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Hartmann, Eugen: Entwicklungs-Geschichte der Posten von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart. Leipzig, 1868.

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geistigen Leben, wuchsen auch die Bedürfnisse seiner Befriedig-
ung in Gestalt des gegenseitigen Meinungsaustausches; man
denke doch daran, welchen Umschwung im geistigen Verkehr die
Streitfragen der Reformation hervorriefen!

Es gestaltete sich daher zu einer dringenden Nothwendigkeit,
daß auch die bisherigen Verkehrsmittel sich entsprechend nach
den Bedürfnissen der Zeit ausdehnten, und namentlich, daß
die Benützung der gegebenen Anstalten auch den allgemeinen
Gesellschaftskreisen zugänglich gemacht wurde.

Und merkwürdig genug, aber auch bezeichnend genug für
die bisherige Zerrissenheit jeder politischen Einheit wollte sich
in Deutschland noch lange nicht der Genius zeigen, der diese
Verhältnisse erkennend, sich mit rettender Hand an die Besser-
ung solcher Zustände wagte! Jm Gegentheile, in manchen
Gegenden ward es mit dem Eintritt dieser neuen Zeit noch
schlechter als es im Mittelalter gewesen, denn die neu einge-
tretenen politischen und socialen Verhältnisse hatten zwar so
manche auf dem Gebiete des Verkehrslebens hoffnungsvolle Ein-
richtungen aus ihren Fugen gerissen, ohne positiv etwas Neues
als Ersatz dafür zu geben. --

So hatte namentlich der deutsche Handel und insbesondere
der Handel der Hansestädte seinen Hauptstoß durch die Ent-
deckung des neuen Weges nach Ostindien, namentlich der Fahrt
um das Vorgebirge der guten Hoffnung, welchen der Portugiese
Vasco de Gama im Jahre 1498 fand, erhalten.

Der ostindische Handel nahm ehemals seinen Zug über
Suez und wurde von den Venetianern, Genuesen etc. etc. nach
Europa geleitet. Deutschlands Städte, welche so glücklich waren,
den Handel weiter zu vermitteln, wurden sehr reich, denn sie

geiſtigen Leben, wuchſen auch die Bedürfniſſe ſeiner Befriedig-
ung in Geſtalt des gegenſeitigen Meinungsaustauſches; man
denke doch daran, welchen Umſchwung im geiſtigen Verkehr die
Streitfragen der Reformation hervorriefen!

Es geſtaltete ſich daher zu einer dringenden Nothwendigkeit,
daß auch die bisherigen Verkehrsmittel ſich entſprechend nach
den Bedürfniſſen der Zeit ausdehnten, und namentlich, daß
die Benützung der gegebenen Anſtalten auch den allgemeinen
Geſellſchaftskreiſen zugänglich gemacht wurde.

Und merkwürdig genug, aber auch bezeichnend genug für
die bisherige Zerriſſenheit jeder politiſchen Einheit wollte ſich
in Deutſchland noch lange nicht der Genius zeigen, der dieſe
Verhältniſſe erkennend, ſich mit rettender Hand an die Beſſer-
ung ſolcher Zuſtände wagte! Jm Gegentheile, in manchen
Gegenden ward es mit dem Eintritt dieſer neuen Zeit noch
ſchlechter als es im Mittelalter geweſen, denn die neu einge-
tretenen politiſchen und ſocialen Verhältniſſe hatten zwar ſo
manche auf dem Gebiete des Verkehrslebens hoffnungsvolle Ein-
richtungen aus ihren Fugen geriſſen, ohne poſitiv etwas Neues
als Erſatz dafür zu geben. —

So hatte namentlich der deutſche Handel und insbeſondere
der Handel der Hanſeſtädte ſeinen Hauptſtoß durch die Ent-
deckung des neuen Weges nach Oſtindien, namentlich der Fahrt
um das Vorgebirge der guten Hoffnung, welchen der Portugieſe
Vasco de Gama im Jahre 1498 fand, erhalten.

Der oſtindiſche Handel nahm ehemals ſeinen Zug über
Suez und wurde von den Venetianern, Genueſen ꝛc. ꝛc. nach
Europa geleitet. Deutſchlands Städte, welche ſo glücklich waren,
den Handel weiter zu vermitteln, wurden ſehr reich, denn ſie

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[221/0234] geiſtigen Leben, wuchſen auch die Bedürfniſſe ſeiner Befriedig- ung in Geſtalt des gegenſeitigen Meinungsaustauſches; man denke doch daran, welchen Umſchwung im geiſtigen Verkehr die Streitfragen der Reformation hervorriefen! Es geſtaltete ſich daher zu einer dringenden Nothwendigkeit, daß auch die bisherigen Verkehrsmittel ſich entſprechend nach den Bedürfniſſen der Zeit ausdehnten, und namentlich, daß die Benützung der gegebenen Anſtalten auch den allgemeinen Geſellſchaftskreiſen zugänglich gemacht wurde. Und merkwürdig genug, aber auch bezeichnend genug für die bisherige Zerriſſenheit jeder politiſchen Einheit wollte ſich in Deutſchland noch lange nicht der Genius zeigen, der dieſe Verhältniſſe erkennend, ſich mit rettender Hand an die Beſſer- ung ſolcher Zuſtände wagte! Jm Gegentheile, in manchen Gegenden ward es mit dem Eintritt dieſer neuen Zeit noch ſchlechter als es im Mittelalter geweſen, denn die neu einge- tretenen politiſchen und ſocialen Verhältniſſe hatten zwar ſo manche auf dem Gebiete des Verkehrslebens hoffnungsvolle Ein- richtungen aus ihren Fugen geriſſen, ohne poſitiv etwas Neues als Erſatz dafür zu geben. — So hatte namentlich der deutſche Handel und insbeſondere der Handel der Hanſeſtädte ſeinen Hauptſtoß durch die Ent- deckung des neuen Weges nach Oſtindien, namentlich der Fahrt um das Vorgebirge der guten Hoffnung, welchen der Portugieſe Vasco de Gama im Jahre 1498 fand, erhalten. Der oſtindiſche Handel nahm ehemals ſeinen Zug über Suez und wurde von den Venetianern, Genueſen ꝛc. ꝛc. nach Europa geleitet. Deutſchlands Städte, welche ſo glücklich waren, den Handel weiter zu vermitteln, wurden ſehr reich, denn ſie

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Zitationshilfe: Hartmann, Eugen: Entwicklungs-Geschichte der Posten von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart. Leipzig, 1868, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hartmann_posten_1868/234>, abgerufen am 27.04.2024.