechselt die Namen, Freund!"
sagte Judas, "Ihr wolltet sagen, in Ru߬
land sind die Jesuiten wieder eingezogen,

„Theater? geht mir weg!“ unterbrach An¬
dreas, „was ſollen wir von euren Puppenſpie¬
len, Marionettenkomoͤdien und ſonſtigen Thor¬
heiten hoͤren! Meinet Ihr etwa, uns komme
viel darauf an, ob einer eurer Luſtſpieldichter
ausgepfiffen wurde oder nicht? Habt Ihr denn
dermalen gar nichts intereſſantes, nichts welt¬
hiſtoriſches, das Ihr etwa erzaͤhlen koͤnntet?“

„Ach, daß Gott erbarm,“ erwiederte ich,
„bei uns iſt die Welthiſtorie ausgegangen, wir
haben in dieſem Fach nur noch den Bundestag
in Frankfurt. Bei unſern Nachbarn hoͤchſtens
gibt es noch hin und wieder etwas; zum Bei¬
ſpiel in Frankreich haben die Jeſuiten wieder
Macht gewonnen und das Scepter an ſich ge¬
riſſen, und in Rußland ſollte es eine Revolu¬
tion geben.“

„Ihr verwechſelt die Namen, Freund!“
ſagte Judas, „Ihr wolltet ſagen, in Ru߬
land ſind die Jeſuiten wieder eingezogen,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0122" n="116"/>
        <p>&#x201E;Theater? geht mir weg!&#x201C; unterbrach An¬<lb/>
dreas, &#x201E;was &#x017F;ollen wir von euren Puppen&#x017F;pie¬<lb/>
len, Marionettenkomo&#x0364;dien und &#x017F;on&#x017F;tigen Thor¬<lb/>
heiten ho&#x0364;ren! Meinet Ihr etwa, uns komme<lb/>
viel darauf an, ob einer eurer Lu&#x017F;t&#x017F;pieldichter<lb/>
ausgepfiffen wurde oder nicht? Habt Ihr denn<lb/>
dermalen gar nichts intere&#x017F;&#x017F;antes, nichts welt¬<lb/>
hi&#x017F;tori&#x017F;ches, das Ihr etwa erza&#x0364;hlen ko&#x0364;nntet?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ach, daß Gott erbarm,&#x201C; erwiederte ich,<lb/>
&#x201E;bei uns i&#x017F;t die Welthi&#x017F;torie ausgegangen, wir<lb/>
haben in die&#x017F;em Fach nur noch den Bundestag<lb/>
in Frankfurt. Bei un&#x017F;ern Nachbarn ho&#x0364;ch&#x017F;tens<lb/>
gibt es noch hin und wieder etwas; zum Bei¬<lb/>
&#x017F;piel in Frankreich haben die Je&#x017F;uiten wieder<lb/>
Macht gewonnen und das Scepter an &#x017F;ich ge¬<lb/>
ri&#x017F;&#x017F;en, und in Rußland &#x017F;ollte es eine Revolu¬<lb/>
tion geben.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ihr verwech&#x017F;elt die Namen, Freund!&#x201C;<lb/>
&#x017F;agte Judas, &#x201E;Ihr wolltet &#x017F;agen, in <hi rendition="#g">Ru߬<lb/>
land</hi> &#x017F;ind die Je&#x017F;uiten wieder eingezogen,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[116/0122] „Theater? geht mir weg!“ unterbrach An¬ dreas, „was ſollen wir von euren Puppenſpie¬ len, Marionettenkomoͤdien und ſonſtigen Thor¬ heiten hoͤren! Meinet Ihr etwa, uns komme viel darauf an, ob einer eurer Luſtſpieldichter ausgepfiffen wurde oder nicht? Habt Ihr denn dermalen gar nichts intereſſantes, nichts welt¬ hiſtoriſches, das Ihr etwa erzaͤhlen koͤnntet?“ „Ach, daß Gott erbarm,“ erwiederte ich, „bei uns iſt die Welthiſtorie ausgegangen, wir haben in dieſem Fach nur noch den Bundestag in Frankfurt. Bei unſern Nachbarn hoͤchſtens gibt es noch hin und wieder etwas; zum Bei¬ ſpiel in Frankreich haben die Jeſuiten wieder Macht gewonnen und das Scepter an ſich ge¬ riſſen, und in Rußland ſollte es eine Revolu¬ tion geben.“ „Ihr verwechſelt die Namen, Freund!“ ſagte Judas, „Ihr wolltet ſagen, in Ru߬ land ſind die Jeſuiten wieder eingezogen,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hauff_phantasien_1827
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hauff_phantasien_1827/122
Zitationshilfe: Hauff, Wilhelm: Phantasien im Bremer Rathskeller. Stuttgart, 1827, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hauff_phantasien_1827/122>, abgerufen am 24.11.2024.