Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hartwig, Georg Ludwig: Die physische Erziehung der Kinder. Düsseldorf, 1847.

Bild:
<< vorherige Seite

erfordert durchaus einen häufigen Wechsel der Wäsche.
Jn einem offenen Kleide wird jede Verunreinigung
leichter bemerkt, so daß man sogleich den Pflichten,
welche die Reinlichkeit verlangt, nachkommen kann.
Dieser Vortheil ist so groß, daß er allein schon hin-
reicht, das Einwickelu zu verurtheilen. Weg also
mit allen enganliegenden Fesseln! Das Leben hat deren
genug, fangen wir nicht an, sie unnöthiger Weise
unseren Lieben gleich beim Eintritt in dasselbe an-
zulegen.

Um den Neugeborenen gegen Kälte zu schützen,
werden wir ihm daher statt eines Marterzwanges lange,
warme, wollene Kleider anziehen, so daß die Strümpfe
wegfallen können, denn ihre Durchnässung wird oft
übersehen und veranlaßt Erkältung. Keine festen
Binden, welche die Circulation hemmen! Kein Druck
auf irgend einen Theil! Keine zu enganschließende
und zu warme Mützen, denn in den Krankheitslehren
der erfahrensten Kinderärzte finden wir sie als eine
häufige Ursache der tödtlichen Hirnwassersucht ange-
führt. Eine zu warme Kopfbedeckung ist überhaupt
schädlich; sie zieht zu viel Blut nach dem Gehirn
und zur äußeren Kopfhaut, und ist ganz der gol-
denen Regel des Boerhaave zuwider: daß der Kopf
kühl und die Füße warm gehalten werden müssen.
Besonders verwerflich sind Pelzmützen, da sie keine
Ausdünstung durchlassen, den behaarten Kopftheil

erfordert durchaus einen haͤufigen Wechſel der Waͤſche.
Jn einem offenen Kleide wird jede Verunreinigung
leichter bemerkt, ſo daß man ſogleich den Pflichten,
welche die Reinlichkeit verlangt, nachkommen kann.
Dieſer Vortheil iſt ſo groß, daß er allein ſchon hin-
reicht, das Einwickelu zu verurtheilen. Weg alſo
mit allen enganliegenden Feſſeln! Das Leben hat deren
genug, fangen wir nicht an, ſie unnoͤthiger Weiſe
unſeren Lieben gleich beim Eintritt in dasſelbe an-
zulegen.

Um den Neugeborenen gegen Kaͤlte zu ſchuͤtzen,
werden wir ihm daher ſtatt eines Marterzwanges lange,
warme, wollene Kleider anziehen, ſo daß die Struͤmpfe
wegfallen koͤnnen, denn ihre Durchnaͤſſung wird oft
uͤberſehen und veranlaßt Erkaͤltung. Keine feſten
Binden, welche die Circulation hemmen! Kein Druck
auf irgend einen Theil! Keine zu enganſchließende
und zu warme Muͤtzen, denn in den Krankheitslehren
der erfahrenſten Kinderaͤrzte finden wir ſie als eine
haͤufige Urſache der toͤdtlichen Hirnwaſſerſucht ange-
fuͤhrt. Eine zu warme Kopfbedeckung iſt überhaupt
ſchaͤdlich; ſie zieht zu viel Blut nach dem Gehirn
und zur aͤußeren Kopfhaut, und iſt ganz der gol-
denen Regel des Boerhaave zuwider: daß der Kopf
kuͤhl und die Fuͤße warm gehalten werden muͤſſen.
Beſonders verwerflich ſind Pelzmuͤtzen, da ſie keine
Ausduͤnſtung durchlaſſen, den behaarten Kopftheil

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0079" n="69"/>
erfordert durchaus einen ha&#x0364;ufigen Wech&#x017F;el der Wa&#x0364;&#x017F;che.<lb/>
Jn einem offenen Kleide wird jede Verunreinigung<lb/>
leichter bemerkt, &#x017F;o daß man &#x017F;ogleich den Pflichten,<lb/>
welche die Reinlichkeit verlangt, nachkommen kann.<lb/>
Die&#x017F;er Vortheil i&#x017F;t &#x017F;o groß, daß er allein &#x017F;chon hin-<lb/>
reicht, das Einwickelu zu verurtheilen. Weg al&#x017F;o<lb/>
mit allen enganliegenden Fe&#x017F;&#x017F;eln! Das Leben hat deren<lb/>
genug, fangen wir nicht an, &#x017F;ie unno&#x0364;thiger Wei&#x017F;e<lb/>
un&#x017F;eren Lieben gleich beim Eintritt in das&#x017F;elbe an-<lb/>
zulegen.</p><lb/>
        <p>Um den Neugeborenen gegen Ka&#x0364;lte zu &#x017F;chu&#x0364;tzen,<lb/>
werden wir ihm daher &#x017F;tatt eines Marterzwanges lange,<lb/>
warme, wollene Kleider anziehen, &#x017F;o daß die Stru&#x0364;mpfe<lb/>
wegfallen ko&#x0364;nnen, denn ihre Durchna&#x0364;&#x017F;&#x017F;ung wird oft<lb/>
u&#x0364;ber&#x017F;ehen und veranlaßt Erka&#x0364;ltung. Keine fe&#x017F;ten<lb/>
Binden, welche die Circulation hemmen! Kein Druck<lb/>
auf irgend einen Theil! Keine zu engan&#x017F;chließende<lb/>
und zu warme Mu&#x0364;tzen, denn in den Krankheitslehren<lb/>
der erfahren&#x017F;ten Kindera&#x0364;rzte finden wir &#x017F;ie als eine<lb/>
ha&#x0364;ufige Ur&#x017F;ache der to&#x0364;dtlichen Hirnwa&#x017F;&#x017F;er&#x017F;ucht ange-<lb/>
fu&#x0364;hrt. Eine zu warme Kopfbedeckung i&#x017F;t überhaupt<lb/>
&#x017F;cha&#x0364;dlich; &#x017F;ie zieht zu viel Blut nach dem Gehirn<lb/>
und zur a&#x0364;ußeren Kopfhaut, und i&#x017F;t ganz der gol-<lb/>
denen Regel des <hi rendition="#aq">Boerhaave</hi> zuwider: daß der Kopf<lb/>
ku&#x0364;hl und die Fu&#x0364;ße warm gehalten werden mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en.<lb/>
Be&#x017F;onders verwerflich &#x017F;ind Pelzmu&#x0364;tzen, da &#x017F;ie keine<lb/>
Ausdu&#x0364;n&#x017F;tung durchla&#x017F;&#x017F;en, den behaarten Kopftheil<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[69/0079] erfordert durchaus einen haͤufigen Wechſel der Waͤſche. Jn einem offenen Kleide wird jede Verunreinigung leichter bemerkt, ſo daß man ſogleich den Pflichten, welche die Reinlichkeit verlangt, nachkommen kann. Dieſer Vortheil iſt ſo groß, daß er allein ſchon hin- reicht, das Einwickelu zu verurtheilen. Weg alſo mit allen enganliegenden Feſſeln! Das Leben hat deren genug, fangen wir nicht an, ſie unnoͤthiger Weiſe unſeren Lieben gleich beim Eintritt in dasſelbe an- zulegen. Um den Neugeborenen gegen Kaͤlte zu ſchuͤtzen, werden wir ihm daher ſtatt eines Marterzwanges lange, warme, wollene Kleider anziehen, ſo daß die Struͤmpfe wegfallen koͤnnen, denn ihre Durchnaͤſſung wird oft uͤberſehen und veranlaßt Erkaͤltung. Keine feſten Binden, welche die Circulation hemmen! Kein Druck auf irgend einen Theil! Keine zu enganſchließende und zu warme Muͤtzen, denn in den Krankheitslehren der erfahrenſten Kinderaͤrzte finden wir ſie als eine haͤufige Urſache der toͤdtlichen Hirnwaſſerſucht ange- fuͤhrt. Eine zu warme Kopfbedeckung iſt überhaupt ſchaͤdlich; ſie zieht zu viel Blut nach dem Gehirn und zur aͤußeren Kopfhaut, und iſt ganz der gol- denen Regel des Boerhaave zuwider: daß der Kopf kuͤhl und die Fuͤße warm gehalten werden muͤſſen. Beſonders verwerflich ſind Pelzmuͤtzen, da ſie keine Ausduͤnſtung durchlaſſen, den behaarten Kopftheil

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hartwig_erziehung_1847
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hartwig_erziehung_1847/79
Zitationshilfe: Hartwig, Georg Ludwig: Die physische Erziehung der Kinder. Düsseldorf, 1847, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hartwig_erziehung_1847/79>, abgerufen am 05.05.2024.