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Hauff, Wilhelm: Phantasien im Bremer Rathskeller. Stuttgart, 1827.

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bange, bange war; das war mein Körper
nicht, denn der lag steif und todt, was war
es denn?"

"Deine Seele!" sprach Petrus dumpf;
"Deine Seele!" flüsterten die andern ihm
nach.

"Da maßen sie meine Länge und Breite,
um die sechs Brettlein fertig zu machen, und
legten mich hinein und ein hartes Kißen von
Hobelspähnen unter meinen Schädel, und na¬
gelten die Bahre zu, und meine Seele wurde
immer ängstlicher, weil sie nicht schlafen konnte.
Dann hörte ich die Todtenglocke läuten auf der
Domkirche, sie hoben mich auf und kein Auge
weinte um mich. Sie trugen mich auf Unser
lieben Frauen Kirchhof, dort hatten sie mein
Grab gegraben, noch höre ich die Seile schwir¬
ren, die sie heraufzogen, als ich unten lag;
dann warfen sie Steine und Erde herab und
es ward stille um mich her."

bange, bange war; das war mein Koͤrper
nicht, denn der lag ſteif und todt, was war
es denn?“

„Deine Seele!“ ſprach Petrus dumpf;
Deine Seele!“ fluͤſterten die andern ihm
nach.

„Da maßen ſie meine Laͤnge und Breite,
um die ſechs Brettlein fertig zu machen, und
legten mich hinein und ein hartes Kißen von
Hobelſpaͤhnen unter meinen Schaͤdel, und na¬
gelten die Bahre zu, und meine Seele wurde
immer aͤngſtlicher, weil ſie nicht ſchlafen konnte.
Dann hoͤrte ich die Todtenglocke laͤuten auf der
Domkirche, ſie hoben mich auf und kein Auge
weinte um mich. Sie trugen mich auf Unſer
lieben Frauen Kirchhof, dort hatten ſie mein
Grab gegraben, noch hoͤre ich die Seile ſchwir¬
ren, die ſie heraufzogen, als ich unten lag;
dann warfen ſie Steine und Erde herab und
es ward ſtille um mich her.“

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[98/0104] bange, bange war; das war mein Koͤrper nicht, denn der lag ſteif und todt, was war es denn?“ „Deine Seele!“ ſprach Petrus dumpf; „Deine Seele!“ fluͤſterten die andern ihm nach. „Da maßen ſie meine Laͤnge und Breite, um die ſechs Brettlein fertig zu machen, und legten mich hinein und ein hartes Kißen von Hobelſpaͤhnen unter meinen Schaͤdel, und na¬ gelten die Bahre zu, und meine Seele wurde immer aͤngſtlicher, weil ſie nicht ſchlafen konnte. Dann hoͤrte ich die Todtenglocke laͤuten auf der Domkirche, ſie hoben mich auf und kein Auge weinte um mich. Sie trugen mich auf Unſer lieben Frauen Kirchhof, dort hatten ſie mein Grab gegraben, noch hoͤre ich die Seile ſchwir¬ ren, die ſie heraufzogen, als ich unten lag; dann warfen ſie Steine und Erde herab und es ward ſtille um mich her.“

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Zitationshilfe: Hauff, Wilhelm: Phantasien im Bremer Rathskeller. Stuttgart, 1827, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hauff_phantasien_1827/104>, abgerufen am 05.05.2024.