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Hartmann, Eugen: Entwicklungs-Geschichte der Posten von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart. Leipzig, 1868.

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hatten, das Bedürfniß der Zeit richtig erfaßt und sich an die
Spitze der fortschreitenden Bewegung gestellt hätten, waren ihnen
doch die Anstalten des deutschen Ritterordens bekannt, und bot
ihnen die mächtige Entwicklung des Postwesens in Frankreich
gewiß das aufmunterndste Beispiel. Allein vergebens! die
Städte gingen selbst schon zum größten Theile ihrem innern
Verfalle entgegen, wenn auch noch sehr viele im Genuß ihrer
gesammelten Reichthümer in behaglicher Behäbigkeit sich an den
schon halbvergilbten Blättern ihrer Chroniken erfreuten und sich
in einem stolzen Selbstbewußtsein ihrer Kräfte schaukelten.
Aber die fortwuchernde Krankheit des Zunftwesens zehrte an
ihrem Marke. Die freie Bewegung war und blieb gehemmt
und diese Fesseln legten sich auch mit ihrem ehernen Gewicht
auf alle Entwicklung des Verkehrswesens. Die Boten und
Fuhrleute betrachteten sich ebenso gut als Genossenschaften und
Zünfte mit unantastbaren Vergünstigungen, und die Geleits-
briefe hatten überdem Verpflichtungen und Ansprüche geschaffen,
die nun einmal, sobald man den Standpunkt der Sonderrechte
einnahm, nur mit den größten Schwierigkeiten zu beseitigen
waren. Statt nun aus dieser weit verbreiteten Verwirrung
heraus eine allgemeine Grundlage zu suchen, welche zwar die
ungebührlichen Ansprüche Einzelner beschränkt, aber dafür den
Vortheil des Ganzen sicher gestellt haben würde, bissen sich die
Städte immer tiefer in ihre pergamentenen Verbriefungen hin-
ein, und die Verkümmerung ihres eigenen Lebens hielt mit der
zunehmenden Unleserlichkeit der alten Urkunden gleichen Schritt1).

1) Flegler, zur Geschichte der Posten.

hatten, das Bedürfniß der Zeit richtig erfaßt und ſich an die
Spitze der fortſchreitenden Bewegung geſtellt hätten, waren ihnen
doch die Anſtalten des deutſchen Ritterordens bekannt, und bot
ihnen die mächtige Entwicklung des Poſtweſens in Frankreich
gewiß das aufmunterndſte Beiſpiel. Allein vergebens! die
Städte gingen ſelbſt ſchon zum größten Theile ihrem innern
Verfalle entgegen, wenn auch noch ſehr viele im Genuß ihrer
geſammelten Reichthümer in behaglicher Behäbigkeit ſich an den
ſchon halbvergilbten Blättern ihrer Chroniken erfreuten und ſich
in einem ſtolzen Selbſtbewußtſein ihrer Kräfte ſchaukelten.
Aber die fortwuchernde Krankheit des Zunftweſens zehrte an
ihrem Marke. Die freie Bewegung war und blieb gehemmt
und dieſe Feſſeln legten ſich auch mit ihrem ehernen Gewicht
auf alle Entwicklung des Verkehrsweſens. Die Boten und
Fuhrleute betrachteten ſich ebenſo gut als Genoſſenſchaften und
Zünfte mit unantaſtbaren Vergünſtigungen, und die Geleits-
briefe hatten überdem Verpflichtungen und Anſprüche geſchaffen,
die nun einmal, ſobald man den Standpunkt der Sonderrechte
einnahm, nur mit den größten Schwierigkeiten zu beſeitigen
waren. Statt nun aus dieſer weit verbreiteten Verwirrung
heraus eine allgemeine Grundlage zu ſuchen, welche zwar die
ungebührlichen Anſprüche Einzelner beſchränkt, aber dafür den
Vortheil des Ganzen ſicher geſtellt haben würde, biſſen ſich die
Städte immer tiefer in ihre pergamentenen Verbriefungen hin-
ein, und die Verkümmerung ihres eigenen Lebens hielt mit der
zunehmenden Unleſerlichkeit der alten Urkunden gleichen Schritt1).

1) Flegler, zur Geſchichte der Poſten.
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[249/0262] hatten, das Bedürfniß der Zeit richtig erfaßt und ſich an die Spitze der fortſchreitenden Bewegung geſtellt hätten, waren ihnen doch die Anſtalten des deutſchen Ritterordens bekannt, und bot ihnen die mächtige Entwicklung des Poſtweſens in Frankreich gewiß das aufmunterndſte Beiſpiel. Allein vergebens! die Städte gingen ſelbſt ſchon zum größten Theile ihrem innern Verfalle entgegen, wenn auch noch ſehr viele im Genuß ihrer geſammelten Reichthümer in behaglicher Behäbigkeit ſich an den ſchon halbvergilbten Blättern ihrer Chroniken erfreuten und ſich in einem ſtolzen Selbſtbewußtſein ihrer Kräfte ſchaukelten. Aber die fortwuchernde Krankheit des Zunftweſens zehrte an ihrem Marke. Die freie Bewegung war und blieb gehemmt und dieſe Feſſeln legten ſich auch mit ihrem ehernen Gewicht auf alle Entwicklung des Verkehrsweſens. Die Boten und Fuhrleute betrachteten ſich ebenſo gut als Genoſſenſchaften und Zünfte mit unantaſtbaren Vergünſtigungen, und die Geleits- briefe hatten überdem Verpflichtungen und Anſprüche geſchaffen, die nun einmal, ſobald man den Standpunkt der Sonderrechte einnahm, nur mit den größten Schwierigkeiten zu beſeitigen waren. Statt nun aus dieſer weit verbreiteten Verwirrung heraus eine allgemeine Grundlage zu ſuchen, welche zwar die ungebührlichen Anſprüche Einzelner beſchränkt, aber dafür den Vortheil des Ganzen ſicher geſtellt haben würde, biſſen ſich die Städte immer tiefer in ihre pergamentenen Verbriefungen hin- ein, und die Verkümmerung ihres eigenen Lebens hielt mit der zunehmenden Unleſerlichkeit der alten Urkunden gleichen Schritt 1). 1) Flegler, zur Geſchichte der Poſten.

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Zitationshilfe: Hartmann, Eugen: Entwicklungs-Geschichte der Posten von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart. Leipzig, 1868, S. 249. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hartmann_posten_1868/262>, abgerufen am 22.11.2024.