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Hartmann, Eugen: Entwicklungs-Geschichte der Posten von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart. Leipzig, 1868.

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Endlich wieder, nach fast 1000jähriger Nacht erfreuen uns
die Strahlen eines schönen Morgenlichts, wunderbar vorbereitet
durch die finstern Jahrhunderte, dann langsam emporsteigend,
zuletzt mit plötzlich hellem Schein die Welt begrüßend.

Mit der Wiederkehr der neu belebten Freiheit, mit der
wiederkehrenden bürgerlichen Ordnung kehrte auch der Geschmack
an den Wissenschaften wieder. Die classische Literatur der
Griechen und Römer ward wieder aufgesucht und ein reger
Eifer gründete neue Schulen oder hob die bestehenden zu neuem
Glanz empor; so entwickelte sich namentlich in dieser Zeit eine
ansehnliche Zahl hoher Schulen oder Universitäten in
Deutschland.

Die Wirkung von alledem wäre jedoch nur beschränkt und
vorübergehend, wenigstens abhängig von der Gunst nachfolg-
ender Zufälle, ja Personen gewesen, hätte nicht die Erfindung
der Buchdruckerkunst (um 1450) noch in eben diesem Zeit-
raum sie in's Unermeßliche erweitert und für immer befestigt.
Diese so große Erfindung, durch welche, wie Herder sagt, die
Gesellschaft aller denkenden Menschen in allen Welttheilen eine
gesammelte und sichtbare Kirche geworden ist, trat ein in dem
glücklichen Zeitpunkte der jugendlich kräftigen, freudig aufstreb-
enden Geistesthätigkeit der europäischen Völker, eben als es
galt, die kostbarsten schon errungenen Schätze in Sicherheit zu
bringen und den Grund zu weitern entscheidenden Fortschritten
zu legen. -- Der deutschen Nation gehört der Ruhm so heil-
bringender Erfindung!

Schon vor der Erfindung der Buchdruckerkunst war die
Bereitung des Linnenpapiers, welches allmählig an die Stelle
des älteren Baumwollenpapiers mit unermeßlichem Vortheil ge-

Endlich wieder, nach faſt 1000jähriger Nacht erfreuen uns
die Strahlen eines ſchönen Morgenlichts, wunderbar vorbereitet
durch die finſtern Jahrhunderte, dann langſam emporſteigend,
zuletzt mit plötzlich hellem Schein die Welt begrüßend.

Mit der Wiederkehr der neu belebten Freiheit, mit der
wiederkehrenden bürgerlichen Ordnung kehrte auch der Geſchmack
an den Wiſſenſchaften wieder. Die claſſiſche Literatur der
Griechen und Römer ward wieder aufgeſucht und ein reger
Eifer gründete neue Schulen oder hob die beſtehenden zu neuem
Glanz empor; ſo entwickelte ſich namentlich in dieſer Zeit eine
anſehnliche Zahl hoher Schulen oder Univerſitäten in
Deutſchland.

Die Wirkung von alledem wäre jedoch nur beſchränkt und
vorübergehend, wenigſtens abhängig von der Gunſt nachfolg-
ender Zufälle, ja Perſonen geweſen, hätte nicht die Erfindung
der Buchdruckerkunſt (um 1450) noch in eben dieſem Zeit-
raum ſie in's Unermeßliche erweitert und für immer befeſtigt.
Dieſe ſo große Erfindung, durch welche, wie Herder ſagt, die
Geſellſchaft aller denkenden Menſchen in allen Welttheilen eine
geſammelte und ſichtbare Kirche geworden iſt, trat ein in dem
glücklichen Zeitpunkte der jugendlich kräftigen, freudig aufſtreb-
enden Geiſtesthätigkeit der europäiſchen Völker, eben als es
galt, die koſtbarſten ſchon errungenen Schätze in Sicherheit zu
bringen und den Grund zu weitern entſcheidenden Fortſchritten
zu legen. — Der deutſchen Nation gehört der Ruhm ſo heil-
bringender Erfindung!

Schon vor der Erfindung der Buchdruckerkunſt war die
Bereitung des Linnenpapiers, welches allmählig an die Stelle
des älteren Baumwollenpapiers mit unermeßlichem Vortheil ge-

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[216/0229] Endlich wieder, nach faſt 1000jähriger Nacht erfreuen uns die Strahlen eines ſchönen Morgenlichts, wunderbar vorbereitet durch die finſtern Jahrhunderte, dann langſam emporſteigend, zuletzt mit plötzlich hellem Schein die Welt begrüßend. Mit der Wiederkehr der neu belebten Freiheit, mit der wiederkehrenden bürgerlichen Ordnung kehrte auch der Geſchmack an den Wiſſenſchaften wieder. Die claſſiſche Literatur der Griechen und Römer ward wieder aufgeſucht und ein reger Eifer gründete neue Schulen oder hob die beſtehenden zu neuem Glanz empor; ſo entwickelte ſich namentlich in dieſer Zeit eine anſehnliche Zahl hoher Schulen oder Univerſitäten in Deutſchland. Die Wirkung von alledem wäre jedoch nur beſchränkt und vorübergehend, wenigſtens abhängig von der Gunſt nachfolg- ender Zufälle, ja Perſonen geweſen, hätte nicht die Erfindung der Buchdruckerkunſt (um 1450) noch in eben dieſem Zeit- raum ſie in's Unermeßliche erweitert und für immer befeſtigt. Dieſe ſo große Erfindung, durch welche, wie Herder ſagt, die Geſellſchaft aller denkenden Menſchen in allen Welttheilen eine geſammelte und ſichtbare Kirche geworden iſt, trat ein in dem glücklichen Zeitpunkte der jugendlich kräftigen, freudig aufſtreb- enden Geiſtesthätigkeit der europäiſchen Völker, eben als es galt, die koſtbarſten ſchon errungenen Schätze in Sicherheit zu bringen und den Grund zu weitern entſcheidenden Fortſchritten zu legen. — Der deutſchen Nation gehört der Ruhm ſo heil- bringender Erfindung! Schon vor der Erfindung der Buchdruckerkunſt war die Bereitung des Linnenpapiers, welches allmählig an die Stelle des älteren Baumwollenpapiers mit unermeßlichem Vortheil ge-

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Zitationshilfe: Hartmann, Eugen: Entwicklungs-Geschichte der Posten von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart. Leipzig, 1868, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hartmann_posten_1868/229>, abgerufen am 27.04.2024.