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Hartwig, Georg Ludwig: Die physische Erziehung der Kinder. Düsseldorf, 1847.

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Es kann einer noch so mäßig leben, noch so
sehr für Reinlichkeit sorgen, noch so sehr seine Lei-
denschaften, diese so häufigen Gesundheitsstörer in
seiner Gewalt haben, es ist unmöglich, daß er stark
und gesund bleibe, wenn er die nöthige Bewegung
vernachlässigt. Die Betrachtung ihres Einflusses auf
alle Hauptorgane unseres Körpers, wird uns von
ihrer überaus großen Wichtigkeit überzeugen und den
Ausspruch des berühmten Sydenham, des englischen
Hippocrates, rechtfertigen, der sie für das vorzüglichste
Stärkungsmittel erklärt. Aber wie wenig wird noch
ihre mächtige Wirkung vom Publikum gewürdigt und
ihre Heilkraft benutzt! Wie leer sieht es noch immer,
außer an heitern Sonn- und Festtagen, auf den Pro-
menaden aus, die gewiß auch in der Woche nicht
so verlassen sein würden, wenn die Nothwendigkeit
der Bewegung im Freien, wie sie es wohl verdiente,
allgemein anerkannt wäre. Man darf aber durchaus
nicht glauben, daß man bei unterlassener Bewegung
gesund bleiben könne. Wäre es möglich, daß ein
starker, gesunder Organismus (vom bloßen Vegetiren
ist natürlich nicht die Rede), bei lange fortgesetztem
Mangel an Bewegung bestehen könnte, so ist alles
was Wissenschaft und Erfahrung uns über die Natur
des Menschen lehren, durchaus werthlos, und es dürfte
in unserm Zeitalter von Diätetik eben so wenig als
von der Astrologie und Hermeneutik die Rede sein.

Es kann einer noch ſo maͤßig leben, noch ſo
ſehr fuͤr Reinlichkeit ſorgen, noch ſo ſehr ſeine Lei-
denſchaften, dieſe ſo haͤufigen Geſundheitsſtoͤrer in
ſeiner Gewalt haben, es iſt unmoͤglich, daß er ſtark
und geſund bleibe, wenn er die noͤthige Bewegung
vernachlaͤſſigt. Die Betrachtung ihres Einfluſſes auf
alle Hauptorgane unſeres Koͤrpers, wird uns von
ihrer uͤberaus großen Wichtigkeit überzeugen und den
Ausſpruch des beruͤhmten Sydenham, des engliſchen
Hippocrates, rechtfertigen, der ſie fuͤr das vorzüglichſte
Staͤrkungsmittel erklaͤrt. Aber wie wenig wird noch
ihre maͤchtige Wirkung vom Publikum gewuͤrdigt und
ihre Heilkraft benutzt! Wie leer ſieht es noch immer,
außer an heitern Sonn- und Feſttagen, auf den Pro-
menaden aus, die gewiß auch in der Woche nicht
ſo verlaſſen ſein wuͤrden, wenn die Nothwendigkeit
der Bewegung im Freien, wie ſie es wohl verdiente,
allgemein anerkannt wäre. Man darf aber durchaus
nicht glauben, daß man bei unterlaſſener Bewegung
geſund bleiben koͤnne. Waͤre es moͤglich, daß ein
ſtarker, geſunder Organismus (vom bloßen Vegetiren
iſt natuͤrlich nicht die Rede), bei lange fortgeſetztem
Mangel an Bewegung beſtehen koͤnnte, ſo iſt alles
was Wiſſenſchaft und Erfahrung uns uͤber die Natur
des Menſchen lehren, durchaus werthlos, und es duͤrfte
in unſerm Zeitalter von Diaͤtetik eben ſo wenig als
von der Aſtrologie und Hermeneutik die Rede ſein.

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[25/0035] Es kann einer noch ſo maͤßig leben, noch ſo ſehr fuͤr Reinlichkeit ſorgen, noch ſo ſehr ſeine Lei- denſchaften, dieſe ſo haͤufigen Geſundheitsſtoͤrer in ſeiner Gewalt haben, es iſt unmoͤglich, daß er ſtark und geſund bleibe, wenn er die noͤthige Bewegung vernachlaͤſſigt. Die Betrachtung ihres Einfluſſes auf alle Hauptorgane unſeres Koͤrpers, wird uns von ihrer uͤberaus großen Wichtigkeit überzeugen und den Ausſpruch des beruͤhmten Sydenham, des engliſchen Hippocrates, rechtfertigen, der ſie fuͤr das vorzüglichſte Staͤrkungsmittel erklaͤrt. Aber wie wenig wird noch ihre maͤchtige Wirkung vom Publikum gewuͤrdigt und ihre Heilkraft benutzt! Wie leer ſieht es noch immer, außer an heitern Sonn- und Feſttagen, auf den Pro- menaden aus, die gewiß auch in der Woche nicht ſo verlaſſen ſein wuͤrden, wenn die Nothwendigkeit der Bewegung im Freien, wie ſie es wohl verdiente, allgemein anerkannt wäre. Man darf aber durchaus nicht glauben, daß man bei unterlaſſener Bewegung geſund bleiben koͤnne. Waͤre es moͤglich, daß ein ſtarker, geſunder Organismus (vom bloßen Vegetiren iſt natuͤrlich nicht die Rede), bei lange fortgeſetztem Mangel an Bewegung beſtehen koͤnnte, ſo iſt alles was Wiſſenſchaft und Erfahrung uns uͤber die Natur des Menſchen lehren, durchaus werthlos, und es duͤrfte in unſerm Zeitalter von Diaͤtetik eben ſo wenig als von der Aſtrologie und Hermeneutik die Rede ſein.

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Zitationshilfe: Hartwig, Georg Ludwig: Die physische Erziehung der Kinder. Düsseldorf, 1847, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hartwig_erziehung_1847/35>, abgerufen am 28.03.2024.