Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hartmann, Eugen: Entwicklungs-Geschichte der Posten von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart. Leipzig, 1868.

Bild:
<< vorherige Seite

der römischen Postanstalten, aber leider können wir uns nicht
zu dem Glauben hinreißen lassen, daß der Gedanke seine Ver-
wirklichung fand; selbst wenn es der Fall gewesen war, so
ging es mit dieser Einrichtung wie mit vielen andern, die Karl
der Große gegründet oder entworfen hatte; sie ging ebenso zu
Grunde wie die Kanalbauten in Mitte der unseligen Kriege;
sie scheiterte an der Unzulänglichkeit der Hülfsmittel, die er den
Schwierigkeiten der Natur in einer so rohen und finstern Zeit
entgegensetzen konnte, sie brach sich an dem widerstrebenden
Sinne der auseinandergehenden Nationalitäten, sie verlor sich
vollends in den Kriegen seiner Nachfolger und in der Theilung
des Reiches! -- Denn mit dem allmähligen Verzichte auf alle
Rechte des Königthums, sowie auf das Princip der Centrali-
sation, welches sie weder zu erhalten noch zu begreifen ver-
mochten, hatten Karls Nachfolger nichts Eiligeres zu thun, als
die Bande zu zerreißen, welche die Völker unter ihrem Scepter
vereinigte und sich selbst der Attribute königlicher Macht zu
entkleiden, um sie kläglich mit den feudalen Gilten und Zehn-
ten zu vertauschen.

Mit diesem verschwenderischen Aufgeben der königlichen Ge-
rechtsame, souveränen Macht und Centralregierung ist es auch
erklärlich, warum die Befreiung von der Unterthanenlast, pa-
ratos
zu halten und paraveredos zu stellen, sich so häufig
schon in den Freibriefen Ludwig des Frommen an Beamte und
Vasallen, bevorab an Kirchen und Klöster vorfindet. Jn der
That enthalten seitdem die kaiserlichen Urkunden über die kirch-
liche Jmmunität immer eine ständige Formel gegen jede Art
von Zwangspflicht in Sachen des Verkehrs, nur die speciellen
Befehle des Königs selber ausgenommen.

der römiſchen Poſtanſtalten, aber leider können wir uns nicht
zu dem Glauben hinreißen laſſen, daß der Gedanke ſeine Ver-
wirklichung fand; ſelbſt wenn es der Fall geweſen war, ſo
ging es mit dieſer Einrichtung wie mit vielen andern, die Karl
der Große gegründet oder entworfen hatte; ſie ging ebenſo zu
Grunde wie die Kanalbauten in Mitte der unſeligen Kriege;
ſie ſcheiterte an der Unzulänglichkeit der Hülfsmittel, die er den
Schwierigkeiten der Natur in einer ſo rohen und finſtern Zeit
entgegenſetzen konnte, ſie brach ſich an dem widerſtrebenden
Sinne der auseinandergehenden Nationalitäten, ſie verlor ſich
vollends in den Kriegen ſeiner Nachfolger und in der Theilung
des Reiches! — Denn mit dem allmähligen Verzichte auf alle
Rechte des Königthums, ſowie auf das Princip der Centrali-
ſation, welches ſie weder zu erhalten noch zu begreifen ver-
mochten, hatten Karls Nachfolger nichts Eiligeres zu thun, als
die Bande zu zerreißen, welche die Völker unter ihrem Scepter
vereinigte und ſich ſelbſt der Attribute königlicher Macht zu
entkleiden, um ſie kläglich mit den feudalen Gilten und Zehn-
ten zu vertauſchen.

Mit dieſem verſchwenderiſchen Aufgeben der königlichen Ge-
rechtſame, ſouveränen Macht und Centralregierung iſt es auch
erklärlich, warum die Befreiung von der Unterthanenlaſt, pa-
ratos
zu halten und paraveredos zu ſtellen, ſich ſo häufig
ſchon in den Freibriefen Ludwig des Frommen an Beamte und
Vaſallen, bevorab an Kirchen und Klöſter vorfindet. Jn der
That enthalten ſeitdem die kaiſerlichen Urkunden über die kirch-
liche Jmmunität immer eine ſtändige Formel gegen jede Art
von Zwangspflicht in Sachen des Verkehrs, nur die ſpeciellen
Befehle des Königs ſelber ausgenommen.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0166" n="153"/>
der römi&#x017F;chen Po&#x017F;tan&#x017F;talten, aber leider können wir uns nicht<lb/>
zu dem Glauben hinreißen la&#x017F;&#x017F;en, daß der Gedanke &#x017F;eine Ver-<lb/>
wirklichung fand; &#x017F;elb&#x017F;t wenn es der Fall gewe&#x017F;en war, &#x017F;o<lb/>
ging es mit die&#x017F;er Einrichtung wie mit vielen andern, die Karl<lb/>
der Große gegründet oder entworfen hatte; &#x017F;ie ging eben&#x017F;o zu<lb/>
Grunde wie die Kanalbauten in Mitte der un&#x017F;eligen Kriege;<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;cheiterte an der Unzulänglichkeit der Hülfsmittel, die er den<lb/>
Schwierigkeiten der Natur in einer &#x017F;o rohen und fin&#x017F;tern Zeit<lb/>
entgegen&#x017F;etzen konnte, &#x017F;ie brach &#x017F;ich an dem wider&#x017F;trebenden<lb/>
Sinne der auseinandergehenden Nationalitäten, &#x017F;ie verlor &#x017F;ich<lb/>
vollends in den Kriegen &#x017F;einer Nachfolger und in der Theilung<lb/>
des Reiches! &#x2014; Denn mit dem allmähligen Verzichte auf alle<lb/>
Rechte des Königthums, &#x017F;owie auf das Princip der Centrali-<lb/>
&#x017F;ation, welches &#x017F;ie weder zu erhalten noch zu begreifen ver-<lb/>
mochten, hatten Karls Nachfolger nichts Eiligeres zu thun, als<lb/>
die Bande zu zerreißen, welche die Völker unter ihrem Scepter<lb/>
vereinigte und &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t der Attribute königlicher Macht zu<lb/>
entkleiden, um &#x017F;ie kläglich mit den feudalen Gilten und Zehn-<lb/>
ten zu vertau&#x017F;chen.</p><lb/>
            <p>Mit die&#x017F;em ver&#x017F;chwenderi&#x017F;chen Aufgeben der königlichen Ge-<lb/>
recht&#x017F;ame, &#x017F;ouveränen Macht und Centralregierung i&#x017F;t es auch<lb/>
erklärlich, warum die Befreiung von der Unterthanenla&#x017F;t, <hi rendition="#aq">pa-<lb/>
ratos</hi> zu halten und <hi rendition="#aq">paraveredos</hi> zu &#x017F;tellen, &#x017F;ich &#x017F;o häufig<lb/>
&#x017F;chon in den Freibriefen Ludwig des Frommen an Beamte und<lb/>
Va&#x017F;allen, bevorab an Kirchen und Klö&#x017F;ter vorfindet. Jn der<lb/>
That enthalten &#x017F;eitdem die kai&#x017F;erlichen Urkunden über die kirch-<lb/>
liche Jmmunität immer eine &#x017F;tändige Formel gegen jede Art<lb/>
von Zwangspflicht in Sachen des Verkehrs, nur die &#x017F;peciellen<lb/>
Befehle des Königs &#x017F;elber ausgenommen.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[153/0166] der römiſchen Poſtanſtalten, aber leider können wir uns nicht zu dem Glauben hinreißen laſſen, daß der Gedanke ſeine Ver- wirklichung fand; ſelbſt wenn es der Fall geweſen war, ſo ging es mit dieſer Einrichtung wie mit vielen andern, die Karl der Große gegründet oder entworfen hatte; ſie ging ebenſo zu Grunde wie die Kanalbauten in Mitte der unſeligen Kriege; ſie ſcheiterte an der Unzulänglichkeit der Hülfsmittel, die er den Schwierigkeiten der Natur in einer ſo rohen und finſtern Zeit entgegenſetzen konnte, ſie brach ſich an dem widerſtrebenden Sinne der auseinandergehenden Nationalitäten, ſie verlor ſich vollends in den Kriegen ſeiner Nachfolger und in der Theilung des Reiches! — Denn mit dem allmähligen Verzichte auf alle Rechte des Königthums, ſowie auf das Princip der Centrali- ſation, welches ſie weder zu erhalten noch zu begreifen ver- mochten, hatten Karls Nachfolger nichts Eiligeres zu thun, als die Bande zu zerreißen, welche die Völker unter ihrem Scepter vereinigte und ſich ſelbſt der Attribute königlicher Macht zu entkleiden, um ſie kläglich mit den feudalen Gilten und Zehn- ten zu vertauſchen. Mit dieſem verſchwenderiſchen Aufgeben der königlichen Ge- rechtſame, ſouveränen Macht und Centralregierung iſt es auch erklärlich, warum die Befreiung von der Unterthanenlaſt, pa- ratos zu halten und paraveredos zu ſtellen, ſich ſo häufig ſchon in den Freibriefen Ludwig des Frommen an Beamte und Vaſallen, bevorab an Kirchen und Klöſter vorfindet. Jn der That enthalten ſeitdem die kaiſerlichen Urkunden über die kirch- liche Jmmunität immer eine ſtändige Formel gegen jede Art von Zwangspflicht in Sachen des Verkehrs, nur die ſpeciellen Befehle des Königs ſelber ausgenommen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hartmann_posten_1868
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hartmann_posten_1868/166
Zitationshilfe: Hartmann, Eugen: Entwicklungs-Geschichte der Posten von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart. Leipzig, 1868, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hartmann_posten_1868/166>, abgerufen am 03.05.2024.