einzelnen Völkerstämme befestigten sich in ihren Wohnsitzen. Die erste Periode des Mittelalters war vorüber. Auf der Schwelle der zweiten tritt uns ein Mann entgegen, mit Recht der Große genannt. Er verstand seine Zeit, wie sein Volk, und wurde der Reformator der germanischen Welt. Das Zeit- alter Karl's des Großen ist nach langer Oede der erste freu- dige Anblick, der dem Forscher gegönnt ist. Ueberall keimt die junge Cultur empor, überall werden neue Samenkörner gelegt.
Kaiser Karl der Große eröffnet durch seine imposante Er- scheinung einen neuen Zeitabschnitt in der Geschichte der Cultur, er gibt dem Strome der allgemeinen Verhältnisse eine neue lang kenntliche Richtung. Seine Thatkraft, durch die Gunst des Schicksals noch erhöht, vereinigte vor Allem große bis jetzt zersplitterte Ländercomplexe; die Ländermasse, die er zusammen- brachte, reichte von der Nordsee bis zum untern Jtalien, vom Ebro bis zur Weichsel und Theiß.
Zum ersten Male nach langen Jahrhunderten sehen wir wieder viele Provinzen und Länder unter einem Scepter und ein Gesetz regiert Alle gemeinsam; wir sehen die Wieder- erstehung des abendländischen Kaiserthums vor uns, jedoch unter der Aegide eines andern politischen Principes.
Kaiser Karls des Großen Reich hätte dem Umfange und seiner Ausdehnung gemäß die für das Dasein von Verkehrs- anstalten nothwendigen Grundbedingungen im reichsten Maße gehabt; -- das ganze Bestreben des Kaisers ging offenbar da- hin, in bürgerlicher wie militärischer Beziehung ein einheitliches Ganzes zu schaffen; und wenn er bei der großen Ausdehnung seines Reiches die Möglichkeit gewinnen mußte, seine Anord- nungen in gleicher Weise zur Geltung und zum Vollzug brin-
einzelnen Völkerſtämme befeſtigten ſich in ihren Wohnſitzen. Die erſte Periode des Mittelalters war vorüber. Auf der Schwelle der zweiten tritt uns ein Mann entgegen, mit Recht der Große genannt. Er verſtand ſeine Zeit, wie ſein Volk, und wurde der Reformator der germaniſchen Welt. Das Zeit- alter Karl's des Großen iſt nach langer Oede der erſte freu- dige Anblick, der dem Forſcher gegönnt iſt. Ueberall keimt die junge Cultur empor, überall werden neue Samenkörner gelegt.
Kaiſer Karl der Große eröffnet durch ſeine impoſante Er- ſcheinung einen neuen Zeitabſchnitt in der Geſchichte der Cultur, er gibt dem Strome der allgemeinen Verhältniſſe eine neue lang kenntliche Richtung. Seine Thatkraft, durch die Gunſt des Schickſals noch erhöht, vereinigte vor Allem große bis jetzt zerſplitterte Ländercomplexe; die Ländermaſſe, die er zuſammen- brachte, reichte von der Nordſee bis zum untern Jtalien, vom Ebro bis zur Weichſel und Theiß.
Zum erſten Male nach langen Jahrhunderten ſehen wir wieder viele Provinzen und Länder unter einem Scepter und ein Geſetz regiert Alle gemeinſam; wir ſehen die Wieder- erſtehung des abendländiſchen Kaiſerthums vor uns, jedoch unter der Aegide eines andern politiſchen Principes.
Kaiſer Karls des Großen Reich hätte dem Umfange und ſeiner Ausdehnung gemäß die für das Daſein von Verkehrs- anſtalten nothwendigen Grundbedingungen im reichſten Maße gehabt; — das ganze Beſtreben des Kaiſers ging offenbar da- hin, in bürgerlicher wie militäriſcher Beziehung ein einheitliches Ganzes zu ſchaffen; und wenn er bei der großen Ausdehnung ſeines Reiches die Möglichkeit gewinnen mußte, ſeine Anord- nungen in gleicher Weiſe zur Geltung und zum Vollzug brin-
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einzelnen Völkerſtämme befeſtigten ſich in ihren Wohnſitzen.
Die erſte Periode des Mittelalters war vorüber. Auf der
Schwelle der zweiten tritt uns ein Mann entgegen, mit Recht
der Große genannt. Er verſtand ſeine Zeit, wie ſein Volk,
und wurde der Reformator der germaniſchen Welt. Das Zeit-
alter Karl's des Großen iſt nach langer Oede der erſte freu-
dige Anblick, der dem Forſcher gegönnt iſt. Ueberall keimt die
junge Cultur empor, überall werden neue Samenkörner gelegt.
Kaiſer Karl der Große eröffnet durch ſeine impoſante Er-
ſcheinung einen neuen Zeitabſchnitt in der Geſchichte der Cultur,
er gibt dem Strome der allgemeinen Verhältniſſe eine neue
lang kenntliche Richtung. Seine Thatkraft, durch die Gunſt
des Schickſals noch erhöht, vereinigte vor Allem große bis jetzt
zerſplitterte Ländercomplexe; die Ländermaſſe, die er zuſammen-
brachte, reichte von der Nordſee bis zum untern Jtalien, vom
Ebro bis zur Weichſel und Theiß.
Zum erſten Male nach langen Jahrhunderten ſehen wir
wieder viele Provinzen und Länder unter einem Scepter und
ein Geſetz regiert Alle gemeinſam; wir ſehen die Wieder-
erſtehung des abendländiſchen Kaiſerthums vor uns, jedoch unter
der Aegide eines andern politiſchen Principes.
Kaiſer Karls des Großen Reich hätte dem Umfange und
ſeiner Ausdehnung gemäß die für das Daſein von Verkehrs-
anſtalten nothwendigen Grundbedingungen im reichſten Maße
gehabt; — das ganze Beſtreben des Kaiſers ging offenbar da-
hin, in bürgerlicher wie militäriſcher Beziehung ein einheitliches
Ganzes zu ſchaffen; und wenn er bei der großen Ausdehnung
ſeines Reiches die Möglichkeit gewinnen mußte, ſeine Anord-
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Hartmann, Eugen: Entwicklungs-Geschichte der Posten von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart. Leipzig, 1868, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hartmann_posten_1868/149>, abgerufen am 24.11.2024.
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