Eine jede feinere Anlage muß dadurch zu Grunde gehen, und Niemand wird mich überzeugen, daß ein Lessing, ein Voltaire oder ein Rabelais ohne Gefahr für ihren scharfsinnigen Witz schon in der Wiege Bier hätten trinken können.
Sobald das Kind seine Zähne erhalten, ist es ein |Zeichen, daß man zu festeren Nahrungsmitteln übergehen muß, da die Jnstrumente zu ihrer Ver- kleinerung bereit stehen.
Entsprach die erste Erziehung den Anforderungen der Vernunft, ist das Kleine dadurch so stark gewor- den, wie man es nur von seinem Alter erwarten kann, so braucht man, vorzüglich nach dem vierten oder fünften Jahre, mit der Wahl der Speisen durchaus nicht so ängstlich zu sein.
Vier mal täglich zu essen ist vollkommen hin- reichend. Das gesunde, nach den angegebenen Prin- zipien erzogene Kind, wird ohnehin weder zu häufig noch zu viel essen, denn Gefräßigkeit ist meistens Krankheitssymptom, da der schwache Körper von einem dunkeln und irrigen Jnstinct geleitet, durch die Menge der Nahrung seinen Zustand zu verbessern sucht. Ein Kind, das viel im Freien sich bewegt, täglich kalt gewaschen wird, und bei dem Respira- tionsorgane und Haut kräftig functioniren, wird die gehörige Energie besitzen, vegetabilische Stoffe zu verdauen, woran der Magen eines verzärtelten
Eine jede feinere Anlage muß dadurch zu Grunde gehen, und Niemand wird mich uͤberzeugen, daß ein Leſſing, ein Voltaire oder ein Rabelais ohne Gefahr fuͤr ihren ſcharfſinnigen Witz ſchon in der Wiege Bier haͤtten trinken koͤnnen.
Sobald das Kind ſeine Zaͤhne erhalten, iſt es ein |Zeichen, daß man zu feſteren Nahrungsmitteln uͤbergehen muß, da die Jnſtrumente zu ihrer Ver- kleinerung bereit ſtehen.
Entſprach die erſte Erziehung den Anforderungen der Vernunft, iſt das Kleine dadurch ſo ſtark gewor- den, wie man es nur von ſeinem Alter erwarten kann, ſo braucht man, vorzuͤglich nach dem vierten oder fuͤnften Jahre, mit der Wahl der Speiſen durchaus nicht ſo aͤngſtlich zu ſein.
Vier mal taͤglich zu eſſen iſt vollkommen hin- reichend. Das geſunde, nach den angegebenen Prin- zipien erzogene Kind, wird ohnehin weder zu haͤufig noch zu viel eſſen, denn Gefraͤßigkeit iſt meiſtens Krankheitsſymptom, da der ſchwache Koͤrper von einem dunkeln und irrigen Jnſtinct geleitet, durch die Menge der Nahrung ſeinen Zuſtand zu verbeſſern ſucht. Ein Kind, das viel im Freien ſich bewegt, taͤglich kalt gewaſchen wird, und bei dem Respira- tionsorgane und Haut kraͤftig functioniren, wird die gehoͤrige Energie beſitzen, vegetabiliſche Stoffe zu verdauen, woran der Magen eines verzaͤrtelten
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0096"n="86"/><p>Eine jede feinere Anlage muß dadurch zu Grunde<lb/>
gehen, und Niemand wird mich uͤberzeugen, daß ein<lb/>
Leſſing, ein Voltaire oder ein Rabelais ohne Gefahr<lb/>
fuͤr ihren ſcharfſinnigen Witz ſchon in der Wiege<lb/>
Bier haͤtten trinken koͤnnen.</p><lb/><p>Sobald das Kind ſeine Zaͤhne erhalten, iſt es<lb/>
ein |Zeichen, daß man zu feſteren Nahrungsmitteln<lb/>
uͤbergehen muß, da die Jnſtrumente zu ihrer Ver-<lb/>
kleinerung bereit ſtehen.</p><lb/><p>Entſprach die erſte Erziehung den Anforderungen<lb/>
der Vernunft, iſt das Kleine dadurch ſo ſtark gewor-<lb/>
den, wie man es nur von ſeinem Alter erwarten<lb/>
kann, ſo braucht man, vorzuͤglich nach dem vierten<lb/>
oder fuͤnften Jahre, mit der Wahl der Speiſen durchaus<lb/>
nicht ſo aͤngſtlich zu ſein.</p><lb/><p>Vier mal taͤglich zu eſſen iſt vollkommen hin-<lb/>
reichend. Das geſunde, nach den angegebenen Prin-<lb/>
zipien erzogene Kind, wird ohnehin weder zu haͤufig<lb/>
noch zu viel eſſen, denn Gefraͤßigkeit iſt meiſtens<lb/>
Krankheitsſymptom, da der ſchwache Koͤrper von<lb/>
einem dunkeln und irrigen Jnſtinct geleitet, durch die<lb/>
Menge der Nahrung ſeinen Zuſtand zu verbeſſern<lb/>ſucht. Ein Kind, das viel im Freien ſich bewegt,<lb/>
taͤglich kalt gewaſchen wird, und bei dem Respira-<lb/>
tionsorgane und Haut kraͤftig functioniren, wird die<lb/>
gehoͤrige Energie beſitzen, vegetabiliſche Stoffe zu<lb/>
verdauen, woran der Magen eines verzaͤrtelten<lb/></p></div></body></text></TEI>
[86/0096]
Eine jede feinere Anlage muß dadurch zu Grunde
gehen, und Niemand wird mich uͤberzeugen, daß ein
Leſſing, ein Voltaire oder ein Rabelais ohne Gefahr
fuͤr ihren ſcharfſinnigen Witz ſchon in der Wiege
Bier haͤtten trinken koͤnnen.
Sobald das Kind ſeine Zaͤhne erhalten, iſt es
ein |Zeichen, daß man zu feſteren Nahrungsmitteln
uͤbergehen muß, da die Jnſtrumente zu ihrer Ver-
kleinerung bereit ſtehen.
Entſprach die erſte Erziehung den Anforderungen
der Vernunft, iſt das Kleine dadurch ſo ſtark gewor-
den, wie man es nur von ſeinem Alter erwarten
kann, ſo braucht man, vorzuͤglich nach dem vierten
oder fuͤnften Jahre, mit der Wahl der Speiſen durchaus
nicht ſo aͤngſtlich zu ſein.
Vier mal taͤglich zu eſſen iſt vollkommen hin-
reichend. Das geſunde, nach den angegebenen Prin-
zipien erzogene Kind, wird ohnehin weder zu haͤufig
noch zu viel eſſen, denn Gefraͤßigkeit iſt meiſtens
Krankheitsſymptom, da der ſchwache Koͤrper von
einem dunkeln und irrigen Jnſtinct geleitet, durch die
Menge der Nahrung ſeinen Zuſtand zu verbeſſern
ſucht. Ein Kind, das viel im Freien ſich bewegt,
taͤglich kalt gewaſchen wird, und bei dem Respira-
tionsorgane und Haut kraͤftig functioniren, wird die
gehoͤrige Energie beſitzen, vegetabiliſche Stoffe zu
verdauen, woran der Magen eines verzaͤrtelten
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hartwig, Georg Ludwig: Die physische Erziehung der Kinder. Düsseldorf, 1847, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hartwig_erziehung_1847/96>, abgerufen am 22.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.