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Hauff, Wilhelm: Phantasien im Bremer Rathskeller. Stuttgart, 1827.

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"Wenn es die Herren und Damen interes¬
sirt," -- sprach ich zögernd.

"Immer zu," rief Roland, "wegen mei¬
ner könntet Ihr die letzten fünfhundert Jahre
erzählen, denn auf meinem Domhof sehe ich
nichts als Zigarrenmacher, Weinbrauer, Pfar¬
rer und alte Weiber." Auch die übrigen stimm¬
ten mit ein, ich hub also an:

"Was zuerst die deutsche Literatur betrifft" --

"Halt, manum de fabula!" rief Paulus;
"was scheeren wir uns um euer miserables
Geschmier, um eure kleinlichen, eckelhaften
Gaßenstreite und Kneipenraufereien, um eure
Poetaster, Afterpropheten und --"

Ich erschrack; wenn diesen Leuten nicht ein¬
mal unsere wunderherrliche, magnifique Litera¬
tur interessant war, was konnte ich ihnen denn
sagen? Ich besann mich und fuhr fort: "of¬
fenbar hat Joco im letzten Jahre, was das
Theater anbelangt" --

„Wenn es die Herren und Damen intereſ¬
ſirt,“ — ſprach ich zoͤgernd.

„Immer zu,“ rief Roland, „wegen mei¬
ner koͤnntet Ihr die letzten fuͤnfhundert Jahre
erzaͤhlen, denn auf meinem Domhof ſehe ich
nichts als Zigarrenmacher, Weinbrauer, Pfar¬
rer und alte Weiber.“ Auch die uͤbrigen ſtimm¬
ten mit ein, ich hub alſo an:

„Was zuerſt die deutſche Literatur betrifft“ —

„Halt, manum de fabula!“ rief Paulus;
„was ſcheeren wir uns um euer miſerables
Geſchmier, um eure kleinlichen, eckelhaften
Gaßenſtreite und Kneipenraufereien, um eure
Poetaſter, Afterpropheten und —“

Ich erſchrack; wenn dieſen Leuten nicht ein¬
mal unſere wunderherrliche, magnifique Litera¬
tur intereſſant war, was konnte ich ihnen denn
ſagen? Ich beſann mich und fuhr fort: „of¬
fenbar hat Joco im letzten Jahre, was das
Theater anbelangt“ —

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[115/0121] „Wenn es die Herren und Damen intereſ¬ ſirt,“ — ſprach ich zoͤgernd. „Immer zu,“ rief Roland, „wegen mei¬ ner koͤnntet Ihr die letzten fuͤnfhundert Jahre erzaͤhlen, denn auf meinem Domhof ſehe ich nichts als Zigarrenmacher, Weinbrauer, Pfar¬ rer und alte Weiber.“ Auch die uͤbrigen ſtimm¬ ten mit ein, ich hub alſo an: „Was zuerſt die deutſche Literatur betrifft“ — „Halt, manum de fabula!“ rief Paulus; „was ſcheeren wir uns um euer miſerables Geſchmier, um eure kleinlichen, eckelhaften Gaßenſtreite und Kneipenraufereien, um eure Poetaſter, Afterpropheten und —“ Ich erſchrack; wenn dieſen Leuten nicht ein¬ mal unſere wunderherrliche, magnifique Litera¬ tur intereſſant war, was konnte ich ihnen denn ſagen? Ich beſann mich und fuhr fort: „of¬ fenbar hat Joco im letzten Jahre, was das Theater anbelangt“ —

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Zitationshilfe: Hauff, Wilhelm: Phantasien im Bremer Rathskeller. Stuttgart, 1827, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hauff_phantasien_1827/121>, abgerufen am 24.11.2024.