Hasak, Max: Die Predigtkirche im Mittelalter. Berlin, 1893.Das gleiche Bedürfniß liegt auch den allermeisten Klosterkirchen-Programmen zu Grunde; denn auch dort, wo die Klostergemeinschaft aus vielen Geistlichen besteht, muß diesen Gelegenheit geschaffen werden, in aller Frühe fast gleichzeitig Messe zu lesen. Davon kann man sich in jeder Kathedral- und Klosterkirche auch heutzutage noch überzeugen. Freilich muß man dazu früh aufstehen; in späterer Tagesstunde können ja die vielen unbenützten Altäre Nichtunterrichtete irreführen. Nun lassen sich solche Altäre in verschiedener Weise aufstellen: an Pfeiler oder an die Seitenwände oder frei in den Raum. Das sind die einfachsten und ursprünglichsten Anordnungen. So zeigt es schon der Grundriß von St. Gallen um 800, und so ist es auch später geschehen, wenn die Mittel knapp waren. Die mittelalterlichen Baumeister, die künstlerisch wie praktisch auf hoher Stufe standen, vermochten dieses rein zufällige Hinstellen der Altäre aber nicht als künstlerische Lösung anzusehen. Sie suchten deshalb nach einem Ausdruck im Grundriß. Für den Altar war seit Beginn des Christenthums die Apsis der geheiligte Ort, was lag näher, als auch den Seitenaltären Apsiden zu geben! Daher die Capellenreihen und die Capellenkränze, die sich um das Chorhaupt bezw. an den Kreuzflügeln oder der Längswand der Seitenschiffe vorfinden. Bei Klosterkirchen mögen sie zuerst entstanden sein; denn die Geistlichen des Bischofs brachten in früherer Zeit nicht jeder für sich das Meßopfer besonders dar, sondern sie assistirten dem Bischof und communicirten dabei. Bei Kathedralen trat also das Bedürfniß nach vielen Altären erst später auf. Außer der Messe müssen Domherren wie Klostergeistliche gemeinsame Gebete zu gewisser Tageszeit wie auch des Nachts abhalten. Hiefür müssen lange gegenüberstehende Sitzreihen geschaffen werden. Daher das Chorgestühl, und zu seiner Aufnahme bei Kathedralen und Klosterkirchen, auch bei Pfarrkirchen mit Klostergeistlichen als Pfarrherren die langgestreckten Chöre. Da es störend wäre, wenn sich Andächtige oder lästige Gaffer zwischen diesen Chorstuhl-Reihen drängten, so wird der Das gleiche Bedürfniß liegt auch den allermeisten Klosterkirchen-Programmen zu Grunde; denn auch dort, wo die Klostergemeinschaft aus vielen Geistlichen besteht, muß diesen Gelegenheit geschaffen werden, in aller Frühe fast gleichzeitig Messe zu lesen. Davon kann man sich in jeder Kathedral- und Klosterkirche auch heutzutage noch überzeugen. Freilich muß man dazu früh aufstehen; in späterer Tagesstunde können ja die vielen unbenützten Altäre Nichtunterrichtete irreführen. Nun lassen sich solche Altäre in verschiedener Weise aufstellen: an Pfeiler oder an die Seitenwände oder frei in den Raum. Das sind die einfachsten und ursprünglichsten Anordnungen. So zeigt es schon der Grundriß von St. Gallen um 800, und so ist es auch später geschehen, wenn die Mittel knapp waren. Die mittelalterlichen Baumeister, die künstlerisch wie praktisch auf hoher Stufe standen, vermochten dieses rein zufällige Hinstellen der Altäre aber nicht als künstlerische Lösung anzusehen. Sie suchten deshalb nach einem Ausdruck im Grundriß. Für den Altar war seit Beginn des Christenthums die Apsis der geheiligte Ort, was lag näher, als auch den Seitenaltären Apsiden zu geben! Daher die Capellenreihen und die Capellenkränze, die sich um das Chorhaupt bezw. an den Kreuzflügeln oder der Längswand der Seitenschiffe vorfinden. Bei Klosterkirchen mögen sie zuerst entstanden sein; denn die Geistlichen des Bischofs brachten in früherer Zeit nicht jeder für sich das Meßopfer besonders dar, sondern sie assistirten dem Bischof und communicirten dabei. Bei Kathedralen trat also das Bedürfniß nach vielen Altären erst später auf. Außer der Messe müssen Domherren wie Klostergeistliche gemeinsame Gebete zu gewisser Tageszeit wie auch des Nachts abhalten. Hiefür müssen lange gegenüberstehende Sitzreihen geschaffen werden. Daher das Chorgestühl, und zu seiner Aufnahme bei Kathedralen und Klosterkirchen, auch bei Pfarrkirchen mit Klostergeistlichen als Pfarrherren die langgestreckten Chöre. Da es störend wäre, wenn sich Andächtige oder lästige Gaffer zwischen diesen Chorstuhl-Reihen drängten, so wird der <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0019" n="13"/> <p>Das gleiche Bedürfniß liegt auch den allermeisten Klosterkirchen-Programmen zu Grunde; denn auch dort, wo die Klostergemeinschaft aus vielen Geistlichen besteht, muß diesen Gelegenheit geschaffen werden, in aller Frühe fast gleichzeitig Messe zu lesen. Davon kann man sich in jeder Kathedral- und Klosterkirche auch heutzutage noch überzeugen. Freilich muß man dazu früh aufstehen; in späterer Tagesstunde können ja die vielen unbenützten Altäre Nichtunterrichtete irreführen.</p> <p>Nun lassen sich solche Altäre in verschiedener Weise aufstellen: an Pfeiler oder an die Seitenwände oder frei in den Raum. Das sind die einfachsten und ursprünglichsten Anordnungen. So zeigt es schon der Grundriß von St. Gallen um 800, und so ist es auch später geschehen, wenn die Mittel knapp waren. Die mittelalterlichen Baumeister, die künstlerisch wie praktisch auf hoher Stufe standen, vermochten dieses rein zufällige Hinstellen der Altäre aber nicht als künstlerische Lösung anzusehen. Sie suchten deshalb nach einem Ausdruck im Grundriß. Für den Altar war seit Beginn des Christenthums die Apsis der geheiligte Ort, was lag näher, als auch den Seitenaltären Apsiden zu geben! <hi rendition="#g">Daher</hi> die Capellenreihen und die Capellenkränze, die sich um das Chorhaupt bezw. an den Kreuzflügeln oder der Längswand der Seitenschiffe vorfinden. Bei Klosterkirchen mögen sie zuerst entstanden sein; denn die Geistlichen des Bischofs brachten in früherer Zeit nicht jeder für sich das Meßopfer besonders dar, sondern sie assistirten dem Bischof und communicirten dabei. Bei Kathedralen trat also das Bedürfniß nach vielen Altären erst später auf.</p> <p>Außer der Messe müssen Domherren wie Klostergeistliche gemeinsame Gebete zu gewisser Tageszeit wie auch des Nachts abhalten. Hiefür müssen lange gegenüberstehende Sitzreihen geschaffen werden. Daher das Chorgestühl, und zu seiner Aufnahme bei Kathedralen und Klosterkirchen, auch bei Pfarrkirchen mit Klostergeistlichen als Pfarrherren die langgestreckten Chöre.</p> <p>Da es störend wäre, wenn sich Andächtige oder lästige Gaffer zwischen diesen Chorstuhl-Reihen drängten, so wird der </p> </div> </body> </text> </TEI> [13/0019]
Das gleiche Bedürfniß liegt auch den allermeisten Klosterkirchen-Programmen zu Grunde; denn auch dort, wo die Klostergemeinschaft aus vielen Geistlichen besteht, muß diesen Gelegenheit geschaffen werden, in aller Frühe fast gleichzeitig Messe zu lesen. Davon kann man sich in jeder Kathedral- und Klosterkirche auch heutzutage noch überzeugen. Freilich muß man dazu früh aufstehen; in späterer Tagesstunde können ja die vielen unbenützten Altäre Nichtunterrichtete irreführen.
Nun lassen sich solche Altäre in verschiedener Weise aufstellen: an Pfeiler oder an die Seitenwände oder frei in den Raum. Das sind die einfachsten und ursprünglichsten Anordnungen. So zeigt es schon der Grundriß von St. Gallen um 800, und so ist es auch später geschehen, wenn die Mittel knapp waren. Die mittelalterlichen Baumeister, die künstlerisch wie praktisch auf hoher Stufe standen, vermochten dieses rein zufällige Hinstellen der Altäre aber nicht als künstlerische Lösung anzusehen. Sie suchten deshalb nach einem Ausdruck im Grundriß. Für den Altar war seit Beginn des Christenthums die Apsis der geheiligte Ort, was lag näher, als auch den Seitenaltären Apsiden zu geben! Daher die Capellenreihen und die Capellenkränze, die sich um das Chorhaupt bezw. an den Kreuzflügeln oder der Längswand der Seitenschiffe vorfinden. Bei Klosterkirchen mögen sie zuerst entstanden sein; denn die Geistlichen des Bischofs brachten in früherer Zeit nicht jeder für sich das Meßopfer besonders dar, sondern sie assistirten dem Bischof und communicirten dabei. Bei Kathedralen trat also das Bedürfniß nach vielen Altären erst später auf.
Außer der Messe müssen Domherren wie Klostergeistliche gemeinsame Gebete zu gewisser Tageszeit wie auch des Nachts abhalten. Hiefür müssen lange gegenüberstehende Sitzreihen geschaffen werden. Daher das Chorgestühl, und zu seiner Aufnahme bei Kathedralen und Klosterkirchen, auch bei Pfarrkirchen mit Klostergeistlichen als Pfarrherren die langgestreckten Chöre.
Da es störend wäre, wenn sich Andächtige oder lästige Gaffer zwischen diesen Chorstuhl-Reihen drängten, so wird der
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Zitationshilfe: | Hasak, Max: Die Predigtkirche im Mittelalter. Berlin, 1893, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hasak_predigtkirche_1893/19>, abgerufen am 07.07.2024. |