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Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 3. Nürnberg, 1653.

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Die Buler Liebe.
der machet schnauffen. Ein stets erneuter Brand.
Aus dem Wort Lieb kommen folgende mit ver-
setzten Buchstaben.

Lieb: Leib: Beil: i in u:
übel/ i in y Bley.

Die Lieb in unsrem Leib heist übel mancherley:
bald ists ein schneidend Beil/ bald ein zerschmoltz-
nes Bley.
Es hafftet in der Lieb nicht viel Beständigkeit/
Dieweil so kurtzer Nam so manchen Wechsel
leidt.

Welche die Liebe schänden wollen/ sehen dersel-
ben Bildniß an: Es ist ein Kind das entblösst/ be-
flügelt/ mit Bogen und Pfeilen gewaffnet und
hat einen Brand in der Hand. Die Kindheit be-
deutet den wenigen Verstand der Verliebten/ die
Blöse den Verlust habender Güter/ die Flügel die
Unbeständigkeit/ dieses Kind ist ein Blinder
Führer/ und stürtzet den/ der folget mit in die Gru-
ben/ inzwischen aber empfindet er den Schmer-
tzen/ welchen die brennende Kertze in den Hertzen
anzündet. Alles dieses aber hat eine gantz widrige
Deutung. Die Kindheit der Liebe bemerket/ daß
sie das Alter verjungen und erneuren und sich/
wie die Kinder angenem machen kan. Die Blöse
zeichet die natürliche Schönheit/ welche keiner
Bedeckung von nöhten hat/ weil sie keinen Man-
gel zu verbergen; oder weil unter den geliebten

und

Die Buler Liebe.
der machet ſchnauffen. Ein ſtets erneuteꝛ Brand.
Aus dem Wort Lieb kommen folgende mit ver-
ſetzten Buchſtaben.

Lieb: Leib: Beil: i in u:
uͤbel/ i in y Bley.

Die Lieb in unſrem Leib heiſt uͤbel mancherley:
bald iſts ein ſchneidend Beil/ bald ein zerſchmoltz-
nes Bley.
Es hafftet in der Lieb nicht viel Beſtaͤndigkeit/
Dieweil ſo kurtzer Nam ſo manchen Wechſel
leidt.

Welche die Liebe ſchaͤnden wollen/ ſehen derſel-
ben Bildniß an: Es iſt ein Kind das entbloͤſſt/ be-
fluͤgelt/ mit Bogen und Pfeilen gewaffnet und
hat einen Brand in der Hand. Die Kindheit be-
deutet den wenigen Verſtand der Verliebten/ die
Bloͤſe den Verluſt habender Guͤter/ die Fluͤgel die
Unbeſtaͤndigkeit/ dieſes Kind iſt ein Blinder
Fuͤhrer/ und ſtuͤrtzet den/ deꝛ folget mit in die Gru-
ben/ inzwiſchen aber empfindet er den Schmer-
tzen/ welchen die brennende Kertze in den Hertzen
anzuͤndet. Alles dieſes aber hat eine gantz widrige
Deutung. Die Kindheit der Liebe bemerket/ daß
ſie das Alter verjungen und erneuren und ſich/
wie die Kinder angenem machen kan. Die Bloͤſe
zeichet die natuͤrliche Schoͤnheit/ welche keiner
Bedeckung von noͤhten hat/ weil ſie keinen Man-
gel zu verbergen; oder weil unter den geliebten

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[321[319]/0351] Die Buler Liebe. der machet ſchnauffen. Ein ſtets erneuteꝛ Brand. Aus dem Wort Lieb kommen folgende mit ver- ſetzten Buchſtaben. Lieb: Leib: Beil: i in u: uͤbel/ i in y Bley. Die Lieb in unſrem Leib heiſt uͤbel mancherley: bald iſts ein ſchneidend Beil/ bald ein zerſchmoltz- nes Bley. Es hafftet in der Lieb nicht viel Beſtaͤndigkeit/ Dieweil ſo kurtzer Nam ſo manchen Wechſel leidt. Welche die Liebe ſchaͤnden wollen/ ſehen derſel- ben Bildniß an: Es iſt ein Kind das entbloͤſſt/ be- fluͤgelt/ mit Bogen und Pfeilen gewaffnet und hat einen Brand in der Hand. Die Kindheit be- deutet den wenigen Verſtand der Verliebten/ die Bloͤſe den Verluſt habender Guͤter/ die Fluͤgel die Unbeſtaͤndigkeit/ dieſes Kind iſt ein Blinder Fuͤhrer/ und ſtuͤrtzet den/ deꝛ folget mit in die Gru- ben/ inzwiſchen aber empfindet er den Schmer- tzen/ welchen die brennende Kertze in den Hertzen anzuͤndet. Alles dieſes aber hat eine gantz widrige Deutung. Die Kindheit der Liebe bemerket/ daß ſie das Alter verjungen und erneuren und ſich/ wie die Kinder angenem machen kan. Die Bloͤſe zeichet die natuͤrliche Schoͤnheit/ welche keiner Bedeckung von noͤhten hat/ weil ſie keinen Man- gel zu verbergen; oder weil unter den geliebten und

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Zitationshilfe: Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 3. Nürnberg, 1653, S. 321[319]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/harsdoerffer_trichter03_1653/351>, abgerufen am 24.11.2024.