dadurch in die Reihe der öffentlichen Charactere und gehört vor das Forum der öffentlichen Meinung. Auch in den besteingerichteten Schulstuben werden die Uebel des zu lange Sitzens noch immer groß genug sein. Wie ihr es auch anfangt, so wird doch durch die gebückte Lage, welche das Kind beim Lesen oder Schreiben annimmt, die Circulation seines Blutes gehemmt, die Thätigkeit seiner Lungen geschwächt und seine Verdauung gestört werden. Sorgt noch so sehr für Ventilation, sorgt noch so sehr für ein gehö- riges Licht, eine feste Gesundheit und langes Stubensitzen sind unverträglich, und wenn ihr, wie nicht anders zu erwarten steht, wirklich überzeugt seid, daß die Gesundheit eurer Kinder alle andern Rücksichten verdunkelt, so werdet ihr gewiß die Stunden des Stillsitzens nicht auf Kosten des kör- perlichen Gedeihens verlängern wollen. Jhr werdet es um so weniger, wenn ihr bedenkt, daß ihr ohne- hin auf diesem Wege nur Scheinfrüchte für den Geist gewinnen könnt und Gefahr lauft, ihn zugleich mit dem Körper zu verkrüppeln. Kämet ihr doch endlich zur Erkenntniß, daß alle geistigen und kör- perlichen Fähigkeiten des Menschen Zweige sind, die aus einem gemeinschaftlichen Stamme entspringen, und daß einer mit dem andern blüht, so wie einer mit dem andern verwelkt. Es gibt Kinder von früh- reifem Verstande, die alles mit erstaunlicher Leichtigkeit
dadurch in die Reihe der oͤffentlichen Charactere und gehoͤrt vor das Forum der oͤffentlichen Meinung. Auch in den beſteingerichteten Schulſtuben werden die Uebel des zu lange Sitzens noch immer groß genug ſein. Wie ihr es auch anfangt, ſo wird doch durch die gebuͤckte Lage, welche das Kind beim Leſen oder Schreiben annimmt, die Circulation ſeines Blutes gehemmt, die Thaͤtigkeit ſeiner Lungen geſchwaͤcht und ſeine Verdauung geſtoͤrt werden. Sorgt noch ſo ſehr fuͤr Ventilation, ſorgt noch ſo ſehr fuͤr ein gehoͤ- riges Licht, eine feſte Geſundheit und langes Stubenſitzen ſind unvertraͤglich, und wenn ihr, wie nicht anders zu erwarten ſteht, wirklich uͤberzeugt ſeid, daß die Geſundheit eurer Kinder alle andern Ruͤckſichten verdunkelt, ſo werdet ihr gewiß die Stunden des Stillſitzens nicht auf Koſten des koͤr- perlichen Gedeihens verlaͤngern wollen. Jhr werdet es um ſo weniger, wenn ihr bedenkt, daß ihr ohne- hin auf dieſem Wege nur Scheinfruͤchte fuͤr den Geiſt gewinnen koͤnnt und Gefahr lauft, ihn zugleich mit dem Koͤrper zu verkruͤppeln. Kaͤmet ihr doch endlich zur Erkenntniß, daß alle geiſtigen und koͤr- perlichen Faͤhigkeiten des Menſchen Zweige ſind, die aus einem gemeinſchaftlichen Stamme entſpringen, und daß einer mit dem andern bluͤht, ſo wie einer mit dem andern verwelkt. Es gibt Kinder von fruͤh- reifem Verſtande, die alles mit erſtaunlicher Leichtigkeit
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dadurch in die Reihe der oͤffentlichen Charactere und
gehoͤrt vor das Forum der oͤffentlichen Meinung.
Auch in den beſteingerichteten Schulſtuben werden
die Uebel des zu lange Sitzens noch immer groß
genug ſein. Wie ihr es auch anfangt, ſo wird doch durch
die gebuͤckte Lage, welche das Kind beim Leſen oder
Schreiben annimmt, die Circulation ſeines Blutes
gehemmt, die Thaͤtigkeit ſeiner Lungen geſchwaͤcht
und ſeine Verdauung geſtoͤrt werden. Sorgt noch ſo
ſehr fuͤr Ventilation, ſorgt noch ſo ſehr fuͤr ein gehoͤ-
riges Licht, eine feſte Geſundheit und langes
Stubenſitzen ſind unvertraͤglich, und wenn ihr, wie
nicht anders zu erwarten ſteht, wirklich uͤberzeugt
ſeid, daß die Geſundheit eurer Kinder alle andern
Ruͤckſichten verdunkelt, ſo werdet ihr gewiß die
Stunden des Stillſitzens nicht auf Koſten des koͤr-
perlichen Gedeihens verlaͤngern wollen. Jhr werdet
es um ſo weniger, wenn ihr bedenkt, daß ihr ohne-
hin auf dieſem Wege nur Scheinfruͤchte fuͤr den
Geiſt gewinnen koͤnnt und Gefahr lauft, ihn zugleich
mit dem Koͤrper zu verkruͤppeln. Kaͤmet ihr doch
endlich zur Erkenntniß, daß alle geiſtigen und koͤr-
perlichen Faͤhigkeiten des Menſchen Zweige ſind, die
aus einem gemeinſchaftlichen Stamme entſpringen,
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Hartwig, Georg Ludwig: Die physische Erziehung der Kinder. Düsseldorf, 1847, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hartwig_erziehung_1847/124>, abgerufen am 03.07.2024.
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