Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 3. Nürnberg, 1653.

Bild:
<< vorherige Seite

Nebel.
sich unsrem Aug entzogen etc. Der Nebel wil
gleichsam mit Adlers Flügeln erhoben ob den Hü-
geln sich schwingen Sternen an: Er bildet was er
kan/ und muß wie Jcarus sich mit deß Taues
Guß abstürtzen in das Meer. Der Vögel Waf-
serschweres Netz.

Der Nebel hat die Deutung der Verbergung
und Unterdruckung einer Sache.

324. Neid.

Der Tugend fremde Mißgeburt. Deß Teuf-
fels erste Sündenbrut/ der blasse/ feuerbrennen-
de/ fressige/ bissige/ abgegrämte/ Hertzquelende/
gifftige/ Schlangenartige Neid/ die böse Höllen-
zucht/ mit Drachenblut durchgallt/ knirscht mit
den Zähnen ob seines Nechsten Glück. Der E-
ckelhaffte Neid/ das scheele Neidharts Aug/ voll
Basilisken Gifft. Die Gedanken deß Neidischen
sind Rach/ alles was in der Welt Gutes geschi-
het/ bedunket ihn böß. Er ist die Pestilentz jedoch
nur mit dem Willen/ den er nicht kan erfüllen/ an
aller Welte Grentz. Deß Neidlings Bett ist vol-
ler Dörner Spitzen/ er kan niemals in Ruhe si-
tzen/ und pfleget jedermann zu ritzen mit seiner Le-
sterzung. Jhm wird der Tag zu finstrer Nacht/
deß Bruders Freud sein eignes Leid/ sein'
eigen Henkersplag etc. Neid ist nur bey hohen Sa-
chen/ und die nicht gemeine sind: Hierein setzt er
seine Rachen/ alles Glücks gefert und Kind etc.

Leid
Z iiij

Nebel.
ſich unſrem Aug entzogen ꝛc. Der Nebel wil
gleichſam mit Adlers Fluͤgeln erhoben ob den Huͤ-
geln ſich ſchwingen Sternen an: Er bildet was er
kan/ und muß wie Jcarus ſich mit deß Taues
Guß abſtuͤrtzen in das Meer. Der Voͤgel Waf-
ſerſchweres Netz.

Der Nebel hat die Deutung der Verbergung
und Unterdruckung einer Sache.

324. Neid.

Der Tugend fremde Mißgeburt. Deß Teuf-
fels erſte Suͤndenbrut/ der blaſſe/ feuerbrennen-
de/ freſſige/ biſſige/ abgegraͤmte/ Hertzquelende/
gifftige/ Schlangenartige Neid/ die boͤſe Hoͤllen-
zucht/ mit Drachenblut durchgallt/ knirſcht mit
den Zaͤhnen ob ſeines Nechſten Gluͤck. Der E-
ckelhaffte Neid/ das ſcheele Neidharts Aug/ voll
Baſiliſken Gifft. Die Gedanken deß Neidiſchen
ſind Rach/ alles was in der Welt Gutes geſchi-
het/ bedunket ihn boͤß. Er iſt die Peſtilentz jedoch
nur mit dem Willen/ den er nicht kan erfuͤllen/ an
aller Welte Grentz. Deß Neidlings Bett iſt vol-
ler Doͤrner Spitzen/ er kan niemals in Ruhe ſi-
tzen/ und pfleget jedermann zu ritzen mit ſeiner Le-
ſterzung. Jhm wird der Tag zu finſtrer Nacht/
deß Bruders Freud ſein eignes Leid/ ſein’
eigen Henkersplag ꝛc. Neid iſt nur bey hohen Sa-
chen/ und die nicht gemeine ſind: Hierein ſetzt er
ſeine Rachen/ alles Gluͤcks gefert und Kind ꝛc.

Leid
Z iiij
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0391" n="361[359]"/><fw place="top" type="header">Nebel.</fw><lb/>
&#x017F;ich un&#x017F;rem Aug entzogen &#xA75B;c. Der Nebel wil<lb/>
gleich&#x017F;am mit Adlers Flu&#x0364;geln erhoben ob den Hu&#x0364;-<lb/>
geln &#x017F;ich &#x017F;chwingen Sternen an: Er bildet was er<lb/>
kan/ und muß wie Jcarus &#x017F;ich mit deß Taues<lb/>
Guß ab&#x017F;tu&#x0364;rtzen in das Meer. Der Vo&#x0364;gel Waf-<lb/>
&#x017F;er&#x017F;chweres Netz.</p><lb/>
            <p>Der <hi rendition="#fr">Nebel</hi> hat die Deutung der Verbergung<lb/>
und <hi rendition="#aq">U</hi>nterdruckung einer Sache.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#b">324. Neid.</hi> </hi> </head><lb/>
            <p>Der Tugend fremde Mißgeburt. Deß Teuf-<lb/>
fels er&#x017F;te Su&#x0364;ndenbrut/ der bla&#x017F;&#x017F;e/ feuerbrennen-<lb/>
de/ fre&#x017F;&#x017F;ige/ bi&#x017F;&#x017F;ige/ abgegra&#x0364;mte/ Hertzquelende/<lb/>
gifftige/ Schlangenartige Neid/ die bo&#x0364;&#x017F;e Ho&#x0364;llen-<lb/>
zucht/ mit Drachenblut durchgallt/ knir&#x017F;cht mit<lb/>
den Za&#x0364;hnen ob &#x017F;eines Nech&#x017F;ten Glu&#x0364;ck. Der E-<lb/>
ckelhaffte Neid/ das &#x017F;cheele Neidharts Aug/ voll<lb/>
Ba&#x017F;ili&#x017F;ken Gifft. Die Gedanken deß Neidi&#x017F;chen<lb/>
&#x017F;ind Rach/ alles was in der Welt Gutes ge&#x017F;chi-<lb/>
het/ bedunket ihn bo&#x0364;ß. Er i&#x017F;t die Pe&#x017F;tilentz jedoch<lb/>
nur mit dem Willen/ den er nicht kan erfu&#x0364;llen/ an<lb/>
aller Welte Grentz. Deß Neidlings Bett i&#x017F;t vol-<lb/>
ler Do&#x0364;rner Spitzen/ er kan niemals in Ruhe &#x017F;i-<lb/>
tzen/ und pfleget jedermann zu ritzen mit &#x017F;einer Le-<lb/>
&#x017F;terzung. Jhm wird der Tag zu fin&#x017F;trer Nacht/<lb/>
deß Bruders Freud &#x017F;ein eignes Leid/ &#x017F;ein&#x2019;<lb/>
eigen Henkersplag &#xA75B;c. Neid i&#x017F;t nur bey hohen Sa-<lb/>
chen/ und die nicht gemeine &#x017F;ind: Hierein &#x017F;etzt er<lb/>
&#x017F;eine Rachen/ alles Glu&#x0364;cks gefert und Kind &#xA75B;c.<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Z iiij</fw><fw place="bottom" type="catch">Leid</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[361[359]/0391] Nebel. ſich unſrem Aug entzogen ꝛc. Der Nebel wil gleichſam mit Adlers Fluͤgeln erhoben ob den Huͤ- geln ſich ſchwingen Sternen an: Er bildet was er kan/ und muß wie Jcarus ſich mit deß Taues Guß abſtuͤrtzen in das Meer. Der Voͤgel Waf- ſerſchweres Netz. Der Nebel hat die Deutung der Verbergung und Unterdruckung einer Sache. 324. Neid. Der Tugend fremde Mißgeburt. Deß Teuf- fels erſte Suͤndenbrut/ der blaſſe/ feuerbrennen- de/ freſſige/ biſſige/ abgegraͤmte/ Hertzquelende/ gifftige/ Schlangenartige Neid/ die boͤſe Hoͤllen- zucht/ mit Drachenblut durchgallt/ knirſcht mit den Zaͤhnen ob ſeines Nechſten Gluͤck. Der E- ckelhaffte Neid/ das ſcheele Neidharts Aug/ voll Baſiliſken Gifft. Die Gedanken deß Neidiſchen ſind Rach/ alles was in der Welt Gutes geſchi- het/ bedunket ihn boͤß. Er iſt die Peſtilentz jedoch nur mit dem Willen/ den er nicht kan erfuͤllen/ an aller Welte Grentz. Deß Neidlings Bett iſt vol- ler Doͤrner Spitzen/ er kan niemals in Ruhe ſi- tzen/ und pfleget jedermann zu ritzen mit ſeiner Le- ſterzung. Jhm wird der Tag zu finſtrer Nacht/ deß Bruders Freud ſein eignes Leid/ ſein’ eigen Henkersplag ꝛc. Neid iſt nur bey hohen Sa- chen/ und die nicht gemeine ſind: Hierein ſetzt er ſeine Rachen/ alles Gluͤcks gefert und Kind ꝛc. Leid Z iiij

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/harsdoerffer_trichter03_1653
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/harsdoerffer_trichter03_1653/391
Zitationshilfe: Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 3. Nürnberg, 1653, S. 361[359]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/harsdoerffer_trichter03_1653/391>, abgerufen am 27.11.2024.